Im Alterthume und im Mittelalter war die Wissenschaft über- haupt sichtbar durch ein Streben nach einem Mittelpunkte, nach einer Einheit und durch eine Verallgemeinerung charakterisirt. Im Laufe der Zeiten ist dieser Charakter derselben verschwunden und hat dem Gegentheile Platz gemacht. Das Streben, jenem Mittel- punkte, jener Einheit auszuweichen, die wissenschaftliche Zerle- gungskunst, Absonderung und Vereinzelung charakterisirt besonders unsere Zeit. Die Gründe dieser Erscheinung sind, 1) daß das Studium der Philosophie und des classischen Alterthums und Mit- telalters an Seichtigkeit bis fast zum allmäligen Verschwinden zu- genommen hat; 2) daß ohne solche vorausgegangene philosophische und classische Bildung, ohne welche ächte Wissenschaftlichkeit nicht denkbar ist, zu viel von unseren Schriftstellern selbst zu schaffen versucht wird; 3) daß die so entstandene viele einzelne Wissen- schaften einen äusserst hohen Grad von Ausbildung, Erweiterung und Vervollkommnung erreicht haben, so daß entweder eine un- vollständige Kenntniß des Einzelnen Folge umfassenden Betriebs der ganzen Wissenschaft, oder die Vernachlässigung des Letzteren Folge der ausgedehnten Einzelkenntnisse ist; und 4) daß unsere ganze Zeit, zufolge des sie charakterisirenden Eigennutzes, nur eine sogenannte praktische, eigentlich wirthschaftliche, Tendenz hat, vermöge welcher sie den Werth der Wissenschaft beurtheilt und diese selber immer mehr ins praktische Leben zu sich herabzieht.
§. 2. Bedürfniß einer Zusammenfassung. Encyclopädie.
Man lehrt und lernt daher mehr nur einzelne Fächer, als die ganze Wissenschaft, und unterläßt diejenigen Vorstudien, welche
Baumstark Encyclopädie. 1
Einleitung.
I. Von dem Weſen der Encyclopädie.
§. 1. Jetziger Stand der Wiſſenſchaftlichkeit.
Im Alterthume und im Mittelalter war die Wiſſenſchaft über- haupt ſichtbar durch ein Streben nach einem Mittelpunkte, nach einer Einheit und durch eine Verallgemeinerung charakteriſirt. Im Laufe der Zeiten iſt dieſer Charakter derſelben verſchwunden und hat dem Gegentheile Platz gemacht. Das Streben, jenem Mittel- punkte, jener Einheit auszuweichen, die wiſſenſchaftliche Zerle- gungskunſt, Abſonderung und Vereinzelung charakteriſirt beſonders unſere Zeit. Die Gründe dieſer Erſcheinung ſind, 1) daß das Studium der Philoſophie und des claſſiſchen Alterthums und Mit- telalters an Seichtigkeit bis faſt zum allmäligen Verſchwinden zu- genommen hat; 2) daß ohne ſolche vorausgegangene philoſophiſche und claſſiſche Bildung, ohne welche ächte Wiſſenſchaftlichkeit nicht denkbar iſt, zu viel von unſeren Schriftſtellern ſelbſt zu ſchaffen verſucht wird; 3) daß die ſo entſtandene viele einzelne Wiſſen- ſchaften einen äuſſerſt hohen Grad von Ausbildung, Erweiterung und Vervollkommnung erreicht haben, ſo daß entweder eine un- vollſtändige Kenntniß des Einzelnen Folge umfaſſenden Betriebs der ganzen Wiſſenſchaft, oder die Vernachläſſigung des Letzteren Folge der ausgedehnten Einzelkenntniſſe iſt; und 4) daß unſere ganze Zeit, zufolge des ſie charakteriſirenden Eigennutzes, nur eine ſogenannte praktiſche, eigentlich wirthſchaftliche, Tendenz hat, vermöge welcher ſie den Werth der Wiſſenſchaft beurtheilt und dieſe ſelber immer mehr ins praktiſche Leben zu ſich herabzieht.
§. 2. Bedürfniß einer Zuſammenfaſſung. Encyclopädie.
Man lehrt und lernt daher mehr nur einzelne Fächer, als die ganze Wiſſenſchaft, und unterläßt diejenigen Vorſtudien, welche
Baumſtark Encyclopädie. 1
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Einleitung.
I. Von dem Weſen der Encyclopädie.
§. 1.
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Im Alterthume und im Mittelalter war die Wiſſenſchaft über-
haupt ſichtbar durch ein Streben nach einem Mittelpunkte, nach
einer Einheit und durch eine Verallgemeinerung charakteriſirt. Im
Laufe der Zeiten iſt dieſer Charakter derſelben verſchwunden und
hat dem Gegentheile Platz gemacht. Das Streben, jenem Mittel-
punkte, jener Einheit auszuweichen, die wiſſenſchaftliche Zerle-
gungskunſt, Abſonderung und Vereinzelung charakteriſirt beſonders
unſere Zeit. Die Gründe dieſer Erſcheinung ſind, 1) daß das
Studium der Philoſophie und des claſſiſchen Alterthums und Mit-
telalters an Seichtigkeit bis faſt zum allmäligen Verſchwinden zu-
genommen hat; 2) daß ohne ſolche vorausgegangene philoſophiſche
und claſſiſche Bildung, ohne welche ächte Wiſſenſchaftlichkeit nicht
denkbar iſt, zu viel von unſeren Schriftſtellern ſelbſt zu ſchaffen
verſucht wird; 3) daß die ſo entſtandene viele einzelne Wiſſen-
ſchaften einen äuſſerſt hohen Grad von Ausbildung, Erweiterung
und Vervollkommnung erreicht haben, ſo daß entweder eine un-
vollſtändige Kenntniß des Einzelnen Folge umfaſſenden Betriebs
der ganzen Wiſſenſchaft, oder die Vernachläſſigung des Letzteren
Folge der ausgedehnten Einzelkenntniſſe iſt; und 4) daß unſere
ganze Zeit, zufolge des ſie charakteriſirenden Eigennutzes, nur eine
ſogenannte praktiſche, eigentlich wirthſchaftliche, Tendenz hat,
vermöge welcher ſie den Werth der Wiſſenſchaft beurtheilt und dieſe
ſelber immer mehr ins praktiſche Leben zu ſich herabzieht.
§. 2.
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Man lehrt und lernt daher mehr nur einzelne Fächer, als die
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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/23>, abgerufen am 23.11.2024.
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