Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Ludwig und Leonardus bildeten gleichsam mit ihm den Kriegsrath im Kastell; alle drei trugen aus guten Gründen militärische Uniformen und ebenso steckte die Dienerschaft in Jäger-Monturen. Nebenausgänge aus dem Kastell waren verrammelt, das Hauptthor bewacht, die Zugbrücke aufgezogen. Dieser Widerstand sollte nicht gegen kriegerischen Angriff gelten, sondern blos Schutz gewähren gegen Raubrotten, und den leistete das so bewehrte und bewachte Kastell Doorwerth trefflich. Es war ein ungleich besserer strategischer Punkt, als die kleine, unbedeutende und halb verfallene Dunenschanze, die in des Schlosses nächster Nähe nach dem Strome zu lag. -- Wieder war ein Tag voll Unruhe angebrochen, Windt hatte den treulosen Rentmeister entlassen und seiner Pflicht entbunden, und hatte einen Brief vom Hofrath Brünings aus Varel erhalten, wo auch kein schönes Wetter war. Brünings äußerte sich halb ironisch, voll Hoffnung, daß das "große Werk" nun wohl bald zu Stande kommen werde und schrieb: "Man hört hier von Holland, in Ansehung der inneren Unruhe, viele düstere Gerüchte. Gott gebe, daß sie ohne Grund sind. Hier nimmt der Geist des Jakobinismus noch gar nicht ab. Die reichen Bauern wollen keine Steuern mehr zahlen, die armen können nicht, unsere herrschaftlichen Kassen sind leer." Und was in unseren hiesigen liegt, ist auch kein Gold und kein Silber, seufzte Windt. Und jetzt nun soll Doorwerth verkauft werden! Es ist unsinnig. Aber hab' ich's nicht schon vor vier, vor drei und zwei Jahren voraus gesagt, daß man warten und zögern werde, bis die politischen Angelegenheiten Alles verderben und aufs Spiel setzen würden? Siehe, da ist's handgreiflich wahr geworden. Und dem Erbherrn, welcher kommen und Geld mitbringen wollte, geht es wie mir, er ist krank vor Sorge und Anstrengung. Er hat sein Leben daran gesetzt, ein neues Corps zu errichten. Er nimmt sich mit dem edelmüthigsten und tapfersten Sinne der Landesangelegenheiten auf das Aeußerste an und soll ganz elend aussehen. Alle Geldmittel, deren er hat habhaft werden können, hat er seinen patriotischen Zwecken geopfert, und wo sollte er nun Geld für Doorwerth hernehmen? Keiner borgt jetzt dem Andern einen Deut. Die Zeit ist aus ihren Fugen gekommen, sagt Hamlet. Die so schleunige Wendung der Dinge macht es dem Erbherrn unmöglich, Geld zu schaffen, selbst wenn er Zeit hätte, Ludwig und Leonardus bildeten gleichsam mit ihm den Kriegsrath im Kastell; alle drei trugen aus guten Gründen militärische Uniformen und ebenso steckte die Dienerschaft in Jäger-Monturen. Nebenausgänge aus dem Kastell waren verrammelt, das Hauptthor bewacht, die Zugbrücke aufgezogen. Dieser Widerstand sollte nicht gegen kriegerischen Angriff gelten, sondern blos Schutz gewähren gegen Raubrotten, und den leistete das so bewehrte und bewachte Kastell Doorwerth trefflich. Es war ein ungleich besserer strategischer Punkt, als die kleine, unbedeutende und halb verfallene Dunenschanze, die in des Schlosses nächster Nähe nach dem Strome zu lag. — Wieder war ein Tag voll Unruhe angebrochen, Windt hatte den treulosen Rentmeister entlassen und seiner Pflicht entbunden, und hatte einen Brief vom Hofrath Brünings aus Varel erhalten, wo auch kein schönes Wetter war. Brünings äußerte sich halb ironisch, voll Hoffnung, daß das „große Werk“ nun wohl bald zu Stande kommen werde und schrieb: „Man hört hier von Holland, in Ansehung der inneren Unruhe, viele düstere Gerüchte. Gott gebe, daß sie ohne Grund sind. Hier nimmt der Geist des Jakobinismus noch gar nicht ab. Die reichen Bauern wollen keine Steuern mehr zahlen, die armen können nicht, unsere herrschaftlichen Kassen sind leer.“ Und was in unseren hiesigen liegt, ist auch kein Gold und kein Silber, seufzte Windt. Und jetzt nun soll Doorwerth verkauft werden! Es ist unsinnig. Aber hab’ ich’s nicht schon vor vier, vor drei und zwei Jahren voraus gesagt, daß man warten und zögern werde, bis die politischen Angelegenheiten Alles verderben und aufs Spiel setzen würden? Siehe, da ist’s handgreiflich wahr geworden. Und dem Erbherrn, welcher kommen und Geld mitbringen wollte, geht es wie mir, er ist krank vor Sorge und Anstrengung. Er hat sein Leben daran gesetzt, ein neues Corps zu errichten. Er nimmt sich mit dem edelmüthigsten und tapfersten Sinne der Landesangelegenheiten auf das Aeußerste an und soll ganz elend aussehen. Alle Geldmittel, deren er hat habhaft werden können, hat er seinen patriotischen Zwecken geopfert, und wo sollte er nun Geld für Doorwerth hernehmen? Keiner borgt jetzt dem Andern einen Deut. Die Zeit ist aus ihren Fugen gekommen, sagt Hamlet. Die so schleunige Wendung der Dinge macht es dem Erbherrn unmöglich, Geld zu schaffen, selbst wenn er Zeit hätte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0170" n="166"/> Ludwig und Leonardus bildeten gleichsam mit ihm den Kriegsrath im Kastell; alle drei trugen aus guten Gründen militärische Uniformen und ebenso steckte die Dienerschaft in Jäger-Monturen. Nebenausgänge aus dem Kastell waren verrammelt, das Hauptthor bewacht, die Zugbrücke aufgezogen. Dieser Widerstand sollte nicht gegen kriegerischen Angriff gelten, sondern blos Schutz gewähren gegen Raubrotten, und den leistete das so bewehrte und bewachte Kastell Doorwerth trefflich. Es war ein ungleich besserer strategischer Punkt, als die kleine, unbedeutende und halb verfallene Dunenschanze, die in des Schlosses nächster Nähe nach dem Strome zu lag. — Wieder war ein Tag voll Unruhe angebrochen, Windt hatte den treulosen Rentmeister entlassen und seiner Pflicht entbunden, und hatte einen Brief vom Hofrath Brünings aus Varel erhalten, wo auch kein schönes Wetter war. Brünings äußerte sich halb ironisch, voll Hoffnung, daß das „große Werk“ nun wohl bald zu Stande kommen werde und schrieb: „Man hört hier von Holland, in Ansehung der inneren Unruhe, viele düstere Gerüchte. Gott gebe, daß sie ohne Grund sind. Hier nimmt der Geist des Jakobinismus noch gar nicht ab. Die reichen Bauern wollen keine Steuern mehr zahlen, die armen können nicht, unsere herrschaftlichen Kassen sind leer.“ </p> <p>Und was in unseren hiesigen liegt, ist auch kein Gold und kein Silber, seufzte Windt. Und jetzt nun soll Doorwerth verkauft werden! Es ist unsinnig. Aber hab’ ich’s nicht schon vor vier, vor drei und zwei Jahren voraus gesagt, daß man warten und zögern werde, bis die politischen Angelegenheiten Alles verderben und aufs Spiel setzen würden? Siehe, da ist’s handgreiflich wahr geworden. Und dem Erbherrn, welcher kommen und Geld mitbringen wollte, geht es wie mir, er ist krank vor Sorge und Anstrengung. Er hat sein Leben daran gesetzt, ein neues Corps zu errichten. Er nimmt sich mit dem edelmüthigsten und tapfersten Sinne der Landesangelegenheiten auf das Aeußerste an und soll ganz elend aussehen. Alle Geldmittel, deren er hat habhaft werden können, hat er seinen patriotischen Zwecken geopfert, und wo sollte er nun Geld für Doorwerth hernehmen? Keiner borgt jetzt dem Andern einen Deut. Die Zeit ist aus ihren Fugen gekommen, sagt Hamlet. Die so schleunige Wendung der Dinge macht es dem Erbherrn unmöglich, Geld zu schaffen, selbst wenn er Zeit hätte, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0170]
Ludwig und Leonardus bildeten gleichsam mit ihm den Kriegsrath im Kastell; alle drei trugen aus guten Gründen militärische Uniformen und ebenso steckte die Dienerschaft in Jäger-Monturen. Nebenausgänge aus dem Kastell waren verrammelt, das Hauptthor bewacht, die Zugbrücke aufgezogen. Dieser Widerstand sollte nicht gegen kriegerischen Angriff gelten, sondern blos Schutz gewähren gegen Raubrotten, und den leistete das so bewehrte und bewachte Kastell Doorwerth trefflich. Es war ein ungleich besserer strategischer Punkt, als die kleine, unbedeutende und halb verfallene Dunenschanze, die in des Schlosses nächster Nähe nach dem Strome zu lag. — Wieder war ein Tag voll Unruhe angebrochen, Windt hatte den treulosen Rentmeister entlassen und seiner Pflicht entbunden, und hatte einen Brief vom Hofrath Brünings aus Varel erhalten, wo auch kein schönes Wetter war. Brünings äußerte sich halb ironisch, voll Hoffnung, daß das „große Werk“ nun wohl bald zu Stande kommen werde und schrieb: „Man hört hier von Holland, in Ansehung der inneren Unruhe, viele düstere Gerüchte. Gott gebe, daß sie ohne Grund sind. Hier nimmt der Geist des Jakobinismus noch gar nicht ab. Die reichen Bauern wollen keine Steuern mehr zahlen, die armen können nicht, unsere herrschaftlichen Kassen sind leer.“
Und was in unseren hiesigen liegt, ist auch kein Gold und kein Silber, seufzte Windt. Und jetzt nun soll Doorwerth verkauft werden! Es ist unsinnig. Aber hab’ ich’s nicht schon vor vier, vor drei und zwei Jahren voraus gesagt, daß man warten und zögern werde, bis die politischen Angelegenheiten Alles verderben und aufs Spiel setzen würden? Siehe, da ist’s handgreiflich wahr geworden. Und dem Erbherrn, welcher kommen und Geld mitbringen wollte, geht es wie mir, er ist krank vor Sorge und Anstrengung. Er hat sein Leben daran gesetzt, ein neues Corps zu errichten. Er nimmt sich mit dem edelmüthigsten und tapfersten Sinne der Landesangelegenheiten auf das Aeußerste an und soll ganz elend aussehen. Alle Geldmittel, deren er hat habhaft werden können, hat er seinen patriotischen Zwecken geopfert, und wo sollte er nun Geld für Doorwerth hernehmen? Keiner borgt jetzt dem Andern einen Deut. Die Zeit ist aus ihren Fugen gekommen, sagt Hamlet. Die so schleunige Wendung der Dinge macht es dem Erbherrn unmöglich, Geld zu schaffen, selbst wenn er Zeit hätte,
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