Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

Bild:
<< vorherige Seite
Seelen-Weißheit.

Siehe nun Philosophe, ob ich nicht dir ein
Genügen gethan habe? Es bleibet aber bey der
ersten Protestation/ daß diß alles nur allein eine
Speculation sey/ worzu ich niemand einleiten wil.

124. Phil.

Fürwahr/ Psychosophe, ich sehe nun/
warum man die Tinctur ein Universal nennet/ daß
sie nemlich einen Universal Verstand und Wissen-
schafft in natürlichen Sachen erfordert/ und was
du gemeldet/ scheinet mehr aus der Experientz/ als
blossen Fingern gesogen zu seyn/ wil solchem bey Ge-
legenheit hinfüro weiter nachdencken/ und dünckt
mich/ ich habe ein grosses Licht der Warheit aus dei-
nen Reden sehen auffgehen. Ehe wir aber von ein-
ander scheiden/ wil ich mit einer Frag noch von dem
Philosophischen Universal, auff das Politische Uni-
versal
springen/ und fragen/ wie könte man doch ma-
chen/ daß es gantzen Königreichen/ Ländern/ und
Provintzen wohl gienge/ und solche eine
ehrliche Nahrung/ Ruh/ und
Frieden hätten?

Psych. Der Philosophische Stein ist zwar rar
und künstlich zu machen/ trauete mir ihn aber eher
zu verfertigen als den Lapidem politicum, dann
die Materi des Ersten bestehet in einer Sach gantz
zu des Meisters Disposition. Die Materi aber des
andern/ bestehet in tausenderley/ gantz ausser des
Meisters Willkühr. Wahr ist es/ daß es mehr
Mühe kostet/ Leute und Länder zu verderben und
zu verarmen/ als auffzubringen/ und an Nah-
rung zu helffen. Es ist aber auch wahr/ daß die

Mit-
Seelen-Weißheit.

Siehe nun Philoſophe, ob ich nicht dir ein
Genuͤgen gethan habe? Es bleibet aber bey der
erſten Proteſtation/ daß diß alles nur allein eine
Speculation ſey/ worzu ich niemand einleitẽ wil.

124. Phil.

Fuͤrwahr/ Pſychoſophe, ich ſehe nun/
warum man die Tinctur ein Univerſal nennet/ daß
ſie nemlich einen Univerſal Verſtand und Wiſſen-
ſchafft in natuͤrlichen Sachen erfordert/ und was
du gemeldet/ ſcheinet mehr aus der Experientz/ als
bloſſen Fingern geſogen zu ſeyn/ wil ſolchem bey Ge-
legenheit hinfuͤro weiter nachdencken/ und duͤnckt
mich/ ich habe ein groſſes Licht der Warheit aus dei-
nen Reden ſehen auffgehen. Ehe wir aber von ein-
ander ſcheiden/ wil ich mit einer Frag noch von dem
Philoſophiſchen Univerſal, auff das Politiſche Uni-
verſal
ſpringen/ und fragen/ wie koͤnte man doch ma-
chen/ daß es gantzen Koͤnigreichen/ Laͤndern/ und
Provintzen wohl gienge/ und ſolche eine
ehrliche Nahrung/ Ruh/ und
Frieden haͤtten?

Pſych. Der Philoſophiſche Stein iſt zwar rar
und kuͤnſtlich zu machen/ trauete mir ihn aber eher
zu verfertigen als den Lapidem politicum, dann
die Materi des Erſten beſtehet in einer Sach gantz
zu des Meiſters Diſpoſition. Die Materi aber des
andern/ beſtehet in tauſenderley/ gantz auſſer des
Meiſters Willkuͤhr. Wahr iſt es/ daß es mehr
Muͤhe koſtet/ Leute und Laͤnder zu verderben und
zu verarmen/ als auffzubringen/ und an Nah-
rung zu helffen. Es iſt aber auch wahr/ daß die

Mit-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0223" n="165"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Seelen-Weißheit.</hi> </fw><lb/>
              <p>Siehe nun <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophe,</hi> ob ich nicht dir ein<lb/>
Genu&#x0364;gen gethan habe? Es bleibet aber bey der<lb/>
er&#x017F;ten Prote&#x017F;tation/ daß diß alles nur allein eine<lb/>
Speculation &#x017F;ey/ worzu ich niemand einleite&#x0303; wil.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>124. <hi rendition="#aq">Phil.</hi></head>
            <p><hi rendition="#b">Fu&#x0364;rwahr/</hi><hi rendition="#aq">P&#x017F;ycho&#x017F;ophe,</hi> ich &#x017F;ehe nun/<lb/>
warum man die Tinctur ein <hi rendition="#aq">Univer&#x017F;al</hi> nennet/ daß<lb/>
&#x017F;ie nemlich einen <hi rendition="#aq">Univer&#x017F;al</hi> Ver&#x017F;tand und Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafft in natu&#x0364;rlichen Sachen erfordert/ und was<lb/>
du gemeldet/ &#x017F;cheinet mehr aus der Experientz/ als<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;en Fingern ge&#x017F;ogen zu &#x017F;eyn/ wil &#x017F;olchem bey Ge-<lb/>
legenheit hinfu&#x0364;ro weiter nachdencken/ und du&#x0364;nckt<lb/>
mich/ ich habe ein gro&#x017F;&#x017F;es Licht der Warheit aus dei-<lb/>
nen Reden &#x017F;ehen auffgehen. Ehe wir aber von ein-<lb/>
ander &#x017F;cheiden/ wil ich mit einer Frag noch von dem<lb/>
Philo&#x017F;ophi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Univer&#x017F;al,</hi> auff das Politi&#x017F;che <hi rendition="#aq">Uni-<lb/>
ver&#x017F;al</hi> &#x017F;pringen/ und fragen/ wie ko&#x0364;nte man doch ma-<lb/>
chen/ daß es gantzen Ko&#x0364;nigreichen/ La&#x0364;ndern/ und<lb/><hi rendition="#aq">Provin</hi>tzen wohl gienge/ und &#x017F;olche eine<lb/>
ehrliche Nahrung/ Ruh/ und<lb/>
Frieden ha&#x0364;tten?</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">P&#x017F;ych.</hi> Der Philo&#x017F;ophi&#x017F;che Stein i&#x017F;t zwar rar<lb/>
und ku&#x0364;n&#x017F;tlich zu machen/ trauete mir ihn aber eher<lb/>
zu verfertigen als den <hi rendition="#aq">Lapidem politicum,</hi> dann<lb/>
die Materi des Er&#x017F;ten be&#x017F;tehet in einer Sach gantz<lb/>
zu des Mei&#x017F;ters Di&#x017F;po&#x017F;ition. Die Materi aber des<lb/>
andern/ be&#x017F;tehet in tau&#x017F;enderley/ gantz au&#x017F;&#x017F;er des<lb/>
Mei&#x017F;ters Willku&#x0364;hr. Wahr i&#x017F;t es/ daß es mehr<lb/>
Mu&#x0364;he ko&#x017F;tet/ Leute und La&#x0364;nder zu verderben und<lb/>
zu verarmen/ als auffzubringen/ und an Nah-<lb/>
rung zu helffen. Es i&#x017F;t aber auch wahr/ daß die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mit-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0223] Seelen-Weißheit. Siehe nun Philoſophe, ob ich nicht dir ein Genuͤgen gethan habe? Es bleibet aber bey der erſten Proteſtation/ daß diß alles nur allein eine Speculation ſey/ worzu ich niemand einleitẽ wil. 124. Phil. Fuͤrwahr/ Pſychoſophe, ich ſehe nun/ warum man die Tinctur ein Univerſal nennet/ daß ſie nemlich einen Univerſal Verſtand und Wiſſen- ſchafft in natuͤrlichen Sachen erfordert/ und was du gemeldet/ ſcheinet mehr aus der Experientz/ als bloſſen Fingern geſogen zu ſeyn/ wil ſolchem bey Ge- legenheit hinfuͤro weiter nachdencken/ und duͤnckt mich/ ich habe ein groſſes Licht der Warheit aus dei- nen Reden ſehen auffgehen. Ehe wir aber von ein- ander ſcheiden/ wil ich mit einer Frag noch von dem Philoſophiſchen Univerſal, auff das Politiſche Uni- verſal ſpringen/ und fragen/ wie koͤnte man doch ma- chen/ daß es gantzen Koͤnigreichen/ Laͤndern/ und Provintzen wohl gienge/ und ſolche eine ehrliche Nahrung/ Ruh/ und Frieden haͤtten? Pſych. Der Philoſophiſche Stein iſt zwar rar und kuͤnſtlich zu machen/ trauete mir ihn aber eher zu verfertigen als den Lapidem politicum, dann die Materi des Erſten beſtehet in einer Sach gantz zu des Meiſters Diſpoſition. Die Materi aber des andern/ beſtehet in tauſenderley/ gantz auſſer des Meiſters Willkuͤhr. Wahr iſt es/ daß es mehr Muͤhe koſtet/ Leute und Laͤnder zu verderben und zu verarmen/ als auffzubringen/ und an Nah- rung zu helffen. Es iſt aber auch wahr/ daß die Mit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/223
Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/223>, abgerufen am 24.11.2024.