Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.betriebene Handel ist vielleicht der einzige, der hier nicht befremdet und Argwohn erregt; wir haben auch zum Schein einige Einkäufe dieser Art gemacht, und es wird Ihre Excellenz mit einem Gefühle schmerzlicher Wehmuth erfüllen, wenn ich diesem Briefe eine Locke von dem im Gefängniß schneeweiß gewordenen Haare der unglücklichen Königin Marie Antoinette beifüge. Mir stürzen die hellen Thränen aus den Augen, indem ich dieses schreibe. Leider muß ich Ihrer Excellenz mittheilen, daß das Handelshaus Grossier Vater und Söhne hier seine Zahlungen eingestellt hat, wodurch, da dasselbe beauftragt war, für Ihre Excellenz die de la Tremouille'schen Rentenzinsen für die letztverflossenen Jahre zu erheben, Höchstsie einen namhaften Verlust erleiden, obschon ich fürchte, daß nicht viel zu erheben gewesen sein wird, denn die Revolution gleicht einem alles Vermögen verschlingenden Danaidenfasse. Wer Geld will, braucht nicht nach Paris zu kommen. Doch ich eile zu schließen und bin zu den Füßen Ihrer Excellenz Hochdero getreuester Paris, den 8. Juni 1794.Windt. Es nahten Tritte, gleich darauf traten in das Zimmer des unwandelbar treuen und geraden Dieners die drei Carmagnolen, und indem Graf Ludwig ohne Weiteres begann, sich der abscheulichen Kleidung zu entledigen, den Säbel abzulegen und den Bart abzureißen, was Leonardus ihm alsobald nachthat, rief Ersterer Philipp zu: Schaffe Waschwasser, daß wir wieder zu Menschen werden! Schaffe Wein, aber keinen rothen, ich muß bei diesem stets an Blut denken, seit ich das Ungeheuer Robespierre habe trinken sehen, Chablis, milden und doch feurigen Chablis schaffe herbei, Uf, das war ein Schauspiel, das war ein Vergnügen, und zuletzt war uns auch noch so ein Hund von einem Spion aus den Fersen, dessen Spürnase zehn Schritte weit in uns die Nichtfranzosen witterte. Eilet, eilet, daß wir uns wieder in ehrliche holländische Hairkoopers umwandeln. Und so bald wie möglich diese Löwengrube verlassen, setzte Windt hinzu; dann sprach er warnend: Lassen Sie das den letzten verkappten Ausflug gewesen sein, junger Herr! Sie haben nun Paris gesehen, in seiner ganzen Schönheit. betriebene Handel ist vielleicht der einzige, der hier nicht befremdet und Argwohn erregt; wir haben auch zum Schein einige Einkäufe dieser Art gemacht, und es wird Ihre Excellenz mit einem Gefühle schmerzlicher Wehmuth erfüllen, wenn ich diesem Briefe eine Locke von dem im Gefängniß schneeweiß gewordenen Haare der unglücklichen Königin Marie Antoinette beifüge. Mir stürzen die hellen Thränen aus den Augen, indem ich dieses schreibe. Leider muß ich Ihrer Excellenz mittheilen, daß das Handelshaus Grossier Vater und Söhne hier seine Zahlungen eingestellt hat, wodurch, da dasselbe beauftragt war, für Ihre Excellenz die de la Tremouille’schen Rentenzinsen für die letztverflossenen Jahre zu erheben, Höchstsie einen namhaften Verlust erleiden, obschon ich fürchte, daß nicht viel zu erheben gewesen sein wird, denn die Revolution gleicht einem alles Vermögen verschlingenden Danaidenfasse. Wer Geld will, braucht nicht nach Paris zu kommen. Doch ich eile zu schließen und bin zu den Füßen Ihrer Excellenz Hochdero getreuester Paris, den 8. Juni 1794.Windt. Es nahten Tritte, gleich darauf traten in das Zimmer des unwandelbar treuen und geraden Dieners die drei Carmagnolen, und indem Graf Ludwig ohne Weiteres begann, sich der abscheulichen Kleidung zu entledigen, den Säbel abzulegen und den Bart abzureißen, was Leonardus ihm alsobald nachthat, rief Ersterer Philipp zu: Schaffe Waschwasser, daß wir wieder zu Menschen werden! Schaffe Wein, aber keinen rothen, ich muß bei diesem stets an Blut denken, seit ich das Ungeheuer Robespierre habe trinken sehen, Chablis, milden und doch feurigen Chablis schaffe herbei, Uf, das war ein Schauspiel, das war ein Vergnügen, und zuletzt war uns auch noch so ein Hund von einem Spion aus den Fersen, dessen Spürnase zehn Schritte weit in uns die Nichtfranzosen witterte. Eilet, eilet, daß wir uns wieder in ehrliche holländische Hairkoopers umwandeln. Und so bald wie möglich diese Löwengrube verlassen, setzte Windt hinzu; dann sprach er warnend: Lassen Sie das den letzten verkappten Ausflug gewesen sein, junger Herr! Sie haben nun Paris gesehen, in seiner ganzen Schönheit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0141" n="137"/> betriebene Handel ist vielleicht der einzige, der hier nicht befremdet und Argwohn erregt; wir haben auch zum Schein einige Einkäufe dieser Art gemacht, und es wird Ihre Excellenz mit einem Gefühle schmerzlicher Wehmuth erfüllen, wenn ich diesem Briefe eine Locke von dem im Gefängniß schneeweiß gewordenen Haare der unglücklichen Königin Marie Antoinette beifüge. Mir stürzen die hellen Thränen aus den Augen, indem ich dieses schreibe.</p> <p>Leider muß ich Ihrer Excellenz mittheilen, daß das Handelshaus Grossier Vater und Söhne hier seine Zahlungen eingestellt hat, wodurch, da dasselbe beauftragt war, für Ihre Excellenz die de la Tremouille’schen Rentenzinsen für die letztverflossenen Jahre zu erheben, Höchstsie einen namhaften Verlust erleiden, obschon ich fürchte, daß nicht viel zu erheben gewesen sein wird, denn die Revolution gleicht einem alles Vermögen verschlingenden Danaidenfasse. Wer Geld will, braucht nicht nach Paris zu kommen.</p> <p>Doch ich eile zu schließen und bin zu den Füßen Ihrer Excellenz Hochdero getreuester</p> <p>Paris, den 8. 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Eilet, eilet, daß wir uns wieder in ehrliche holländische Hairkoopers umwandeln.</p> <p>Und so bald wie möglich diese Löwengrube verlassen, setzte Windt hinzu; dann sprach er warnend: Lassen Sie das den letzten verkappten Ausflug gewesen sein, junger Herr! Sie haben nun Paris gesehen, in seiner ganzen Schönheit.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0141]
betriebene Handel ist vielleicht der einzige, der hier nicht befremdet und Argwohn erregt; wir haben auch zum Schein einige Einkäufe dieser Art gemacht, und es wird Ihre Excellenz mit einem Gefühle schmerzlicher Wehmuth erfüllen, wenn ich diesem Briefe eine Locke von dem im Gefängniß schneeweiß gewordenen Haare der unglücklichen Königin Marie Antoinette beifüge. Mir stürzen die hellen Thränen aus den Augen, indem ich dieses schreibe.
Leider muß ich Ihrer Excellenz mittheilen, daß das Handelshaus Grossier Vater und Söhne hier seine Zahlungen eingestellt hat, wodurch, da dasselbe beauftragt war, für Ihre Excellenz die de la Tremouille’schen Rentenzinsen für die letztverflossenen Jahre zu erheben, Höchstsie einen namhaften Verlust erleiden, obschon ich fürchte, daß nicht viel zu erheben gewesen sein wird, denn die Revolution gleicht einem alles Vermögen verschlingenden Danaidenfasse. Wer Geld will, braucht nicht nach Paris zu kommen.
Doch ich eile zu schließen und bin zu den Füßen Ihrer Excellenz Hochdero getreuester
Paris, den 8. Juni 1794.Windt.
Es nahten Tritte, gleich darauf traten in das Zimmer des unwandelbar treuen und geraden Dieners die drei Carmagnolen, und indem Graf Ludwig ohne Weiteres begann, sich der abscheulichen Kleidung zu entledigen, den Säbel abzulegen und den Bart abzureißen, was Leonardus ihm alsobald nachthat, rief Ersterer Philipp zu: Schaffe Waschwasser, daß wir wieder zu Menschen werden! Schaffe Wein, aber keinen rothen, ich muß bei diesem stets an Blut denken, seit ich das Ungeheuer Robespierre habe trinken sehen, Chablis, milden und doch feurigen Chablis schaffe herbei, Uf, das war ein Schauspiel, das war ein Vergnügen, und zuletzt war uns auch noch so ein Hund von einem Spion aus den Fersen, dessen Spürnase zehn Schritte weit in uns die Nichtfranzosen witterte. Eilet, eilet, daß wir uns wieder in ehrliche holländische Hairkoopers umwandeln.
Und so bald wie möglich diese Löwengrube verlassen, setzte Windt hinzu; dann sprach er warnend: Lassen Sie das den letzten verkappten Ausflug gewesen sein, junger Herr! Sie haben nun Paris gesehen, in seiner ganzen Schönheit.
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/141>, abgerufen am 16.02.2025. |