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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Sehen Sie, wie außerordentlich feierlich Alles ist, sehen Sie, mit welchen Blicken der junge Geistliche mich mustert?

Sie werden ihm gefallen! scherzte Ludwig, um ihre Bangigkeit zu verscheuchen.

O Gott, nicht solchen Scherz! seufzte Anges und legte die Hand aufs Herz, das bange, sehr bange schlug.

Endlich hatte die gute alte Frau van der Valck mit Hülfe ihrer Schwägerinnen ihre Abendgesellschaft zum Sitzen gebracht, und der Thee ward herumgegeben mit aller auserlesenen Zubehör; doch saß die Gesellschaft steif, nach holländischer Weise ziemlich wortkarg, verlegen, die Fremden zu unterhalten, und nur die kleinen braunen japanischen Tassen, leicht wie Luft und zart wie holländisches Papier, in Berührung mit den Theelöffeln ließen sich mit feinem Klang vernehmen. Da schlug plötzlich die kleine Sophie an ihrem Tisch ein schallendes Gelächter auf, und rief laut in die Gesellschaft: Ah -- ah -- ah -- ahi -- ahi! Voila! qu'elques droles caricatures -- qu'elques bouffons!

Aller Blicke wandten sich voll Staunen nach dem Kinde hin. -- Anges erschrak, dies vorlaute Wesen, das dem Kinde gar nicht eigen war, was hatte das zu bedeuten? Wen konnte Sophie meinen? Himmel, wenn sie des Hauses Gäste meinte!

Doch diesen Schreck milderte alsbald die Matrone, die Herrin des Hauses, welche die Hände zusammenschlug und lächelnd ausrief: Voorwaar, voorwaar -- kinderen en gekken spreeken de waarheid!

Beim Himmel! rief der alte Herr: du hast recht, liebe Frau, nie fand ein Sprüchwort bessere Gewährschaft, als dein: Kinder und Narren reden die Wahrheit, hier! Und Herr Adrianus nahm das Bilderbuch und legte es so, daß die Mehrzahl der Gesellschaft die aufgeschlagenen Blätter gewahrte.

Sie sehen hier, Damen und Herren, das neueste Costümebuch der Grande Opera zu Paris, fuhr Adrianus schneidend fort: den abgeschmacktesten und unsinnigsten Mischmasch römischer, mittelalterlich-französischer und spanischer Maskenanzüge und Comödiantentrachten! Möchte man nicht manchen dieser Muscadins und Incroyables fragen: Federbusch, wo willst du mit dem Kerl hin, der dich trägt? Fluch allen diesen blutigen Possenspielern in ihren rothen, schwarzen und

Sehen Sie, wie außerordentlich feierlich Alles ist, sehen Sie, mit welchen Blicken der junge Geistliche mich mustert?

Sie werden ihm gefallen! scherzte Ludwig, um ihre Bangigkeit zu verscheuchen.

O Gott, nicht solchen Scherz! seufzte Angés und legte die Hand aufs Herz, das bange, sehr bange schlug.

Endlich hatte die gute alte Frau van der Valck mit Hülfe ihrer Schwägerinnen ihre Abendgesellschaft zum Sitzen gebracht, und der Thee ward herumgegeben mit aller auserlesenen Zubehör; doch saß die Gesellschaft steif, nach holländischer Weise ziemlich wortkarg, verlegen, die Fremden zu unterhalten, und nur die kleinen braunen japanischen Tassen, leicht wie Luft und zart wie holländisches Papier, in Berührung mit den Theelöffeln ließen sich mit feinem Klang vernehmen. Da schlug plötzlich die kleine Sophie an ihrem Tisch ein schallendes Gelächter auf, und rief laut in die Gesellschaft: Ah — ah — ah — ahi — ahi! Voila! qu’elques drôles caricatures — qu’elques bouffons!

Aller Blicke wandten sich voll Staunen nach dem Kinde hin. — Angés erschrak, dies vorlaute Wesen, das dem Kinde gar nicht eigen war, was hatte das zu bedeuten? Wen konnte Sophie meinen? Himmel, wenn sie des Hauses Gäste meinte!

Doch diesen Schreck milderte alsbald die Matrone, die Herrin des Hauses, welche die Hände zusammenschlug und lächelnd ausrief: Voorwaar, voorwaar — kinderen en gekken spreeken de waarheid!

Beim Himmel! rief der alte Herr: du hast recht, liebe Frau, nie fand ein Sprüchwort bessere Gewährschaft, als dein: Kinder und Narren reden die Wahrheit, hier! Und Herr Adrianus nahm das Bilderbuch und legte es so, daß die Mehrzahl der Gesellschaft die aufgeschlagenen Blätter gewahrte.

Sie sehen hier, Damen und Herren, das neueste Costümebuch der Grande Opera zu Paris, fuhr Adrianus schneidend fort: den abgeschmacktesten und unsinnigsten Mischmasch römischer, mittelalterlich-französischer und spanischer Maskenanzüge und Comödiantentrachten! Möchte man nicht manchen dieser Muscadins und Incroyables fragen: Federbusch, wo willst du mit dem Kerl hin, der dich trägt? Fluch allen diesen blutigen Possenspielern in ihren rothen, schwarzen und

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[115/0119] Sehen Sie, wie außerordentlich feierlich Alles ist, sehen Sie, mit welchen Blicken der junge Geistliche mich mustert? Sie werden ihm gefallen! scherzte Ludwig, um ihre Bangigkeit zu verscheuchen. O Gott, nicht solchen Scherz! seufzte Angés und legte die Hand aufs Herz, das bange, sehr bange schlug. Endlich hatte die gute alte Frau van der Valck mit Hülfe ihrer Schwägerinnen ihre Abendgesellschaft zum Sitzen gebracht, und der Thee ward herumgegeben mit aller auserlesenen Zubehör; doch saß die Gesellschaft steif, nach holländischer Weise ziemlich wortkarg, verlegen, die Fremden zu unterhalten, und nur die kleinen braunen japanischen Tassen, leicht wie Luft und zart wie holländisches Papier, in Berührung mit den Theelöffeln ließen sich mit feinem Klang vernehmen. Da schlug plötzlich die kleine Sophie an ihrem Tisch ein schallendes Gelächter auf, und rief laut in die Gesellschaft: Ah — ah — ah — ahi — ahi! Voila! qu’elques drôles caricatures — qu’elques bouffons! Aller Blicke wandten sich voll Staunen nach dem Kinde hin. — Angés erschrak, dies vorlaute Wesen, das dem Kinde gar nicht eigen war, was hatte das zu bedeuten? Wen konnte Sophie meinen? Himmel, wenn sie des Hauses Gäste meinte! Doch diesen Schreck milderte alsbald die Matrone, die Herrin des Hauses, welche die Hände zusammenschlug und lächelnd ausrief: Voorwaar, voorwaar — kinderen en gekken spreeken de waarheid! Beim Himmel! rief der alte Herr: du hast recht, liebe Frau, nie fand ein Sprüchwort bessere Gewährschaft, als dein: Kinder und Narren reden die Wahrheit, hier! Und Herr Adrianus nahm das Bilderbuch und legte es so, daß die Mehrzahl der Gesellschaft die aufgeschlagenen Blätter gewahrte. Sie sehen hier, Damen und Herren, das neueste Costümebuch der Grande Opera zu Paris, fuhr Adrianus schneidend fort: den abgeschmacktesten und unsinnigsten Mischmasch römischer, mittelalterlich-französischer und spanischer Maskenanzüge und Comödiantentrachten! Möchte man nicht manchen dieser Muscadins und Incroyables fragen: Federbusch, wo willst du mit dem Kerl hin, der dich trägt? Fluch allen diesen blutigen Possenspielern in ihren rothen, schwarzen und

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/119>, abgerufen am 24.11.2024.