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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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ihm, als er aus dem Zimmer gewankt war, vergessen, sein Blumenstrauß; man suchte ihn, man fand ihn auch -- es war der Repräsentant des französischen Volkes, den man gesucht, den man endlich auch gefunden, wie und wo, verbietet der Anstand zu sagen; es war Robespierre, und Robespierre -- war betrunken.

Das war der Mann, der jetzt herbeischritt, bleich, mit gerötheten Augen, etwas schwankenden Schrittes, aber angethan mit dem Prunk stattlichen Gewandes, der Mann des Volkes, der Mörder des Königs und der Königin, der Mörder der Girondisten, der Mörder von des Königs Schwester, der Mörder von Danton, Cloot, Hebert, der Mörder von Tausenden; eine Gestalt, im Gesicht so blatternarbig und bleich und feig, und vom Körper so klein und unansehnlich, von einer schlotterigen Untersetztheit. Das war die körperlich und moralisch schreckliche Mißgeburt und die Gottesgeisel, die sich das große Frankreich gleichsam zum Herrscher gesetzt, der es seinen freien Nacken beugte. Das war der Gotteslästerer, der es gewagt hatte, am heutigen Tage ein Fest des höchsten Wesens anzuordnen.

Und ein Jubelruf, ein Beifalldonner der Massen begrüßte das berauschte Scheusal, und es hallte endlos und endlos Vive Robespierre! daß es ihn ernüchterte und ihm das Herz wieder stark machte; jetzt trat er auf die Tribüne und begann vorlesend ein Gekreische, denn eine Rede war es nicht zu nennen, im abscheulichen Dialect von Artois, in dem sich Flämisch und Französisch mischt, und schrie hohe Worte der Versammlung zu -- von glücklichem Tag, französischem Volk und höchstem Wesen, von Tyrannei und Trug und Verbrechen auf Erden, von den Unterdrückern des Menschengeschlechts, mit denen eine ganze Nation im Kampfe liege, und diese Nation raste nun von der Blutarbeit, um dem höchsten Wesen, in dessen Auftrag sie ihre heroischen Arbeiten vollbringe, ihre Gedanken und Wünsche zu weihen.

Dieses höchste Wesen pries Robespierre, seinen Cultus empfahl er dem Volke, der heutige Tag sollte ihn festlich begehen. Am Tage vorher waren der Guillotine 20 Blutzeugen gefallen, der nächste sollte 23 dem Beile verfallen sehen.

Vorgeschriebene, im Programm de Spectacle vorgeschriebene Ausrufe der Zustimmung und Bewunderung unterbrachen den Redner, und als dieser mit einem heißeren Gebell, das dem der Hyäne in der afrikanischen

ihm, als er aus dem Zimmer gewankt war, vergessen, sein Blumenstrauß; man suchte ihn, man fand ihn auch — es war der Repräsentant des französischen Volkes, den man gesucht, den man endlich auch gefunden, wie und wo, verbietet der Anstand zu sagen; es war Robespierre, und Robespierre — war betrunken.

Das war der Mann, der jetzt herbeischritt, bleich, mit gerötheten Augen, etwas schwankenden Schrittes, aber angethan mit dem Prunk stattlichen Gewandes, der Mann des Volkes, der Mörder des Königs und der Königin, der Mörder der Girondisten, der Mörder von des Königs Schwester, der Mörder von Danton, Cloot, Hebert, der Mörder von Tausenden; eine Gestalt, im Gesicht so blatternarbig und bleich und feig, und vom Körper so klein und unansehnlich, von einer schlotterigen Untersetztheit. Das war die körperlich und moralisch schreckliche Mißgeburt und die Gottesgeisel, die sich das große Frankreich gleichsam zum Herrscher gesetzt, der es seinen freien Nacken beugte. Das war der Gotteslästerer, der es gewagt hatte, am heutigen Tage ein Fest des höchsten Wesens anzuordnen.

Und ein Jubelruf, ein Beifalldonner der Massen begrüßte das berauschte Scheusal, und es hallte endlos und endlos Vive Robespierre! daß es ihn ernüchterte und ihm das Herz wieder stark machte; jetzt trat er auf die Tribüne und begann vorlesend ein Gekreische, denn eine Rede war es nicht zu nennen, im abscheulichen Dialect von Artois, in dem sich Flämisch und Französisch mischt, und schrie hohe Worte der Versammlung zu — von glücklichem Tag, französischem Volk und höchstem Wesen, von Tyrannei und Trug und Verbrechen auf Erden, von den Unterdrückern des Menschengeschlechts, mit denen eine ganze Nation im Kampfe liege, und diese Nation raste nun von der Blutarbeit, um dem höchsten Wesen, in dessen Auftrag sie ihre heroischen Arbeiten vollbringe, ihre Gedanken und Wünsche zu weihen.

Dieses höchste Wesen pries Robespierre, seinen Cultus empfahl er dem Volke, der heutige Tag sollte ihn festlich begehen. Am Tage vorher waren der Guillotine 20 Blutzeugen gefallen, der nächste sollte 23 dem Beile verfallen sehen.

Vorgeschriebene, im Programm de Spectacle vorgeschriebene Ausrufe der Zustimmung und Bewunderung unterbrachen den Redner, und als dieser mit einem heißeren Gebell, das dem der Hyäne in der afrikanischen

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[131/0135] ihm, als er aus dem Zimmer gewankt war, vergessen, sein Blumenstrauß; man suchte ihn, man fand ihn auch — es war der Repräsentant des französischen Volkes, den man gesucht, den man endlich auch gefunden, wie und wo, verbietet der Anstand zu sagen; es war Robespierre, und Robespierre — war betrunken. Das war der Mann, der jetzt herbeischritt, bleich, mit gerötheten Augen, etwas schwankenden Schrittes, aber angethan mit dem Prunk stattlichen Gewandes, der Mann des Volkes, der Mörder des Königs und der Königin, der Mörder der Girondisten, der Mörder von des Königs Schwester, der Mörder von Danton, Cloot, Hebert, der Mörder von Tausenden; eine Gestalt, im Gesicht so blatternarbig und bleich und feig, und vom Körper so klein und unansehnlich, von einer schlotterigen Untersetztheit. Das war die körperlich und moralisch schreckliche Mißgeburt und die Gottesgeisel, die sich das große Frankreich gleichsam zum Herrscher gesetzt, der es seinen freien Nacken beugte. Das war der Gotteslästerer, der es gewagt hatte, am heutigen Tage ein Fest des höchsten Wesens anzuordnen. Und ein Jubelruf, ein Beifalldonner der Massen begrüßte das berauschte Scheusal, und es hallte endlos und endlos Vive Robespierre! daß es ihn ernüchterte und ihm das Herz wieder stark machte; jetzt trat er auf die Tribüne und begann vorlesend ein Gekreische, denn eine Rede war es nicht zu nennen, im abscheulichen Dialect von Artois, in dem sich Flämisch und Französisch mischt, und schrie hohe Worte der Versammlung zu — von glücklichem Tag, französischem Volk und höchstem Wesen, von Tyrannei und Trug und Verbrechen auf Erden, von den Unterdrückern des Menschengeschlechts, mit denen eine ganze Nation im Kampfe liege, und diese Nation raste nun von der Blutarbeit, um dem höchsten Wesen, in dessen Auftrag sie ihre heroischen Arbeiten vollbringe, ihre Gedanken und Wünsche zu weihen. Dieses höchste Wesen pries Robespierre, seinen Cultus empfahl er dem Volke, der heutige Tag sollte ihn festlich begehen. Am Tage vorher waren der Guillotine 20 Blutzeugen gefallen, der nächste sollte 23 dem Beile verfallen sehen. Vorgeschriebene, im Programm de Spectacle vorgeschriebene Ausrufe der Zustimmung und Bewunderung unterbrachen den Redner, und als dieser mit einem heißeren Gebell, das dem der Hyäne in der afrikanischen

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/135>, abgerufen am 22.11.2024.