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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Balustrade der Terrasse hin und pfiff sein C'a ira-Stückchen, indem er den Sprechenden näher kam und sich bemühte, ihre Rede zu belauschen.

Der mißtrauische dritte Begleiter nahm jetzt das Wort, und sprach: Diar kommt en holl Tidd jüm uhn -- liat ley wör.

Die Freunde schauten sich um, und der Eine sprach: Nä es et en slecht Tidd! Hura! där dü Barlang hen!*)

Ei, Bürger, warum wollt ihr dem Feste auf dem Marsfelde nicht zuschauen? fragte mit kecker Sicherheit der Mann auf der Ballustrade, und lauerte der Antwort entgegen.

Weil wir schon Staub genug geschluckt haben, und weil uns dürstet, ward ihm zur Antwort.

Was ist das für eine Sprache, in welcher ihr euch unterhaltet, Bürger? fragte jener, immer gleichen Schritt mit den Freunden haltend.

Ein Ueberrest der Sprache vom Babelthurmbau vielleicht, wenn du sie nicht verstehst, Bürger!

Bürger, ich glaube nicht, daß ihr Franzosen seid? fuhr jener fort. Doch ich werde mit euch gehen, mich dürstet auch.

Na, denn nem man jarst diar jahn üp, üppasser!**) schrie mit starker Stimme der Hinterste ihm zu, und im Nu lag der Franzose drunten im Strombette der Seine und plätscherte puhstend, rufend und fluchend in den Wellen.

Nä uhn Gotts Namen förward!***) rief der Aeltere der drei Gefährten und bog im rechten Winkel schnurstracks nach der Stadtseite ein, sich mit seinen Gefährten eiligst in die Winkel von Gebäuden und engen Gassen verlierend, die damals noch den Raum zwischen dem Louvre und dem Tuilerienschloß verunzierten.

Mit Noth entraffte sich der Mouchard der Republik dem unschädlichen Bade und zersann sein Gehirn, was das für eine Sprache gewesen sein möge, in welcher die Fremden, die sein Scharfblick gleich als solche erkannt, gesprochen hatten. --

*) Da kommt eine hohle Brandung angegangen, laßt sie liegen vorn. -- Es ist eine schwache Brandung! Hurrah, hin durch sie.
**) Nun, so nimm nur erst einen drauf, Aufpasser!
***) Nun in Gottes Namen vorwärts!

Balustrade der Terrasse hin und pfiff sein Ç’a ira-Stückchen, indem er den Sprechenden näher kam und sich bemühte, ihre Rede zu belauschen.

Der mißtrauische dritte Begleiter nahm jetzt das Wort, und sprach: Diar kommt en holl Tidd jüm uhn — liat ley wör.

Die Freunde schauten sich um, und der Eine sprach: Nä es et en slecht Tidd! Hura! där dü Barlang hen!*)

Ei, Bürger, warum wollt ihr dem Feste auf dem Marsfelde nicht zuschauen? fragte mit kecker Sicherheit der Mann auf der Ballustrade, und lauerte der Antwort entgegen.

Weil wir schon Staub genug geschluckt haben, und weil uns dürstet, ward ihm zur Antwort.

Was ist das für eine Sprache, in welcher ihr euch unterhaltet, Bürger? fragte jener, immer gleichen Schritt mit den Freunden haltend.

Ein Ueberrest der Sprache vom Babelthurmbau vielleicht, wenn du sie nicht verstehst, Bürger!

Bürger, ich glaube nicht, daß ihr Franzosen seid? fuhr jener fort. Doch ich werde mit euch gehen, mich dürstet auch.

Na, denn nem man jarst diar jahn üp, üppasser!**) schrie mit starker Stimme der Hinterste ihm zu, und im Nu lag der Franzose drunten im Strombette der Seine und plätscherte puhstend, rufend und fluchend in den Wellen.

Nä uhn Gotts Namen förward!***) rief der Aeltere der drei Gefährten und bog im rechten Winkel schnurstracks nach der Stadtseite ein, sich mit seinen Gefährten eiligst in die Winkel von Gebäuden und engen Gassen verlierend, die damals noch den Raum zwischen dem Louvre und dem Tuilerienschloß verunzierten.

Mit Noth entraffte sich der Mouchard der Republik dem unschädlichen Bade und zersann sein Gehirn, was das für eine Sprache gewesen sein möge, in welcher die Fremden, die sein Scharfblick gleich als solche erkannt, gesprochen hatten. —

*) Da kommt eine hohle Brandung angegangen, laßt sie liegen vorn. — Es ist eine schwache Brandung! Hurrah, hin durch sie.
**) Nun, so nimm nur erst einen drauf, Aufpasser!
***) Nun in Gottes Namen vorwärts!
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[134/0138] Balustrade der Terrasse hin und pfiff sein Ç’a ira-Stückchen, indem er den Sprechenden näher kam und sich bemühte, ihre Rede zu belauschen. Der mißtrauische dritte Begleiter nahm jetzt das Wort, und sprach: Diar kommt en holl Tidd jüm uhn — liat ley wör. Die Freunde schauten sich um, und der Eine sprach: Nä es et en slecht Tidd! Hura! där dü Barlang hen! *) Ei, Bürger, warum wollt ihr dem Feste auf dem Marsfelde nicht zuschauen? fragte mit kecker Sicherheit der Mann auf der Ballustrade, und lauerte der Antwort entgegen. Weil wir schon Staub genug geschluckt haben, und weil uns dürstet, ward ihm zur Antwort. Was ist das für eine Sprache, in welcher ihr euch unterhaltet, Bürger? fragte jener, immer gleichen Schritt mit den Freunden haltend. Ein Ueberrest der Sprache vom Babelthurmbau vielleicht, wenn du sie nicht verstehst, Bürger! Bürger, ich glaube nicht, daß ihr Franzosen seid? fuhr jener fort. Doch ich werde mit euch gehen, mich dürstet auch. Na, denn nem man jarst diar jahn üp, üppasser! **) schrie mit starker Stimme der Hinterste ihm zu, und im Nu lag der Franzose drunten im Strombette der Seine und plätscherte puhstend, rufend und fluchend in den Wellen. Nä uhn Gotts Namen förward! ***) rief der Aeltere der drei Gefährten und bog im rechten Winkel schnurstracks nach der Stadtseite ein, sich mit seinen Gefährten eiligst in die Winkel von Gebäuden und engen Gassen verlierend, die damals noch den Raum zwischen dem Louvre und dem Tuilerienschloß verunzierten. Mit Noth entraffte sich der Mouchard der Republik dem unschädlichen Bade und zersann sein Gehirn, was das für eine Sprache gewesen sein möge, in welcher die Fremden, die sein Scharfblick gleich als solche erkannt, gesprochen hatten. — *) Da kommt eine hohle Brandung angegangen, laßt sie liegen vorn. — Es ist eine schwache Brandung! Hurrah, hin durch sie. **) Nun, so nimm nur erst einen drauf, Aufpasser! ***) Nun in Gottes Namen vorwärts!

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/138>, abgerufen am 17.05.2024.