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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Die besondern Schriften über den politischen Theil der Kameral-
wissenschaften suchen daher entweder, vollgepfropft von antiquarischer
Gelehrsamkeit, die Verwaltungsmaximen der Alten auf die prak-
tischen Verhältnisse späterer Zeit anzuwenden2), oder sie sind
am Grundsatze und dessen consequenter Durchführung mangelhaft3).
Besonders dienten die Maximen als Richtschnur, welchen der Her-
zog von Sully, Minister Heinrichs IV. von Frankreich4), wäh-
rend seiner Verwaltung, und Colbert, Finanzminister Ludwigs XIV.
zu seiner Zeit5) befolgt hatten, welches Lezteren System selbst bis
auf den heutigen Tag der Entwickelung der Kameralwissenschaft
noch hinderlich ist. Da sich aber der Natur der Sache nach das
Polizeiwesen mehr den Kammersachen anschloß (§. 24.) als an die
Rechtswissenschaft, so setzte man diese jenen gegenüber, und nannte
jene zusammen Administration, Administrativwesen, Ver-
waltung, obschon dieser Begriff an sich weiter ist. Die Polizei
in diesem Sinne definirte man daher meistens nur negativ als
diejenigen Administrationsgeschäften, welche nicht das Kammer-
oder Finanzwesen betrafen, und jede positive Definition mußte
nothwendigerweise mißlingen6). Endlich 3) aus der Kameral-
wissenschaft im engeren Sinne, gleichbedeutend mit Finanzwis-
senschaft, unter welcher man die Lehre von der Erhebung und
Verwendung der fürstlichen Einkünfte verstand. Obschon dieser
noch älter war, als die eigentliche Polizeiwissenschaft, so war sie
doch von einer wissenschaftlichen Ausbildung noch ganz fern, weil
sie alle Mängel der kameralistischen Praxis in sich hatte, immer
als eine mehr praktische Kunst betrachtet wurde, und gerade die
Hauptstützen ihrer Bildung, nämlich die Grundsätze von der Natur,
Entstehung, Vermehrung und Verzehrung des Vermögens der Na-
tionen, als Collektivbegriffs der Bürger mit ihren Besitzthümern,
fehlten7). Die bis zum lezten Dritttheile des 18ten Jahrhunderts
herrschende Systematisirung der Kameralwissenschaft war ungefähr
folgende:

I. Oeconomischer Theil und zwar
a) Landwirthschaftslehre, nämlich Landwirthschafts-
lehre im eigentlichen Sinne, Forstwirthschaftslehre und
Bergbaulehre.
b) Stadtwirthschaftslehre, nämlich Technologie und
Handelslehre.
II. Politischer Theil und zwar
a) Polizeiwissenschaft
b) Kameralwissenschaft
im obigen Sinne8).

Die beſondern Schriften über den politiſchen Theil der Kameral-
wiſſenſchaften ſuchen daher entweder, vollgepfropft von antiquariſcher
Gelehrſamkeit, die Verwaltungsmaximen der Alten auf die prak-
tiſchen Verhältniſſe ſpäterer Zeit anzuwenden2), oder ſie ſind
am Grundſatze und deſſen conſequenter Durchführung mangelhaft3).
Beſonders dienten die Maximen als Richtſchnur, welchen der Her-
zog von Sully, Miniſter Heinrichs IV. von Frankreich4), wäh-
rend ſeiner Verwaltung, und Colbert, Finanzminiſter Ludwigs XIV.
zu ſeiner Zeit5) befolgt hatten, welches Lezteren Syſtem ſelbſt bis
auf den heutigen Tag der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft
noch hinderlich iſt. Da ſich aber der Natur der Sache nach das
Polizeiweſen mehr den Kammerſachen anſchloß (§. 24.) als an die
Rechtswiſſenſchaft, ſo ſetzte man dieſe jenen gegenüber, und nannte
jene zuſammen Adminiſtration, Adminiſtrativweſen, Ver-
waltung, obſchon dieſer Begriff an ſich weiter iſt. Die Polizei
in dieſem Sinne definirte man daher meiſtens nur negativ als
diejenigen Adminiſtrationsgeſchäften, welche nicht das Kammer-
oder Finanzweſen betrafen, und jede poſitive Definition mußte
nothwendigerweiſe mißlingen6). Endlich 3) aus der Kameral-
wiſſenſchaft im engeren Sinne, gleichbedeutend mit Finanzwiſ-
ſenſchaft, unter welcher man die Lehre von der Erhebung und
Verwendung der fürſtlichen Einkünfte verſtand. Obſchon dieſer
noch älter war, als die eigentliche Polizeiwiſſenſchaft, ſo war ſie
doch von einer wiſſenſchaftlichen Ausbildung noch ganz fern, weil
ſie alle Mängel der kameraliſtiſchen Praxis in ſich hatte, immer
als eine mehr praktiſche Kunſt betrachtet wurde, und gerade die
Hauptſtützen ihrer Bildung, nämlich die Grundſätze von der Natur,
Entſtehung, Vermehrung und Verzehrung des Vermögens der Na-
tionen, als Collektivbegriffs der Bürger mit ihren Beſitzthümern,
fehlten7). Die bis zum lezten Dritttheile des 18ten Jahrhunderts
herrſchende Syſtematiſirung der Kameralwiſſenſchaft war ungefähr
folgende:

I. Oeconomiſcher Theil und zwar
a) Landwirthſchaftslehre, nämlich Landwirthſchafts-
lehre im eigentlichen Sinne, Forſtwirthſchaftslehre und
Bergbaulehre.
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[37/0059] Die beſondern Schriften über den politiſchen Theil der Kameral- wiſſenſchaften ſuchen daher entweder, vollgepfropft von antiquariſcher Gelehrſamkeit, die Verwaltungsmaximen der Alten auf die prak- tiſchen Verhältniſſe ſpäterer Zeit anzuwenden2), oder ſie ſind am Grundſatze und deſſen conſequenter Durchführung mangelhaft3). Beſonders dienten die Maximen als Richtſchnur, welchen der Her- zog von Sully, Miniſter Heinrichs IV. von Frankreich4), wäh- rend ſeiner Verwaltung, und Colbert, Finanzminiſter Ludwigs XIV. zu ſeiner Zeit5) befolgt hatten, welches Lezteren Syſtem ſelbſt bis auf den heutigen Tag der Entwickelung der Kameralwiſſenſchaft noch hinderlich iſt. Da ſich aber der Natur der Sache nach das Polizeiweſen mehr den Kammerſachen anſchloß (§. 24.) als an die Rechtswiſſenſchaft, ſo ſetzte man dieſe jenen gegenüber, und nannte jene zuſammen Adminiſtration, Adminiſtrativweſen, Ver- waltung, obſchon dieſer Begriff an ſich weiter iſt. Die Polizei in dieſem Sinne definirte man daher meiſtens nur negativ als diejenigen Adminiſtrationsgeſchäften, welche nicht das Kammer- oder Finanzweſen betrafen, und jede poſitive Definition mußte nothwendigerweiſe mißlingen6). Endlich 3) aus der Kameral- wiſſenſchaft im engeren Sinne, gleichbedeutend mit Finanzwiſ- ſenſchaft, unter welcher man die Lehre von der Erhebung und Verwendung der fürſtlichen Einkünfte verſtand. Obſchon dieſer noch älter war, als die eigentliche Polizeiwiſſenſchaft, ſo war ſie doch von einer wiſſenſchaftlichen Ausbildung noch ganz fern, weil ſie alle Mängel der kameraliſtiſchen Praxis in ſich hatte, immer als eine mehr praktiſche Kunſt betrachtet wurde, und gerade die Hauptſtützen ihrer Bildung, nämlich die Grundſätze von der Natur, Entſtehung, Vermehrung und Verzehrung des Vermögens der Na- tionen, als Collektivbegriffs der Bürger mit ihren Beſitzthümern, fehlten7). Die bis zum lezten Dritttheile des 18ten Jahrhunderts herrſchende Syſtematiſirung der Kameralwiſſenſchaft war ungefähr folgende: I. Oeconomiſcher Theil und zwar a) Landwirthſchaftslehre, nämlich Landwirthſchafts- lehre im eigentlichen Sinne, Forſtwirthſchaftslehre und Bergbaulehre. b) Stadtwirthſchaftslehre, nämlich Technologie und Handelslehre. II. Politiſcher Theil und zwar a) Polizeiwiſſenſchaft b) Kameralwiſſenſchaftim obigen Sinne8).

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/59>, abgerufen am 24.11.2024.