Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Entwicklung des Privateigenthums, und die daraus hervorgehende Herrschaft
des Mannes raubte sie ihnen. Die sozialen Verhältnisse der modernen Zeit
haben die Stellung der Frau total verändert, sie wird immer mehr die Genossin
statt die Untergebene des Mannes. Diese Aenderung ihrer sozialen Stellung verlangt
eine gleiche Aenderung ihrer öffentlichen Stellung.

Jm Staate Wyoming der Vereinigten Staaten Nordamerikas besitzen die
Frauen seit 25 Jahren das gleiche Stimmrecht wie die Männer und werden gleich
diesen für öffentliche Stellungen gewählt, beides mit dem ausgezeichnetsten Erfolg.
Aehnliches trat seitdem in andern Staaten der Union ein. Jn den Staaten
Colorado und Arizona besitzen die Frauen seit einigen Jahren das politische
Stimmrecht, ebenso neuerdings in Minnesota. Jn 22 Staaten der Union besitzen
die Frauen das aktive und passive Wahlrecht für die Schulverwaltung. Jn Kansas,
Nebraska, Arizona, Dakota, Jdaho und Montana ist ihnen das Gemeinde-Wahlrecht
eingeräumt unter der Voraussetzung, daß sie Bürgerinnen sind. Jn Argonia
(Kansas) wurde 1887 die Frau eines Arztes zum Bürgermeister gewählt, das
gleiche geschah 1893 in Onesunga aus Neuseeland. Jn letzterem Lande besitzen sie seit
1893 das Parlaments-Wahlrecht und betheiligten sich sehr lebhaft an demselben.

Jn Schweden haben seit 10 Jahren die Frauen das Wahlrecht für die
Bezirks- und Gemeindewahlen unter den gleichen Bedingungen wie die Männer.

Die Frage des Frauen-Stimmrechts in England hat bereits eine Geschichte
hinter sich. 1886 gelang es endlich, einen Antrag auf Ertheilung des Stimmrechts
für Parlamentswahlen an die Frauen in zwei Lesungen zur Annahme zu bringen.
Die Auflösung des Parlaments verhinderte die letzte Entscheidung. Jm Jahre 1892
wurde ein ähnlicher Antrag nur mit 175 gegen 152 Stimmen verworfen; seitdem
kam kein neuer Antrag wieder zur Verhandlung. Dagegen besitzen in den meisten
Kreisen Englands die Frauen das gleiche Stimmrecht wie die Männer für die
Schul- und Armenkommissionen. Jn Frankreich kann eine Frau, die Jnhaberin
eines Handels- oder Fabrikbetriebs ist, das Wahlrecht für die Handelsgerichte
ausüben, sie kann aber nicht gewählt werden. Jn Sachsen besitzt die Frau, die
Grundbesitzerin und unverheirathet ist, das Gemeinde-Wahlrecht, aber sie darf
nicht gewählt werden.

Eine Menge ähnlicher Beispiele ließen sich noch anführen, die angeführten
genügen aber, um zu zeigen, daß auch das Stimmrecht der Frauen bereits weit
mehr Gelthung sich erobert hat, als der deutsche Philister sich träumen läßt.

Es ist nur eine Frage der Zeit, daß es allgemein zur Geltung kommt, und
die Sozialdemokratie ist die einzige Partei, die es in ihrem Programm fordert.



Das Proportional-Wahlsystem.

Jst das allgemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht das demokratischste
Wahlrecht, so ist dagegen die Art, wie es gehandhabt wird, noch eine sehr mangelhafte.

Zweck einer Wahl ist oder soll sein, die Stimmung der Wähler durch die
gewählten Abgeordneten zu einem, wir möchten sagen, photographisch getreuen
Ausdruck zu bringen. Dieses geschieht aber keineswegs durch die Eintheilung des
Landes in Wahlkreis- und durch die Wahl der Volksvertreter innerhalb derselben
nach der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Bei dieser Art der Stimmabgabe und der Stimmzählung kann es geschehen
und geschieht thatsächlich daß eine Mehrheit der Vertreter nur eine Minderheit
der abgegebenen Stimmen hinter sich hat, die Wahl also ein ganz falsches Bild
der Volksstimmung giebt. Als z. B. im Jahr 1887 der Reichstag wegen Verweigerung
einer Militärvorlage ausgelöst wurde, ergab die daraus folgende Hauptwahl das
Resultat, daß eine Zusammenstellung der Stimmen derjenigen Parteien, die gegen
die Militärvorlage sich erklärt hatten, über 100000 Stimmen mehr auf ihre
Kandidaten vereinigt hatten, als diejenigen, die für die Militärvorlage stimmten.
Die Vertreter der Letzteren hatten aber im Reichstag die Mehrheit.

4*

Die Entwicklung des Privateigenthums, und die daraus hervorgehende Herrschaft
des Mannes raubte sie ihnen. Die sozialen Verhältnisse der modernen Zeit
haben die Stellung der Frau total verändert, sie wird immer mehr die Genossin
statt die Untergebene des Mannes. Diese Aenderung ihrer sozialen Stellung verlangt
eine gleiche Aenderung ihrer öffentlichen Stellung.

Jm Staate Wyoming der Vereinigten Staaten Nordamerikas besitzen die
Frauen seit 25 Jahren das gleiche Stimmrecht wie die Männer und werden gleich
diesen für öffentliche Stellungen gewählt, beides mit dem ausgezeichnetsten Erfolg.
Aehnliches trat seitdem in andern Staaten der Union ein. Jn den Staaten
Colorado und Arizona besitzen die Frauen seit einigen Jahren das politische
Stimmrecht, ebenso neuerdings in Minnesota. Jn 22 Staaten der Union besitzen
die Frauen das aktive und passive Wahlrecht für die Schulverwaltung. Jn Kansas,
Nebraska, Arizona, Dakota, Jdaho und Montana ist ihnen das Gemeinde-Wahlrecht
eingeräumt unter der Voraussetzung, daß sie Bürgerinnen sind. Jn Argonia
(Kansas) wurde 1887 die Frau eines Arztes zum Bürgermeister gewählt, das
gleiche geschah 1893 in Onesunga aus Neuseeland. Jn letzterem Lande besitzen sie seit
1893 das Parlaments-Wahlrecht und betheiligten sich sehr lebhaft an demselben.

Jn Schweden haben seit 10 Jahren die Frauen das Wahlrecht für die
Bezirks- und Gemeindewahlen unter den gleichen Bedingungen wie die Männer.

Die Frage des Frauen-Stimmrechts in England hat bereits eine Geschichte
hinter sich. 1886 gelang es endlich, einen Antrag auf Ertheilung des Stimmrechts
für Parlamentswahlen an die Frauen in zwei Lesungen zur Annahme zu bringen.
Die Auflösung des Parlaments verhinderte die letzte Entscheidung. Jm Jahre 1892
wurde ein ähnlicher Antrag nur mit 175 gegen 152 Stimmen verworfen; seitdem
kam kein neuer Antrag wieder zur Verhandlung. Dagegen besitzen in den meisten
Kreisen Englands die Frauen das gleiche Stimmrecht wie die Männer für die
Schul- und Armenkommissionen. Jn Frankreich kann eine Frau, die Jnhaberin
eines Handels- oder Fabrikbetriebs ist, das Wahlrecht für die Handelsgerichte
ausüben, sie kann aber nicht gewählt werden. Jn Sachsen besitzt die Frau, die
Grundbesitzerin und unverheirathet ist, das Gemeinde-Wahlrecht, aber sie darf
nicht gewählt werden.

Eine Menge ähnlicher Beispiele ließen sich noch anführen, die angeführten
genügen aber, um zu zeigen, daß auch das Stimmrecht der Frauen bereits weit
mehr Gelthung sich erobert hat, als der deutsche Philister sich träumen läßt.

Es ist nur eine Frage der Zeit, daß es allgemein zur Geltung kommt, und
die Sozialdemokratie ist die einzige Partei, die es in ihrem Programm fordert.



Das Proportional-Wahlsystem.

Jst das allgemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht das demokratischste
Wahlrecht, so ist dagegen die Art, wie es gehandhabt wird, noch eine sehr mangelhafte.

Zweck einer Wahl ist oder soll sein, die Stimmung der Wähler durch die
gewählten Abgeordneten zu einem, wir möchten sagen, photographisch getreuen
Ausdruck zu bringen. Dieses geschieht aber keineswegs durch die Eintheilung des
Landes in Wahlkreis- und durch die Wahl der Volksvertreter innerhalb derselben
nach der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Bei dieser Art der Stimmabgabe und der Stimmzählung kann es geschehen
und geschieht thatsächlich daß eine Mehrheit der Vertreter nur eine Minderheit
der abgegebenen Stimmen hinter sich hat, die Wahl also ein ganz falsches Bild
der Volksstimmung giebt. Als z. B. im Jahr 1887 der Reichstag wegen Verweigerung
einer Militärvorlage ausgelöst wurde, ergab die daraus folgende Hauptwahl das
Resultat, daß eine Zusammenstellung der Stimmen derjenigen Parteien, die gegen
die Militärvorlage sich erklärt hatten, über 100000 Stimmen mehr auf ihre
Kandidaten vereinigt hatten, als diejenigen, die für die Militärvorlage stimmten.
Die Vertreter der Letzteren hatten aber im Reichstag die Mehrheit.

4*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0055" n="51"/>
Die Entwicklung des Privateigenthums, und die daraus hervorgehende Herrschaft<lb/>
des Mannes raubte sie ihnen. Die sozialen Verhältnisse der modernen Zeit<lb/>
haben die Stellung der Frau total verändert, sie wird immer mehr die Genossin<lb/>
statt die Untergebene des Mannes. Diese Aenderung ihrer sozialen Stellung verlangt<lb/>
eine gleiche Aenderung ihrer öffentlichen Stellung.</p><lb/>
        <p>Jm Staate Wyoming der Vereinigten Staaten Nordamerikas besitzen die<lb/>
Frauen seit 25 Jahren das gleiche Stimmrecht wie die Männer und werden gleich<lb/>
diesen für öffentliche Stellungen gewählt, beides mit dem ausgezeichnetsten Erfolg.<lb/>
Aehnliches trat seitdem in andern Staaten der Union ein. Jn den Staaten<lb/>
Colorado und Arizona besitzen die Frauen seit einigen Jahren das politische<lb/>
Stimmrecht, ebenso neuerdings in Minnesota. Jn 22 Staaten der Union besitzen<lb/>
die Frauen das aktive und passive Wahlrecht für die Schulverwaltung. Jn Kansas,<lb/>
Nebraska, Arizona, Dakota, Jdaho und Montana ist ihnen das Gemeinde-Wahlrecht<lb/>
eingeräumt unter der Voraussetzung, daß sie Bürgerinnen sind. Jn Argonia<lb/>
(Kansas) wurde 1887 die Frau eines Arztes zum Bürgermeister gewählt, das<lb/>
gleiche geschah 1893 in Onesunga aus Neuseeland. Jn letzterem Lande besitzen sie seit<lb/>
1893 das Parlaments-Wahlrecht und betheiligten sich sehr lebhaft an demselben.</p><lb/>
        <p>Jn Schweden haben seit 10 Jahren die Frauen das Wahlrecht für die<lb/>
Bezirks- und Gemeindewahlen unter den gleichen Bedingungen wie die Männer.</p><lb/>
        <p>Die Frage des Frauen-Stimmrechts in England hat bereits eine Geschichte<lb/>
hinter sich. 1886 gelang es endlich, einen Antrag auf Ertheilung des Stimmrechts<lb/>
für Parlamentswahlen an die Frauen in zwei Lesungen zur Annahme zu bringen.<lb/>
Die Auflösung des Parlaments verhinderte die letzte Entscheidung. Jm Jahre 1892<lb/>
wurde ein ähnlicher Antrag nur mit 175 gegen 152 Stimmen verworfen; seitdem<lb/>
kam kein neuer Antrag wieder zur Verhandlung. Dagegen besitzen in den meisten<lb/>
Kreisen Englands die Frauen das gleiche Stimmrecht wie die Männer für die<lb/>
Schul- und Armenkommissionen. Jn Frankreich kann eine Frau, die Jnhaberin<lb/>
eines Handels- oder Fabrikbetriebs ist, das Wahlrecht für die Handelsgerichte<lb/>
ausüben, sie kann aber nicht gewählt werden. Jn Sachsen besitzt die Frau, die<lb/>
Grundbesitzerin und unverheirathet ist, das Gemeinde-Wahlrecht, aber sie darf<lb/>
nicht gewählt werden.</p><lb/>
        <p>Eine Menge ähnlicher Beispiele ließen sich noch anführen, die angeführten<lb/>
genügen aber, um zu zeigen, daß auch das Stimmrecht der Frauen bereits weit<lb/>
mehr Gelthung sich erobert hat, als der deutsche Philister sich träumen läßt.</p><lb/>
        <p>Es ist nur eine Frage der Zeit, daß es allgemein zur Geltung kommt, und<lb/>
die Sozialdemokratie ist die einzige Partei, die es in ihrem Programm fordert.</p><lb/>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head>Das Proportional-Wahlsystem.</head><lb/>
        <p>Jst das allgemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht das demokratischste<lb/>
Wahlrecht, so ist dagegen die Art, wie es gehandhabt wird, noch eine sehr mangelhafte.</p><lb/>
        <p>Zweck einer Wahl ist oder soll sein, die Stimmung der Wähler durch die<lb/>
gewählten Abgeordneten zu einem, wir möchten sagen, photographisch getreuen<lb/>
Ausdruck zu bringen. Dieses geschieht aber keineswegs durch die Eintheilung des<lb/>
Landes in Wahlkreis- und durch die Wahl der Volksvertreter innerhalb derselben<lb/>
nach der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen.</p><lb/>
        <p>Bei dieser Art der Stimmabgabe und der Stimmzählung kann es geschehen<lb/>
und geschieht thatsächlich daß eine Mehrheit der Vertreter nur eine Minderheit<lb/>
der abgegebenen Stimmen hinter sich hat, die Wahl also ein ganz falsches Bild<lb/>
der Volksstimmung giebt. Als z. B. im Jahr 1887 der Reichstag wegen Verweigerung<lb/>
einer Militärvorlage ausgelöst wurde, ergab die daraus folgende Hauptwahl das<lb/>
Resultat, daß eine Zusammenstellung der Stimmen derjenigen Parteien, die gegen<lb/>
die Militärvorlage sich erklärt hatten, über 100000 Stimmen <hi rendition="#g">mehr</hi> auf ihre<lb/>
Kandidaten vereinigt hatten, als diejenigen, die <hi rendition="#g">für</hi> die Militärvorlage stimmten.<lb/>
Die Vertreter der Letzteren hatten aber im Reichstag die Mehrheit.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">4*</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0055] Die Entwicklung des Privateigenthums, und die daraus hervorgehende Herrschaft des Mannes raubte sie ihnen. Die sozialen Verhältnisse der modernen Zeit haben die Stellung der Frau total verändert, sie wird immer mehr die Genossin statt die Untergebene des Mannes. Diese Aenderung ihrer sozialen Stellung verlangt eine gleiche Aenderung ihrer öffentlichen Stellung. Jm Staate Wyoming der Vereinigten Staaten Nordamerikas besitzen die Frauen seit 25 Jahren das gleiche Stimmrecht wie die Männer und werden gleich diesen für öffentliche Stellungen gewählt, beides mit dem ausgezeichnetsten Erfolg. Aehnliches trat seitdem in andern Staaten der Union ein. Jn den Staaten Colorado und Arizona besitzen die Frauen seit einigen Jahren das politische Stimmrecht, ebenso neuerdings in Minnesota. Jn 22 Staaten der Union besitzen die Frauen das aktive und passive Wahlrecht für die Schulverwaltung. Jn Kansas, Nebraska, Arizona, Dakota, Jdaho und Montana ist ihnen das Gemeinde-Wahlrecht eingeräumt unter der Voraussetzung, daß sie Bürgerinnen sind. Jn Argonia (Kansas) wurde 1887 die Frau eines Arztes zum Bürgermeister gewählt, das gleiche geschah 1893 in Onesunga aus Neuseeland. Jn letzterem Lande besitzen sie seit 1893 das Parlaments-Wahlrecht und betheiligten sich sehr lebhaft an demselben. Jn Schweden haben seit 10 Jahren die Frauen das Wahlrecht für die Bezirks- und Gemeindewahlen unter den gleichen Bedingungen wie die Männer. Die Frage des Frauen-Stimmrechts in England hat bereits eine Geschichte hinter sich. 1886 gelang es endlich, einen Antrag auf Ertheilung des Stimmrechts für Parlamentswahlen an die Frauen in zwei Lesungen zur Annahme zu bringen. Die Auflösung des Parlaments verhinderte die letzte Entscheidung. Jm Jahre 1892 wurde ein ähnlicher Antrag nur mit 175 gegen 152 Stimmen verworfen; seitdem kam kein neuer Antrag wieder zur Verhandlung. Dagegen besitzen in den meisten Kreisen Englands die Frauen das gleiche Stimmrecht wie die Männer für die Schul- und Armenkommissionen. Jn Frankreich kann eine Frau, die Jnhaberin eines Handels- oder Fabrikbetriebs ist, das Wahlrecht für die Handelsgerichte ausüben, sie kann aber nicht gewählt werden. Jn Sachsen besitzt die Frau, die Grundbesitzerin und unverheirathet ist, das Gemeinde-Wahlrecht, aber sie darf nicht gewählt werden. Eine Menge ähnlicher Beispiele ließen sich noch anführen, die angeführten genügen aber, um zu zeigen, daß auch das Stimmrecht der Frauen bereits weit mehr Gelthung sich erobert hat, als der deutsche Philister sich träumen läßt. Es ist nur eine Frage der Zeit, daß es allgemein zur Geltung kommt, und die Sozialdemokratie ist die einzige Partei, die es in ihrem Programm fordert. Das Proportional-Wahlsystem. Jst das allgemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht das demokratischste Wahlrecht, so ist dagegen die Art, wie es gehandhabt wird, noch eine sehr mangelhafte. Zweck einer Wahl ist oder soll sein, die Stimmung der Wähler durch die gewählten Abgeordneten zu einem, wir möchten sagen, photographisch getreuen Ausdruck zu bringen. Dieses geschieht aber keineswegs durch die Eintheilung des Landes in Wahlkreis- und durch die Wahl der Volksvertreter innerhalb derselben nach der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei dieser Art der Stimmabgabe und der Stimmzählung kann es geschehen und geschieht thatsächlich daß eine Mehrheit der Vertreter nur eine Minderheit der abgegebenen Stimmen hinter sich hat, die Wahl also ein ganz falsches Bild der Volksstimmung giebt. Als z. B. im Jahr 1887 der Reichstag wegen Verweigerung einer Militärvorlage ausgelöst wurde, ergab die daraus folgende Hauptwahl das Resultat, daß eine Zusammenstellung der Stimmen derjenigen Parteien, die gegen die Militärvorlage sich erklärt hatten, über 100000 Stimmen mehr auf ihre Kandidaten vereinigt hatten, als diejenigen, die für die Militärvorlage stimmten. Die Vertreter der Letzteren hatten aber im Reichstag die Mehrheit. 4*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-10-30T15:09:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-10-30T15:09:45Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bebel_sozialdemokratie_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bebel_sozialdemokratie_1895/55
Zitationshilfe: Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bebel_sozialdemokratie_1895/55>, abgerufen am 23.11.2024.