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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Begriff des ew'gen Raumes stand, pba_079.002
Wer sah hinauf zur Sternenbühne, pba_079.003
Der ihn nicht ahnend schon empfand?

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Freilich, sobald der solchergestalt empfangene Gedanke nun selbständig pba_079.005
hervortritt, geht er fortan seine eigenen Wege und entwickelt sich streng pba_079.006
nach seinen eigenen Gesetzen. Hier hat die Kunst nichts mit ihm zu pba_079.007
schaffen; doch es kommt ein Moment, wo jene gestörte Gemeinschaft sich pba_079.008
wiederherstellt. Wenn der Gedanke seine erste Entstehung der Anregung pba_079.009
durch die Empfindung verdankt, so bewirkt er, sobald seine Arbeit gethan pba_079.010
und er zur vollen Reife gelangt ist, nun wiederum eine Erregung des pba_079.011
Gefühles: und hier ist es, wo ihm die Kunst aufs Neue begegnet.

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Nach des Aristoteles erhabener Lehre begegnen sich alle Energien, pba_079.013
deren die menschlichen Kräfte fähig sind, darin, daß sie, zur Vollendung pba_079.014
gelangt, d. h. in der vollkommensten Weise an den vollkommensten Objekten pba_079.015
ausgeübt, die Seele mit dem reinen Gefühle der Lust, der Hedone, pba_079.016
erfüllen. Aber nicht von jenem einen, allgemeinen Gefühl der Freude, pba_079.017
das jede angestrengte und erfolgreiche Bethätigung des Denkvermögens pba_079.018
begleitet, ist hier die Rede, sondern von den zahllos verschiedenen Empfindungen pba_079.019
und Gemütsstimmungen, mit denen die Errungenschaften des pba_079.020
Denkens, wie ebensoviel Erlebnisse oder Ereignisse des äußeren Lebens, pba_079.021
die intellektuell gebildete Seele bewegen. Denn der Gedanke, wie er pba_079.022
ursprünglich aus den gestalt- und farbenreichen Bildern des Lebens pba_079.023
empfangen und abstrahiert ist, so erweckt er, zur Klarheit und Festigkeit hindurchgedrungen, pba_079.024
sogleich wieder das lebensvolle Bild seiner Verkörperung. pba_079.025
Dieses volle Anschauen der Verwirklichung seiner kühnsten Gedanken ist pba_079.026
es, welches den schöpferischen Geist zu seinen Thaten treibt; solche pba_079.027
Bilder, in solchem Anschauen nun auch den Andern vor Augen gestellt, pba_079.028
entzünden auch in ihnen den gleichen Gedanken und treiben auch sie pba_079.029
zur That; oder, falls der Gegenstand oder ihre Kräfte das nicht zulassen, pba_079.030
sie stellen sie auf die Höhe der Empfindung, sie erfüllen sie mit dem pba_079.031
edlen Ethos, mit welchem die Klarheit des Gedankens jenen durchdrang. pba_079.032
Die wissenschaftliche Mitteilung des Weges, den die Denkthätigkeit bei pba_079.033
ihrer Operation eingeschlagen hat, vermag das zunächst noch nicht; sie pba_079.034
vermag nur die Möglichkeit, die Bereitschaft dazu hervorzubringen; ob pba_079.035
jener dieselbe begleitende Aufschwung des erregten Gefühles nun auch pba_079.036
eintritt, bleibt ungewiß. Das Umgekehrte findet hier statt: nur die pba_079.037
Resultate des Denkens werden mitgeteilt, ihre Herleitung bleibt verschwiegen, pba_079.038
somit kann auch eigentliche Kenntnis dadurch nicht weiter pba_079.039
getragen werden; diese Mitteilung ist ferner keine direkte, sondern pba_079.040
sie erfolgt durch die Darstellung jener Vorstellungsreihe, welche der ge-

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Begriff des ew'gen Raumes stand, pba_079.002
Wer sah hinauf zur Sternenbühne, pba_079.003
Der ihn nicht ahnend schon empfand?

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Freilich, sobald der solchergestalt empfangene Gedanke nun selbständig pba_079.005
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durch die Empfindung verdankt, so bewirkt er, sobald seine Arbeit gethan pba_079.010
und er zur vollen Reife gelangt ist, nun wiederum eine Erregung des pba_079.011
Gefühles: und hier ist es, wo ihm die Kunst aufs Neue begegnet.

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Nach des Aristoteles erhabener Lehre begegnen sich alle Energien, pba_079.013
deren die menschlichen Kräfte fähig sind, darin, daß sie, zur Vollendung pba_079.014
gelangt, d. h. in der vollkommensten Weise an den vollkommensten Objekten pba_079.015
ausgeübt, die Seele mit dem reinen Gefühle der Lust, der Hedone, pba_079.016
erfüllen. Aber nicht von jenem einen, allgemeinen Gefühl der Freude, pba_079.017
das jede angestrengte und erfolgreiche Bethätigung des Denkvermögens pba_079.018
begleitet, ist hier die Rede, sondern von den zahllos verschiedenen Empfindungen pba_079.019
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Denkens, wie ebensoviel Erlebnisse oder Ereignisse des äußeren Lebens, pba_079.021
die intellektuell gebildete Seele bewegen. Denn der Gedanke, wie er pba_079.022
ursprünglich aus den gestalt- und farbenreichen Bildern des Lebens pba_079.023
empfangen und abstrahiert ist, so erweckt er, zur Klarheit und Festigkeit hindurchgedrungen, pba_079.024
sogleich wieder das lebensvolle Bild seiner Verkörperung. pba_079.025
Dieses volle Anschauen der Verwirklichung seiner kühnsten Gedanken ist pba_079.026
es, welches den schöpferischen Geist zu seinen Thaten treibt; solche pba_079.027
Bilder, in solchem Anschauen nun auch den Andern vor Augen gestellt, pba_079.028
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sie stellen sie auf die Höhe der Empfindung, sie erfüllen sie mit dem pba_079.031
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Die wissenschaftliche Mitteilung des Weges, den die Denkthätigkeit bei pba_079.033
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/97>, abgerufen am 22.11.2024.