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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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stand leer, und in dem weitläufigen und sehr geräumigen, aber etwas winklich gebauten Kastell waltete Aufsicht führend mit weniger Dienerschaft, nur mit zwei Mägden und einem Hausknecht, der zugleich die Botengänge nach der Stadt zu verrichten hatte, eine Frau von gutmüthigem Aussehen, aber dabei raschem und entschlossenem Wesen. Sie leitete mit Hülfe von Frohnern und Tagelöhnern den Anbau des Gartens, wobei freilich der schönen Gartenkunst nur sparsam Rechnung getragen wurde; sie zog auch wenige Artischoken, aber viele Zwiebeln und Kartoffeln, wenige Hyacinthen und sonstige Blumen, aber desto mehr Blumenkohl, ein Krauthaupt war ihr ungleich lieber, als eine Wassermelone, eine starke Selleriewurzel freute sie fast mehr als ein Spargelstengel, und ein tüchtiger Büschel reifer Lauch dünkte ihr mehr werth als ein ganzes Beet voll blühender Crocus.

Es war ein schöner Juninachmittag, der schon zum Abend neigte, als diese wackere Frau nach vollbrachter Tagesarbeit in bequemster niederländischer Haustracht sich im köstlichen Schatten der nördlichen Allee erging, einen mächtig großen Strickbeutel am Arme; an einem Band am anderen Arme hing ihr ein Fächer von der höchsten Einfachheit, aber von der möglichsten Größe, wie die holländischen Matrosenfrauen sie trugen. Derselbe war von braunem Cedernholz, was das Gestell betraf, und das Papier war grün, weder auf der einen noch auf der anderen Seite war etwas darauf gemalt, auch nicht das kleinste Blümchen. Dieser Fächer, dessen zwar die Eigenthümerin jetzt im Schatten der Allee nicht bedurfte, war indeß bei all seiner Einfachheit ungleich nützlicher und praktischer, als der feinste elfenbeinene, zart durchbrochene Bastillefächer von Paris, und das Verhältniß des Windes, der mit ihm zur Kühlung hervorgebracht werden konnte, war ohngefähr das vom Sausen eines Windmühlenflügels oder dem Hauch eines Blasebalgs.

Von Zeit zu Zeit warf die lustwandelnde Frau einen Blick in die Tiefe der schnurgeraden Allee, endlich sprach sie laut vor sich hin und um so lauter, als Niemand vorhanden war, der sie hörte: Ob er wohl nicht bald kommt? Zeit wär's! Ein Mann ist doch ein Mann, eine Frau kommt nicht durch; die ganze Wirthschaft hier geht zu Grunde. Alles verfällt, Schloß, Wälle, Reithaus. Woher kommt's? Von der übergroßen Oeconomie, von der Sparsucht, die den Kukuk

stand leer, und in dem weitläufigen und sehr geräumigen, aber etwas winklich gebauten Kastell waltete Aufsicht führend mit weniger Dienerschaft, nur mit zwei Mägden und einem Hausknecht, der zugleich die Botengänge nach der Stadt zu verrichten hatte, eine Frau von gutmüthigem Aussehen, aber dabei raschem und entschlossenem Wesen. Sie leitete mit Hülfe von Frohnern und Tagelöhnern den Anbau des Gartens, wobei freilich der schönen Gartenkunst nur sparsam Rechnung getragen wurde; sie zog auch wenige Artischoken, aber viele Zwiebeln und Kartoffeln, wenige Hyacinthen und sonstige Blumen, aber desto mehr Blumenkohl, ein Krauthaupt war ihr ungleich lieber, als eine Wassermelone, eine starke Selleriewurzel freute sie fast mehr als ein Spargelstengel, und ein tüchtiger Büschel reifer Lauch dünkte ihr mehr werth als ein ganzes Beet voll blühender Crocus.

Es war ein schöner Juninachmittag, der schon zum Abend neigte, als diese wackere Frau nach vollbrachter Tagesarbeit in bequemster niederländischer Haustracht sich im köstlichen Schatten der nördlichen Allee erging, einen mächtig großen Strickbeutel am Arme; an einem Band am anderen Arme hing ihr ein Fächer von der höchsten Einfachheit, aber von der möglichsten Größe, wie die holländischen Matrosenfrauen sie trugen. Derselbe war von braunem Cedernholz, was das Gestell betraf, und das Papier war grün, weder auf der einen noch auf der anderen Seite war etwas darauf gemalt, auch nicht das kleinste Blümchen. Dieser Fächer, dessen zwar die Eigenthümerin jetzt im Schatten der Allee nicht bedurfte, war indeß bei all seiner Einfachheit ungleich nützlicher und praktischer, als der feinste elfenbeinene, zart durchbrochene Bastillefächer von Paris, und das Verhältniß des Windes, der mit ihm zur Kühlung hervorgebracht werden konnte, war ohngefähr das vom Sausen eines Windmühlenflügels oder dem Hauch eines Blasebalgs.

Von Zeit zu Zeit warf die lustwandelnde Frau einen Blick in die Tiefe der schnurgeraden Allee, endlich sprach sie laut vor sich hin und um so lauter, als Niemand vorhanden war, der sie hörte: Ob er wohl nicht bald kommt? Zeit wär’s! Ein Mann ist doch ein Mann, eine Frau kommt nicht durch; die ganze Wirthschaft hier geht zu Grunde. Alles verfällt, Schloß, Wälle, Reithaus. Woher kommt’s? Von der übergroßen Oeconomie, von der Sparsucht, die den Kukuk

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[142/0146] stand leer, und in dem weitläufigen und sehr geräumigen, aber etwas winklich gebauten Kastell waltete Aufsicht führend mit weniger Dienerschaft, nur mit zwei Mägden und einem Hausknecht, der zugleich die Botengänge nach der Stadt zu verrichten hatte, eine Frau von gutmüthigem Aussehen, aber dabei raschem und entschlossenem Wesen. Sie leitete mit Hülfe von Frohnern und Tagelöhnern den Anbau des Gartens, wobei freilich der schönen Gartenkunst nur sparsam Rechnung getragen wurde; sie zog auch wenige Artischoken, aber viele Zwiebeln und Kartoffeln, wenige Hyacinthen und sonstige Blumen, aber desto mehr Blumenkohl, ein Krauthaupt war ihr ungleich lieber, als eine Wassermelone, eine starke Selleriewurzel freute sie fast mehr als ein Spargelstengel, und ein tüchtiger Büschel reifer Lauch dünkte ihr mehr werth als ein ganzes Beet voll blühender Crocus. Es war ein schöner Juninachmittag, der schon zum Abend neigte, als diese wackere Frau nach vollbrachter Tagesarbeit in bequemster niederländischer Haustracht sich im köstlichen Schatten der nördlichen Allee erging, einen mächtig großen Strickbeutel am Arme; an einem Band am anderen Arme hing ihr ein Fächer von der höchsten Einfachheit, aber von der möglichsten Größe, wie die holländischen Matrosenfrauen sie trugen. Derselbe war von braunem Cedernholz, was das Gestell betraf, und das Papier war grün, weder auf der einen noch auf der anderen Seite war etwas darauf gemalt, auch nicht das kleinste Blümchen. Dieser Fächer, dessen zwar die Eigenthümerin jetzt im Schatten der Allee nicht bedurfte, war indeß bei all seiner Einfachheit ungleich nützlicher und praktischer, als der feinste elfenbeinene, zart durchbrochene Bastillefächer von Paris, und das Verhältniß des Windes, der mit ihm zur Kühlung hervorgebracht werden konnte, war ohngefähr das vom Sausen eines Windmühlenflügels oder dem Hauch eines Blasebalgs. Von Zeit zu Zeit warf die lustwandelnde Frau einen Blick in die Tiefe der schnurgeraden Allee, endlich sprach sie laut vor sich hin und um so lauter, als Niemand vorhanden war, der sie hörte: Ob er wohl nicht bald kommt? Zeit wär’s! Ein Mann ist doch ein Mann, eine Frau kommt nicht durch; die ganze Wirthschaft hier geht zu Grunde. Alles verfällt, Schloß, Wälle, Reithaus. Woher kommt’s? Von der übergroßen Oeconomie, von der Sparsucht, die den Kukuk

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/146>, abgerufen am 25.11.2024.