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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Streichung oder Nichtanerkennung früher contrahirter Schulden,
eine Erklärung der theilweisen oder völligen Zahlunfähigkeit, eine
solche Einstellung der Schuldzahlungen auf immer oder unbestimmte
Zeit (d. h. ein theilweiser oder vollständiger Staatsbankbruch)
zerstört mehr oder weniger seinen Kredit und den Volkswohlstand1).
Er ist nur durch gehörige Sorge für die Tilgung (Amortisation)
seiner Schulden hiervor zu bewahren. Durch dies neue Renten-
system bei Staatsanleihen haben sich die Regirungen die Tilgung
schon sehr bequem gemacht. Doch hat jeder Staat bei der Schul-
dentilgung folgende Punkte in Erwägung zu ziehen. 1) Die
Quellen zur Schuldentilgung. Sie sind entweder außerordentliche
oder ordentliche. Jene sind nicht genügend, wo die Tilgung termin-
weise zum Voraus bestimmt ist und geschehen muß. Man mag also noch
so sehr überzeugt sein, daß die Anwendung ordentlicher Tilgmittel
wenig oder gar keine reelle, sondern nur eingebildete Wirkung habe,
so viel muß man eingestehen, daß diese Ansicht nicht allgemein
praktisch ausführbar ist. Die Verwendung jährlicher bestimmter
Einkünfte des Staats (1/2-2% der betreffenden Staatsschuld)
zur Tilgung vermittelst einer eigenen, besonders operirenden, Tilg-
oder Amortisationskasse ist das Wesentliche der Tilgplane,
welche auf den Gesetzen der Zinszinsen beruhen und wonach die
Zeit bestimmt werden kann, innerhalb welcher eine Schuld getilgt
sein muß, ebenso wie die Größe des Tilgfonds, um bei gegebenem
Zinsfuße die Schuld in bestimmter Zeit tilgen zu können2). Ist
die Schuld auf einen bestimmten Tilgfonds gesetzt, so heißt sie
fundirt (franz. Dette fondee, engl. Funded Debt); ist sie es
nicht, so heißt sie schwebend (franz. Dette flottante, engl.
Floating Debt). 2) Die Größe des Tilgfonds. Je größer der-
selbe ist, desto schneller geht die Tilgung unter übrigens gleichen
Umständen von Statten. Allein der Volkswohlstand verträgt nicht
wohl eine so große Last, als ein Tilgfonds, z. B. von 2% für die
Schulden der meisten europäischen Staaten nöthig machte. 3) Die
Zeit der Tilgung. Sie steht mit der Größe des Tilgfonds und
bei gleichem Tilgfonds mit der Größe des Zinses der Schuld in
umgekehrtem Verhältnisse. Blos die Friedenszeit ist zu einer
wirksamen Schuldentilgung günstig3). 4) Die Mittel der Schul-
dentilgung. Sie muß in demselben Umlaufsmittel geschehen, worin
die Schuld contrahirt und die Tilgung versprochen ist, ohne offen-
bare oder geheime Schmälerung, -- dies verlangt das Recht, die
Staatsklugheit und namentlich der Staatskredit4). Endlich 5) die
Arten der Schuldentilgung. Die schwebende Schuld, z. B.
Gutscheine, Bons, Bills, Schatzkammerscheine, wird zur bestimmten

Streichung oder Nichtanerkennung früher contrahirter Schulden,
eine Erklärung der theilweiſen oder völligen Zahlunfähigkeit, eine
ſolche Einſtellung der Schuldzahlungen auf immer oder unbeſtimmte
Zeit (d. h. ein theilweiſer oder vollſtändiger Staatsbankbruch)
zerſtört mehr oder weniger ſeinen Kredit und den Volkswohlſtand1).
Er iſt nur durch gehörige Sorge für die Tilgung (Amortiſation)
ſeiner Schulden hiervor zu bewahren. Durch dies neue Renten-
ſyſtem bei Staatsanleihen haben ſich die Regirungen die Tilgung
ſchon ſehr bequem gemacht. Doch hat jeder Staat bei der Schul-
dentilgung folgende Punkte in Erwägung zu ziehen. 1) Die
Quellen zur Schuldentilgung. Sie ſind entweder außerordentliche
oder ordentliche. Jene ſind nicht genügend, wo die Tilgung termin-
weiſe zum Voraus beſtimmt iſt und geſchehen muß. Man mag alſo noch
ſo ſehr überzeugt ſein, daß die Anwendung ordentlicher Tilgmittel
wenig oder gar keine reelle, ſondern nur eingebildete Wirkung habe,
ſo viel muß man eingeſtehen, daß dieſe Anſicht nicht allgemein
praktiſch ausführbar iſt. Die Verwendung jährlicher beſtimmter
Einkünfte des Staats (½-2% der betreffenden Staatsſchuld)
zur Tilgung vermittelſt einer eigenen, beſonders operirenden, Tilg-
oder Amortiſationskaſſe iſt das Weſentliche der Tilgplane,
welche auf den Geſetzen der Zinszinſen beruhen und wonach die
Zeit beſtimmt werden kann, innerhalb welcher eine Schuld getilgt
ſein muß, ebenſo wie die Größe des Tilgfonds, um bei gegebenem
Zinsfuße die Schuld in beſtimmter Zeit tilgen zu können2). Iſt
die Schuld auf einen beſtimmten Tilgfonds geſetzt, ſo heißt ſie
fundirt (franz. Dette fondée, engl. Funded Debt); iſt ſie es
nicht, ſo heißt ſie ſchwebend (franz. Dette flottante, engl.
Floating Debt). 2) Die Größe des Tilgfonds. Je größer der-
ſelbe iſt, deſto ſchneller geht die Tilgung unter übrigens gleichen
Umſtänden von Statten. Allein der Volkswohlſtand verträgt nicht
wohl eine ſo große Laſt, als ein Tilgfonds, z. B. von 2% für die
Schulden der meiſten europäiſchen Staaten nöthig machte. 3) Die
Zeit der Tilgung. Sie ſteht mit der Größe des Tilgfonds und
bei gleichem Tilgfonds mit der Größe des Zinſes der Schuld in
umgekehrtem Verhältniſſe. Blos die Friedenszeit iſt zu einer
wirkſamen Schuldentilgung günſtig3). 4) Die Mittel der Schul-
dentilgung. Sie muß in demſelben Umlaufsmittel geſchehen, worin
die Schuld contrahirt und die Tilgung verſprochen iſt, ohne offen-
bare oder geheime Schmälerung, — dies verlangt das Recht, die
Staatsklugheit und namentlich der Staatskredit4). Endlich 5) die
Arten der Schuldentilgung. Die ſchwebende Schuld, z. B.
Gutſcheine, Bons, Bills, Schatzkammerſcheine, wird zur beſtimmten

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[760/0782] Streichung oder Nichtanerkennung früher contrahirter Schulden, eine Erklärung der theilweiſen oder völligen Zahlunfähigkeit, eine ſolche Einſtellung der Schuldzahlungen auf immer oder unbeſtimmte Zeit (d. h. ein theilweiſer oder vollſtändiger Staatsbankbruch) zerſtört mehr oder weniger ſeinen Kredit und den Volkswohlſtand1). Er iſt nur durch gehörige Sorge für die Tilgung (Amortiſation) ſeiner Schulden hiervor zu bewahren. Durch dies neue Renten- ſyſtem bei Staatsanleihen haben ſich die Regirungen die Tilgung ſchon ſehr bequem gemacht. Doch hat jeder Staat bei der Schul- dentilgung folgende Punkte in Erwägung zu ziehen. 1) Die Quellen zur Schuldentilgung. Sie ſind entweder außerordentliche oder ordentliche. Jene ſind nicht genügend, wo die Tilgung termin- weiſe zum Voraus beſtimmt iſt und geſchehen muß. Man mag alſo noch ſo ſehr überzeugt ſein, daß die Anwendung ordentlicher Tilgmittel wenig oder gar keine reelle, ſondern nur eingebildete Wirkung habe, ſo viel muß man eingeſtehen, daß dieſe Anſicht nicht allgemein praktiſch ausführbar iſt. Die Verwendung jährlicher beſtimmter Einkünfte des Staats (½-2% der betreffenden Staatsſchuld) zur Tilgung vermittelſt einer eigenen, beſonders operirenden, Tilg- oder Amortiſationskaſſe iſt das Weſentliche der Tilgplane, welche auf den Geſetzen der Zinszinſen beruhen und wonach die Zeit beſtimmt werden kann, innerhalb welcher eine Schuld getilgt ſein muß, ebenſo wie die Größe des Tilgfonds, um bei gegebenem Zinsfuße die Schuld in beſtimmter Zeit tilgen zu können2). Iſt die Schuld auf einen beſtimmten Tilgfonds geſetzt, ſo heißt ſie fundirt (franz. Dette fondée, engl. Funded Debt); iſt ſie es nicht, ſo heißt ſie ſchwebend (franz. Dette flottante, engl. Floating Debt). 2) Die Größe des Tilgfonds. Je größer der- ſelbe iſt, deſto ſchneller geht die Tilgung unter übrigens gleichen Umſtänden von Statten. Allein der Volkswohlſtand verträgt nicht wohl eine ſo große Laſt, als ein Tilgfonds, z. B. von 2% für die Schulden der meiſten europäiſchen Staaten nöthig machte. 3) Die Zeit der Tilgung. Sie ſteht mit der Größe des Tilgfonds und bei gleichem Tilgfonds mit der Größe des Zinſes der Schuld in umgekehrtem Verhältniſſe. Blos die Friedenszeit iſt zu einer wirkſamen Schuldentilgung günſtig3). 4) Die Mittel der Schul- dentilgung. Sie muß in demſelben Umlaufsmittel geſchehen, worin die Schuld contrahirt und die Tilgung verſprochen iſt, ohne offen- bare oder geheime Schmälerung, — dies verlangt das Recht, die Staatsklugheit und namentlich der Staatskredit4). Endlich 5) die Arten der Schuldentilgung. Die ſchwebende Schuld, z. B. Gutſcheine, Bons, Bills, Schatzkammerſcheine, wird zur beſtimmten

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 760. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/782>, abgerufen am 27.11.2024.