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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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kein Herz mehr für die holdseligen Jungfrauen, deine nächsten Verwandtinnen?

Ei warum nicht, geehrte Frau Mutter? Die Verwandten sind mir ja noch alle lieb und werth, aber hätte es deswegen so großen Prunkes bedurft?

St! Leonardus! St! wisperte die Alte. Vater hat das Alles so befohlen, weißt, Vaters Wille ist Gesetz im Hause van der Valck. War in meines seligen Herrn Vaters Hause gerade so -- eene goede opvooding hebben, ist ryke huwelyks-gift -- gute Zucht ist reiche Mitgift. Und wundert's dich, mein lieber Sohn, daß Vater deinen Freund ehrt und seine Dame? Seit undenklicher Zeit steht unser Haus mit jenem deutschen Hause in Geschäftsverbindung, so gut, wie mit seinen angesehenen englischen Verwandten. Und sind wir nicht treu oranisch gesinnt? Und ist nicht der Vetter deines Freundes der vertrauteste Freund des Herrn Erbstatthalters, wie von dessen Söhnen? Man muß es mit Niemand verderben, by niemand in ongunst raaken.

Freundlich trippelte die gutmüthige alte Frau zu der jugendlich schönen Anges, die ohne den Prunk von Steinen und Brillanten dennoch im frischen Blüthenschimmer ihrer Jugend liebreizend und einnehmend strahlte, ihre Unterhaltung zu übernehmen, und geleitete sie zu bequemen Sesseln, sorgte auch alsbald für des kleinen Mädchens Zerstreuung, indem sie das Kind einem niedlichen Tisch mit kleinem Sopha dahinter zuführte und allerlei Naschwerk und ein großes Bilderbuch auflegte. Leonardus entfernte sich, um seinen Anzug zu verschönern, und Ludwig wandte sich wieder zu dem alten Herrn, der ihn neben sich zum Sitzen nöthigte, und da noch Niemand von den erwarteten Gästen kam, mit ihm ausschließliche Unterhaltung begann, die freilich bald genug wieder den Kaufherrn kundgab. Ludwig konnte sich nicht enthalten, eine Bemerkung über die Pracht des Hauses, die er bereits wahrgenommen, und die auch in diesen Räumen ihn umgab, zu machen, aber auf diese Bemerkung antwortete Herr Adrianus nur mit einem tiefen Seufzer.

Als darauf Ludwig den alten Herrn verwundert anblickte, sprach dieser: Was will das Bischen Flitter sagen? Mein guter junger Herr Graf, vergönnen Sie mir altem Mann ein vertraulich Wort; Ihre Ehre

kein Herz mehr für die holdseligen Jungfrauen, deine nächsten Verwandtinnen?

Ei warum nicht, geehrte Frau Mutter? Die Verwandten sind mir ja noch alle lieb und werth, aber hätte es deswegen so großen Prunkes bedurft?

St! Leonardus! St! wisperte die Alte. Vater hat das Alles so befohlen, weißt, Vaters Wille ist Gesetz im Hause van der Valck. War in meines seligen Herrn Vaters Hause gerade so — eene goede opvooding hebben, ist ryke huwelyks-gift — gute Zucht ist reiche Mitgift. Und wundert’s dich, mein lieber Sohn, daß Vater deinen Freund ehrt und seine Dame? Seit undenklicher Zeit steht unser Haus mit jenem deutschen Hause in Geschäftsverbindung, so gut, wie mit seinen angesehenen englischen Verwandten. Und sind wir nicht treu oranisch gesinnt? Und ist nicht der Vetter deines Freundes der vertrauteste Freund des Herrn Erbstatthalters, wie von dessen Söhnen? Man muß es mit Niemand verderben, by niemand in ongunst raaken.

Freundlich trippelte die gutmüthige alte Frau zu der jugendlich schönen Angés, die ohne den Prunk von Steinen und Brillanten dennoch im frischen Blüthenschimmer ihrer Jugend liebreizend und einnehmend strahlte, ihre Unterhaltung zu übernehmen, und geleitete sie zu bequemen Sesseln, sorgte auch alsbald für des kleinen Mädchens Zerstreuung, indem sie das Kind einem niedlichen Tisch mit kleinem Sopha dahinter zuführte und allerlei Naschwerk und ein großes Bilderbuch auflegte. Leonardus entfernte sich, um seinen Anzug zu verschönern, und Ludwig wandte sich wieder zu dem alten Herrn, der ihn neben sich zum Sitzen nöthigte, und da noch Niemand von den erwarteten Gästen kam, mit ihm ausschließliche Unterhaltung begann, die freilich bald genug wieder den Kaufherrn kundgab. Ludwig konnte sich nicht enthalten, eine Bemerkung über die Pracht des Hauses, die er bereits wahrgenommen, und die auch in diesen Räumen ihn umgab, zu machen, aber auf diese Bemerkung antwortete Herr Adrianus nur mit einem tiefen Seufzer.

Als darauf Ludwig den alten Herrn verwundert anblickte, sprach dieser: Was will das Bischen Flitter sagen? Mein guter junger Herr Graf, vergönnen Sie mir altem Mann ein vertraulich Wort; Ihre Ehre

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[109/0113] kein Herz mehr für die holdseligen Jungfrauen, deine nächsten Verwandtinnen? Ei warum nicht, geehrte Frau Mutter? Die Verwandten sind mir ja noch alle lieb und werth, aber hätte es deswegen so großen Prunkes bedurft? St! Leonardus! St! wisperte die Alte. Vater hat das Alles so befohlen, weißt, Vaters Wille ist Gesetz im Hause van der Valck. War in meines seligen Herrn Vaters Hause gerade so — eene goede opvooding hebben, ist ryke huwelyks-gift — gute Zucht ist reiche Mitgift. Und wundert’s dich, mein lieber Sohn, daß Vater deinen Freund ehrt und seine Dame? Seit undenklicher Zeit steht unser Haus mit jenem deutschen Hause in Geschäftsverbindung, so gut, wie mit seinen angesehenen englischen Verwandten. Und sind wir nicht treu oranisch gesinnt? Und ist nicht der Vetter deines Freundes der vertrauteste Freund des Herrn Erbstatthalters, wie von dessen Söhnen? Man muß es mit Niemand verderben, by niemand in ongunst raaken. Freundlich trippelte die gutmüthige alte Frau zu der jugendlich schönen Angés, die ohne den Prunk von Steinen und Brillanten dennoch im frischen Blüthenschimmer ihrer Jugend liebreizend und einnehmend strahlte, ihre Unterhaltung zu übernehmen, und geleitete sie zu bequemen Sesseln, sorgte auch alsbald für des kleinen Mädchens Zerstreuung, indem sie das Kind einem niedlichen Tisch mit kleinem Sopha dahinter zuführte und allerlei Naschwerk und ein großes Bilderbuch auflegte. Leonardus entfernte sich, um seinen Anzug zu verschönern, und Ludwig wandte sich wieder zu dem alten Herrn, der ihn neben sich zum Sitzen nöthigte, und da noch Niemand von den erwarteten Gästen kam, mit ihm ausschließliche Unterhaltung begann, die freilich bald genug wieder den Kaufherrn kundgab. Ludwig konnte sich nicht enthalten, eine Bemerkung über die Pracht des Hauses, die er bereits wahrgenommen, und die auch in diesen Räumen ihn umgab, zu machen, aber auf diese Bemerkung antwortete Herr Adrianus nur mit einem tiefen Seufzer. Als darauf Ludwig den alten Herrn verwundert anblickte, sprach dieser: Was will das Bischen Flitter sagen? Mein guter junger Herr Graf, vergönnen Sie mir altem Mann ein vertraulich Wort; Ihre Ehre

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/113>, abgerufen am 23.11.2024.