Mit dem Hinblicke auf die Verwerflichkeit und Unausführbar- keit der Vermögenssteuer und auf die Nothwendigkeit der Be- steuerung des Einkommens kam man auf den Vorschlag einer allgemeinen Einkommenssteuer1), mittelst welcher überhaupt alles Einkommen der verschiedensten Art, welches ein Bürger be- zieht oder verdient, besteuert werden soll. Man fand diese Steuer um so empfehlenswerther, als sie schon in ihrem Namen das Gesetz der Allgemeinheit als ihr Grundgesetz verräth, als das Gesetz der Gleichheit offenbar in ihrer Anlage schon liegt, da ja auf alles Einkommen eine gleiche Steuer umgelegt wird, als das Gesetz der Größe gewiß realisirt wird, indem diese Steuer ein beträchtliches Einkommen für die Staatskasse bewirkt und endlich als sie dem Gesetze der Volkswirthschaft in hohem Grade entspricht, weil sie die Steuersumme auf einmal erhebt, nicht die lästigen Schätzungs- maaßregeln wie andere Steuern erheischt, und blos vom wahren reinen Einkommen nach Abzug aller Ausgaben für das Gewerbe und Familienleben erhoben wird. Allein fast keine dieser Unter- stellungen ist wirklich wahr. Denn die Ausmittelung des reinen Einkommens in jener Art ist eine reine Unmöglichkeit2), weil die passenden Wege und zuverlässigen Mittel dazu ganz fehlen. Kann dies nicht bezweifelt werden, so ist eine nothwendige Folge, daß der Steuer manches Einkommen entgeht, und manches zu hoch geschätzt, also gegen das Gesetz der Allgemeinheit und Gleichheit gefehlt wird. Das Letztere und das Gesetz der Volkswirthschaft wird durch sie vernachlässigt, indem das aus verschiedenen Quellen fließende Einkommen ganz gleich besteuert wird (§. 486. N. 4. Nr. 2. und N. 6. Nr. 4.), und bei der Schätzung jede Sicherheit mangelt, ob denn auch wirklich blos das reine und nicht das rohe Einkom- men besteuert werde (i. a. §. N. 4. Nr. 3.). Denn die Schätzung soll allgemeinhin geschehen. Wollte man aber eine Spezialschätzung der verschiedenen Klassen von Reineinkommen vornehmen, so wäre weiter kein Vortheil im Vergleiche mit der Steuerumlage nach den verschiedenen Einkommenszweigen zu erreichen, und die allgemeine Einkommenssteuer bestünde nur dem Namen nach3).
1) Für eine solche als Ideal der Besteuerung und einzige Steuer: Zachariä, Vierzig Bücher vom Staate. V 425. Hermes Stück XV. (1822) S. 141-150. Lips, Ueber die allein wahre und einzige Steuer, die Einkommenstaxe. Erlangen 1812. Keßler, Finanzsystem ...... mit dem Gesetzplane zu einer allgemeinen Einkommenssteuer. Stuttg. 1821. Auch die beiden letzten der drei genannten eng-
III. Einkommensſteuern.
§. 490. A.Allgemeine Einkommensſteuer.
Mit dem Hinblicke auf die Verwerflichkeit und Unausführbar- keit der Vermögensſteuer und auf die Nothwendigkeit der Be- ſteuerung des Einkommens kam man auf den Vorſchlag einer allgemeinen Einkommensſteuer1), mittelſt welcher überhaupt alles Einkommen der verſchiedenſten Art, welches ein Bürger be- zieht oder verdient, beſteuert werden ſoll. Man fand dieſe Steuer um ſo empfehlenswerther, als ſie ſchon in ihrem Namen das Geſetz der Allgemeinheit als ihr Grundgeſetz verräth, als das Geſetz der Gleichheit offenbar in ihrer Anlage ſchon liegt, da ja auf alles Einkommen eine gleiche Steuer umgelegt wird, als das Geſetz der Größe gewiß realiſirt wird, indem dieſe Steuer ein beträchtliches Einkommen für die Staatskaſſe bewirkt und endlich als ſie dem Geſetze der Volkswirthſchaft in hohem Grade entſpricht, weil ſie die Steuerſumme auf einmal erhebt, nicht die läſtigen Schätzungs- maaßregeln wie andere Steuern erheiſcht, und blos vom wahren reinen Einkommen nach Abzug aller Ausgaben für das Gewerbe und Familienleben erhoben wird. Allein faſt keine dieſer Unter- ſtellungen iſt wirklich wahr. Denn die Ausmittelung des reinen Einkommens in jener Art iſt eine reine Unmöglichkeit2), weil die paſſenden Wege und zuverläſſigen Mittel dazu ganz fehlen. Kann dies nicht bezweifelt werden, ſo iſt eine nothwendige Folge, daß der Steuer manches Einkommen entgeht, und manches zu hoch geſchätzt, alſo gegen das Geſetz der Allgemeinheit und Gleichheit gefehlt wird. Das Letztere und das Geſetz der Volkswirthſchaft wird durch ſie vernachläſſigt, indem das aus verſchiedenen Quellen fließende Einkommen ganz gleich beſteuert wird (§. 486. N. 4. Nr. 2. und N. 6. Nr. 4.), und bei der Schätzung jede Sicherheit mangelt, ob denn auch wirklich blos das reine und nicht das rohe Einkom- men beſteuert werde (i. a. §. N. 4. Nr. 3.). Denn die Schätzung ſoll allgemeinhin geſchehen. Wollte man aber eine Spezialſchätzung der verſchiedenen Klaſſen von Reineinkommen vornehmen, ſo wäre weiter kein Vortheil im Vergleiche mit der Steuerumlage nach den verſchiedenen Einkommenszweigen zu erreichen, und die allgemeine Einkommensſteuer beſtünde nur dem Namen nach3).
1) Für eine ſolche als Ideal der Beſteuerung und einzige Steuer: Zachariä, Vierzig Bücher vom Staate. V 425. Hermes Stück XV. (1822) S. 141–150. Lips, Ueber die allein wahre und einzige Steuer, die Einkommenstaxe. Erlangen 1812. Keßler, Finanzſyſtem ...... mit dem Geſetzplane zu einer allgemeinen Einkommensſteuer. Stuttg. 1821. Auch die beiden letzten der drei genannten eng-
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III. Einkommensſteuern.
§. 490.
A. Allgemeine Einkommensſteuer.
Mit dem Hinblicke auf die Verwerflichkeit und Unausführbar-
keit der Vermögensſteuer und auf die Nothwendigkeit der Be-
ſteuerung des Einkommens kam man auf den Vorſchlag einer
allgemeinen Einkommensſteuer1), mittelſt welcher überhaupt
alles Einkommen der verſchiedenſten Art, welches ein Bürger be-
zieht oder verdient, beſteuert werden ſoll. Man fand dieſe Steuer
um ſo empfehlenswerther, als ſie ſchon in ihrem Namen das Geſetz
der Allgemeinheit als ihr Grundgeſetz verräth, als das Geſetz der
Gleichheit offenbar in ihrer Anlage ſchon liegt, da ja auf alles
Einkommen eine gleiche Steuer umgelegt wird, als das Geſetz der
Größe gewiß realiſirt wird, indem dieſe Steuer ein beträchtliches
Einkommen für die Staatskaſſe bewirkt und endlich als ſie dem
Geſetze der Volkswirthſchaft in hohem Grade entſpricht, weil ſie
die Steuerſumme auf einmal erhebt, nicht die läſtigen Schätzungs-
maaßregeln wie andere Steuern erheiſcht, und blos vom wahren
reinen Einkommen nach Abzug aller Ausgaben für das Gewerbe
und Familienleben erhoben wird. Allein faſt keine dieſer Unter-
ſtellungen iſt wirklich wahr. Denn die Ausmittelung des reinen
Einkommens in jener Art iſt eine reine Unmöglichkeit2), weil die
paſſenden Wege und zuverläſſigen Mittel dazu ganz fehlen. Kann
dies nicht bezweifelt werden, ſo iſt eine nothwendige Folge, daß
der Steuer manches Einkommen entgeht, und manches zu hoch
geſchätzt, alſo gegen das Geſetz der Allgemeinheit und Gleichheit
gefehlt wird. Das Letztere und das Geſetz der Volkswirthſchaft
wird durch ſie vernachläſſigt, indem das aus verſchiedenen Quellen
fließende Einkommen ganz gleich beſteuert wird (§. 486. N. 4. Nr. 2.
und N. 6. Nr. 4.), und bei der Schätzung jede Sicherheit mangelt,
ob denn auch wirklich blos das reine und nicht das rohe Einkom-
men beſteuert werde (i. a. §. N. 4. Nr. 3.). Denn die Schätzung
ſoll allgemeinhin geſchehen. Wollte man aber eine Spezialſchätzung
der verſchiedenen Klaſſen von Reineinkommen vornehmen, ſo wäre
weiter kein Vortheil im Vergleiche mit der Steuerumlage nach den
verſchiedenen Einkommenszweigen zu erreichen, und die allgemeine
Einkommensſteuer beſtünde nur dem Namen nach3).
¹⁾ Für eine ſolche als Ideal der Beſteuerung und einzige Steuer: Zachariä,
Vierzig Bücher vom Staate. V 425. Hermes Stück XV. (1822) S. 141–150.
Lips, Ueber die allein wahre und einzige Steuer, die Einkommenstaxe. Erlangen
1812. Keßler, Finanzſyſtem ...... mit dem Geſetzplane zu einer allgemeinen
Einkommensſteuer. Stuttg. 1821. Auch die beiden letzten der drei genannten eng-
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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/748>, abgerufen am 01.11.2024.
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