Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Psychosophia.

Glieder zittern macht/ und endlich Gedächtniß
und Verstand hinweg nimmt/ zu geschweigen daß
ein trunckener Mensch/ alle Augenblick der Ge-
fahr eines Schlagflusses unterworffen ist/ wie
dann die Trunckenheit an sich selbsten/ eine Spe-
cies/ von der abscheulichen Kranckheit/ deß Hin-
fallenden/ oder Schwerennoth ist; dann gleich-
wie in der Epilepsia, ein putrificirter Dampff in
dem Hirn/ in dem Genick/ den anfang der Ner-
ven verstopffet/ daß die bewegende Geister nicht
einfliessen/ noch in den Nerven ihr Ampt verrich-
ten können/ also steiget bey den Trunckenen der
Weingeist in das Haupt/ rodirt die Nerven/ und
macht daß sie gantz krafftloß werden/ dannenhero
ein trunckener Mensch/ eben dahin fällt/ als wie
einer der die Schwerenoth hat. Es weiset auch
die Erfahrung/ wie sehr der Wein die Schwere-
noth befördere/ welche darmit behafft seyn/ ja/ daß
daß sich einige gar todt gesoffen. Ein Glaß Wein
zur Verdäuung und Frölichkeit/ das Geblüth
dünn zu machen/ ist gut/ aber zum Durst zu
trincken/ finde ichs nicht vor rathsam/ Gesund-
heiten aber zu sauffen/ wider Lust noch Durst/
ist gantz ungesünd/ wider die Natur und wider
die Vernunfft/ und solten die jenige/ welche sich
selbsten todt/ kranck und zu schanden sauffen/ von
der Obrigkeit/ eben so gestrafft werden/ als wie
die jenige/ so sich selbsten umbbringen. Gleich-

wol

Pſychoſophia.

Glieder zittern macht/ und endlich Gedaͤchtniß
und Verſtand hinweg nimmt/ zu geſchweigen daß
ein trunckener Menſch/ alle Augenblick der Ge-
fahr eines Schlagfluſſes unterworffen iſt/ wie
dann die Trunckenheit an ſich ſelbſten/ eine Spe-
cies/ von der abſcheulichen Kranckheit/ deß Hin-
fallenden/ oder Schwerennoth iſt; dann gleich-
wie in der Epilepſia, ein putrificirter Dampff in
dem Hirn/ in dem Genick/ den anfang der Ner-
ven verſtopffet/ daß die bewegende Geiſter nicht
einflieſſen/ noch in den Nerven ihr Ampt verrich-
ten koͤnnen/ alſo ſteiget bey den Trunckenen der
Weingeiſt in das Haupt/ rodirt die Nerven/ und
macht daß ſie gantz krafftloß werden/ dannenhero
ein trunckener Menſch/ eben dahin faͤllt/ als wie
einer der die Schwerenoth hat. Es weiſet auch
die Erfahrung/ wie ſehr der Wein die Schwere-
noth befoͤrdere/ welche darmit behafft ſeyn/ ja/ daß
daß ſich einige gar todt geſoffen. Ein Glaß Wein
zur Verdaͤuung und Froͤlichkeit/ das Gebluͤth
duͤnn zu machen/ iſt gut/ aber zum Durſt zu
trincken/ finde ichs nicht vor rathſam/ Geſund-
heiten aber zu ſauffen/ wider Luſt noch Durſt/
iſt gantz ungeſuͤnd/ wider die Natur und wider
die Vernunfft/ und ſolten die jenige/ welche ſich
ſelbſten todt/ kranck und zu ſchanden ſauffen/ von
der Obrigkeit/ eben ſo geſtrafft werden/ als wie
die jenige/ ſo ſich ſelbſten umbbringen. Gleich-

wol

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0262" n="204"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">P&#x017F;ycho&#x017F;ophia.</hi></fw><lb/>
Glieder zittern macht/ und endlich Geda&#x0364;chtniß<lb/>
und Ver&#x017F;tand hinweg nimmt/ zu ge&#x017F;chweigen daß<lb/>
ein trunckener Men&#x017F;ch/ alle Augenblick der Ge-<lb/>
fahr eines Schlagflu&#x017F;&#x017F;es unterworffen i&#x017F;t/ wie<lb/>
dann die Trunckenheit an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten/ eine Spe-<lb/>
cies/ von der ab&#x017F;cheulichen Kranckheit/ deß Hin-<lb/>
fallenden/ oder Schwerennoth i&#x017F;t; dann gleich-<lb/>
wie in der <hi rendition="#aq">Epilep&#x017F;ia,</hi> ein putrificirter Dampff in<lb/>
dem Hirn/ in dem Genick/ den anfang der Ner-<lb/>
ven ver&#x017F;topffet/ daß die bewegende Gei&#x017F;ter nicht<lb/>
einflie&#x017F;&#x017F;en/ noch in den Nerven ihr Ampt verrich-<lb/>
ten ko&#x0364;nnen/ al&#x017F;o &#x017F;teiget bey den Trunckenen der<lb/>
Weingei&#x017F;t in das Haupt/ <hi rendition="#aq">rodirt</hi> die Nerven/ und<lb/>
macht daß &#x017F;ie gantz krafftloß werden/ dannenhero<lb/>
ein trunckener Men&#x017F;ch/ eben dahin fa&#x0364;llt/ als wie<lb/>
einer der die Schwerenoth hat. Es wei&#x017F;et auch<lb/>
die Erfahrung/ wie &#x017F;ehr der Wein die Schwere-<lb/>
noth befo&#x0364;rdere/ welche darmit behafft &#x017F;eyn/ ja/ daß<lb/>
daß &#x017F;ich einige gar todt ge&#x017F;offen. Ein Glaß Wein<lb/>
zur Verda&#x0364;uung und Fro&#x0364;lichkeit/ das Geblu&#x0364;th<lb/>
du&#x0364;nn zu machen/ i&#x017F;t gut/ aber zum Dur&#x017F;t zu<lb/>
trincken/ finde ichs nicht vor rath&#x017F;am/ Ge&#x017F;und-<lb/>
heiten aber zu &#x017F;auffen/ wider Lu&#x017F;t noch Dur&#x017F;t/<lb/>
i&#x017F;t gantz unge&#x017F;u&#x0364;nd/ wider die Natur und wider<lb/>
die Vernunfft/ und &#x017F;olten die jenige/ welche &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;ten todt/ kranck und zu &#x017F;chanden &#x017F;auffen/ von<lb/>
der Obrigkeit/ eben &#x017F;o ge&#x017F;trafft werden/ als wie<lb/>
die jenige/ &#x017F;o &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten umbbringen. Gleich-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wol</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[204/0262] Pſychoſophia. Glieder zittern macht/ und endlich Gedaͤchtniß und Verſtand hinweg nimmt/ zu geſchweigen daß ein trunckener Menſch/ alle Augenblick der Ge- fahr eines Schlagfluſſes unterworffen iſt/ wie dann die Trunckenheit an ſich ſelbſten/ eine Spe- cies/ von der abſcheulichen Kranckheit/ deß Hin- fallenden/ oder Schwerennoth iſt; dann gleich- wie in der Epilepſia, ein putrificirter Dampff in dem Hirn/ in dem Genick/ den anfang der Ner- ven verſtopffet/ daß die bewegende Geiſter nicht einflieſſen/ noch in den Nerven ihr Ampt verrich- ten koͤnnen/ alſo ſteiget bey den Trunckenen der Weingeiſt in das Haupt/ rodirt die Nerven/ und macht daß ſie gantz krafftloß werden/ dannenhero ein trunckener Menſch/ eben dahin faͤllt/ als wie einer der die Schwerenoth hat. Es weiſet auch die Erfahrung/ wie ſehr der Wein die Schwere- noth befoͤrdere/ welche darmit behafft ſeyn/ ja/ daß daß ſich einige gar todt geſoffen. Ein Glaß Wein zur Verdaͤuung und Froͤlichkeit/ das Gebluͤth duͤnn zu machen/ iſt gut/ aber zum Durſt zu trincken/ finde ichs nicht vor rathſam/ Geſund- heiten aber zu ſauffen/ wider Luſt noch Durſt/ iſt gantz ungeſuͤnd/ wider die Natur und wider die Vernunfft/ und ſolten die jenige/ welche ſich ſelbſten todt/ kranck und zu ſchanden ſauffen/ von der Obrigkeit/ eben ſo geſtrafft werden/ als wie die jenige/ ſo ſich ſelbſten umbbringen. Gleich- wol

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/262
Zitationshilfe:	Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/262>, abgerufen am 08.05.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.