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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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und ich heiße Sie in Amsterdam willkommen. Welche Absicht führt Sie zu uns und in welcher Weise kann unser Haus Ihnen dienen?

Die erste dieser Fragen gleich überspringend, da deren Beantwortung von keiner Nothwendigkeit geboten war, auch die Absicht, die Welt zu sehen, ohne einen Geschäftszweck damit zu verbinden, dem Herrn Adrianus vielleicht nicht zugesagt haben würde, beantwortete Ludwig gleich die zweite: Meine Frau Großmutter Excellenz weisen mich auf die Erhebung einer gewissen Zinsrente von Kapitalien an, die beim Pariser Stadthaus angelegt sind, und so wollte ich Sie ersuchen, mich entweder bei Ihrem Hause Wechsel darauf ziehen zu lassen, oder mir Ihren gütigen Rath zu ertheilen, wie ich zu dem Gelde gelangen kann, ohne gerade deshalb selbst nach Paris reisen zu müssen, wohin ich zwar allerdings auch zu gehen gedenke, nur dürfte vielleicht eine günstigere Zeit dazu abzuwarten sein.

Herr Adrianus van der Valck ließ Ludwig ganz ruhig ausreden, und machte indessen mit seinen beiden Daumen die Mühle von Innen nach Außen, indem er die gefalteten Hände phlegmatisch auf seinem sammtmanchesternen Schooße ruhen ließ; dann murmelte er vor sich hin: Pariser Stadthaus, l'hotel de ville, und weiter nichts, aber er begleitete diese Rede mit einem bedenklichen Kopfschütteln. Darauf drehte er sich auf seinem Sessel behend um sich selbst, und entnahm von einem schmalen Büchergestell, das voller Folianten stand, deren Einbände mit chocoladebrauner dicker Leinwand überzogen waren, und zur Bezeichnung auf dem Rücken aufgeschriebene Buchstaben des Alphabets trugen, eines dieser Bücher seinem Platze, legte es vor sich auf seinen Pult und schlug es auf, indem er suchend murmelte: De la Tremouille, de la Tremouille. Halb laut und unverständlich las Adrianus erst Einiges für sich, und sprach dann laut: Ja ja, so ist es. Wollen Sie die Güte haben, mir Ihre Papiere zu zeigen? -- Ludwig reichte das Betreffende aus der von der Großmutter empfangenen Brieftasche dar, und Herr Adrianus klemmte nun lesend seine Brille fester und schrieb von Zeit zu Zeit mit der wieder zur Hand genommenen Feder auf die lederne Schreibunterlage rechnend einige Zahlen; ein Wunder, daß er für dieselben noch Raum fand, so unendlich viele Zahlen waren schon in ähnlicher Weise auf dieses alterbraune Leder geschrieben worden.

und ich heiße Sie in Amsterdam willkommen. Welche Absicht führt Sie zu uns und in welcher Weise kann unser Haus Ihnen dienen?

Die erste dieser Fragen gleich überspringend, da deren Beantwortung von keiner Nothwendigkeit geboten war, auch die Absicht, die Welt zu sehen, ohne einen Geschäftszweck damit zu verbinden, dem Herrn Adrianus vielleicht nicht zugesagt haben würde, beantwortete Ludwig gleich die zweite: Meine Frau Großmutter Excellenz weisen mich auf die Erhebung einer gewissen Zinsrente von Kapitalien an, die beim Pariser Stadthaus angelegt sind, und so wollte ich Sie ersuchen, mich entweder bei Ihrem Hause Wechsel darauf ziehen zu lassen, oder mir Ihren gütigen Rath zu ertheilen, wie ich zu dem Gelde gelangen kann, ohne gerade deshalb selbst nach Paris reisen zu müssen, wohin ich zwar allerdings auch zu gehen gedenke, nur dürfte vielleicht eine günstigere Zeit dazu abzuwarten sein.

Herr Adrianus van der Valck ließ Ludwig ganz ruhig ausreden, und machte indessen mit seinen beiden Daumen die Mühle von Innen nach Außen, indem er die gefalteten Hände phlegmatisch auf seinem sammtmanchesternen Schooße ruhen ließ; dann murmelte er vor sich hin: Pariser Stadthaus, l’hôtel de ville, und weiter nichts, aber er begleitete diese Rede mit einem bedenklichen Kopfschütteln. Darauf drehte er sich auf seinem Sessel behend um sich selbst, und entnahm von einem schmalen Büchergestell, das voller Folianten stand, deren Einbände mit chocoladebrauner dicker Leinwand überzogen waren, und zur Bezeichnung auf dem Rücken aufgeschriebene Buchstaben des Alphabets trugen, eines dieser Bücher seinem Platze, legte es vor sich auf seinen Pult und schlug es auf, indem er suchend murmelte: De la Tremouille, de la Tremouille. Halb laut und unverständlich las Adrianus erst Einiges für sich, und sprach dann laut: Ja ja, so ist es. Wollen Sie die Güte haben, mir Ihre Papiere zu zeigen? — Ludwig reichte das Betreffende aus der von der Großmutter empfangenen Brieftasche dar, und Herr Adrianus klemmte nun lesend seine Brille fester und schrieb von Zeit zu Zeit mit der wieder zur Hand genommenen Feder auf die lederne Schreibunterlage rechnend einige Zahlen; ein Wunder, daß er für dieselben noch Raum fand, so unendlich viele Zahlen waren schon in ähnlicher Weise auf dieses alterbraune Leder geschrieben worden.

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          <p>Herr Adrianus van der Valck ließ Ludwig ganz ruhig ausreden, und machte indessen mit seinen beiden Daumen die Mühle von Innen nach Außen, indem er die gefalteten Hände phlegmatisch auf seinem sammtmanchesternen Schooße ruhen ließ; dann murmelte er vor sich hin: Pariser Stadthaus, <hi rendition="#aq">l&#x2019;hôtel de ville,</hi> und weiter nichts, aber er begleitete diese Rede mit einem bedenklichen Kopfschütteln. Darauf drehte er sich auf seinem Sessel behend um sich selbst, und entnahm von einem schmalen Büchergestell, das voller Folianten stand, deren Einbände mit chocoladebrauner dicker Leinwand überzogen waren, und zur Bezeichnung auf dem Rücken aufgeschriebene Buchstaben des Alphabets trugen, eines dieser Bücher seinem Platze, legte es vor sich auf seinen Pult und schlug es auf, indem er suchend murmelte: <hi rendition="#aq">De la Tremouille, de la Tremouille.</hi> Halb laut und unverständlich las Adrianus erst Einiges für sich, und sprach dann laut: Ja ja, so ist es. Wollen Sie die Güte haben, mir Ihre Papiere zu zeigen? &#x2014; Ludwig reichte das Betreffende aus der von der Großmutter empfangenen Brieftasche dar, und Herr Adrianus klemmte nun lesend seine Brille fester und schrieb von Zeit zu Zeit mit der wieder zur Hand genommenen Feder auf die lederne Schreibunterlage rechnend einige Zahlen; ein Wunder, daß er für dieselben noch Raum fand, so unendlich viele Zahlen waren schon in ähnlicher Weise auf dieses alterbraune Leder geschrieben worden.</p>
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[100/0104] und ich heiße Sie in Amsterdam willkommen. Welche Absicht führt Sie zu uns und in welcher Weise kann unser Haus Ihnen dienen? Die erste dieser Fragen gleich überspringend, da deren Beantwortung von keiner Nothwendigkeit geboten war, auch die Absicht, die Welt zu sehen, ohne einen Geschäftszweck damit zu verbinden, dem Herrn Adrianus vielleicht nicht zugesagt haben würde, beantwortete Ludwig gleich die zweite: Meine Frau Großmutter Excellenz weisen mich auf die Erhebung einer gewissen Zinsrente von Kapitalien an, die beim Pariser Stadthaus angelegt sind, und so wollte ich Sie ersuchen, mich entweder bei Ihrem Hause Wechsel darauf ziehen zu lassen, oder mir Ihren gütigen Rath zu ertheilen, wie ich zu dem Gelde gelangen kann, ohne gerade deshalb selbst nach Paris reisen zu müssen, wohin ich zwar allerdings auch zu gehen gedenke, nur dürfte vielleicht eine günstigere Zeit dazu abzuwarten sein. Herr Adrianus van der Valck ließ Ludwig ganz ruhig ausreden, und machte indessen mit seinen beiden Daumen die Mühle von Innen nach Außen, indem er die gefalteten Hände phlegmatisch auf seinem sammtmanchesternen Schooße ruhen ließ; dann murmelte er vor sich hin: Pariser Stadthaus, l’hôtel de ville, und weiter nichts, aber er begleitete diese Rede mit einem bedenklichen Kopfschütteln. Darauf drehte er sich auf seinem Sessel behend um sich selbst, und entnahm von einem schmalen Büchergestell, das voller Folianten stand, deren Einbände mit chocoladebrauner dicker Leinwand überzogen waren, und zur Bezeichnung auf dem Rücken aufgeschriebene Buchstaben des Alphabets trugen, eines dieser Bücher seinem Platze, legte es vor sich auf seinen Pult und schlug es auf, indem er suchend murmelte: De la Tremouille, de la Tremouille. Halb laut und unverständlich las Adrianus erst Einiges für sich, und sprach dann laut: Ja ja, so ist es. Wollen Sie die Güte haben, mir Ihre Papiere zu zeigen? — Ludwig reichte das Betreffende aus der von der Großmutter empfangenen Brieftasche dar, und Herr Adrianus klemmte nun lesend seine Brille fester und schrieb von Zeit zu Zeit mit der wieder zur Hand genommenen Feder auf die lederne Schreibunterlage rechnend einige Zahlen; ein Wunder, daß er für dieselben noch Raum fand, so unendlich viele Zahlen waren schon in ähnlicher Weise auf dieses alterbraune Leder geschrieben worden.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/104>, abgerufen am 22.11.2024.