pba_685.001 Methode der komischen Nachahmung angewendet haben, zumal da das pba_685.002 Bild ein vortrefflich passendes, übrigens auch uns Neueren keineswegs pba_685.003 fremdes ist? Also: die Komödie darf sich nicht begnügen, die Gebrechen pba_685.004 der Einzelnen, wie sie im Leben vorkommen (ta prosonta), zu pba_685.005 schmähen oder sie spottend der Verachtung preiszugeben, sie "bedarf" pba_685.006 eines andern, mehreren: sie soll sie gleichsam im Spiegel auffangenpba_685.007 und so, losgelöst von der Einzelerscheinung, zum Gesamtbilde pba_685.008 vereinigt, d. i. ihre Erscheinung an sich, in ihrer pba_685.009 Allgemeingültigkeit (to katholou) nachahmend vorführen. Die pba_685.010 Handlung der Komödie stellt die Gebrechen der Menschen gleichsam pba_685.011 im Spiegelbilde dar und läßt sie aus dem wiedergespiegelten pba_685.012 Bilde als solche erkennen, ohne sie direkt zu schmähen und ohne pba_685.013 die Absicht sie verächtlich zu machen. Ja, sie erreicht ihre Absicht um pba_685.014 so besser, je weiter sie sich von der offenen Schmähung und dem direkten pba_685.015 Spott, der nur eine besondere Art der Schmähung ist (vgl. Nikom. Eth. pba_685.016 1128a 30) entfernt hält.
pba_685.017 Welches ist denn nun aber ihre Absicht?
pba_685.018 Hier tritt der dritte Satz unseres Fragmentes ein, der sich mit pba_685.019 unverkennbarer Deutlichkeit als ein Referat aus dem Texte, den pba_685.020 der Excerptor vor sich hatte, kennzeichnet. Hier sagt er nicht mehr "die pba_685.021 Komödie will dies oder das", sondern er berichtet, offenbar als Summe pba_685.022 und Resultat einer längeren, ihm vorliegenden Ausführung, deren pba_685.023 Wiedergabe für sein kurz gefaßtes Schema nicht angänglich war, was pba_685.024 "Er", nämlich was sein Autor, was also Aristoteles "will". Es ist pba_685.025 dem Excerptor aber gelungen, dieses Resultat in aller Kürze schlagend pba_685.026 zusammenzufassen:
pba_685.027 § 6. Summetra tou phobou thelei einai en tais tragodiais, pba_685.028 kai tou geloiou en tais komodiais.
pba_685.029 "Er will, daß in den Tragödien ein Element vorhanden sei, pba_685.030 das der Furcht, und in den Komödien ein solches, das dem Lächerlichen pba_685.031 ebenmäßig die Wage halte."
pba_685.032 Es ist klar, daß dieser Satz aus dem Mittelpunkt der aristotelischen pba_685.033 Erörterungen über das Wesen der Katharsis geschöpft ist. Also: wie pba_685.034 Aristoteles es verlangt, daß in der Tragödie "etwas" vorhanden sei, pba_685.035 das mit dem Affekt der Furcht in das Verhältnis des Ebenmaßespba_685.036 trete, das also doch nur ein der Furcht verwandter Affekt sein kann, pba_685.037 fähig ein solches Reciprocitätsverhältnis mit ihr einzugehen, so verlangt pba_685.038 er für die Komödie dem Lächerlichen gegenüber einen solchen verwandtenpba_685.039 Affekt, der fähig sei mit ihm in das Verhältnis des Ebenmaßespba_685.040 zu treten, d. h. sowohl auf jenes in diesem Sinne
pba_685.001 Methode der komischen Nachahmung angewendet haben, zumal da das pba_685.002 Bild ein vortrefflich passendes, übrigens auch uns Neueren keineswegs pba_685.003 fremdes ist? Also: die Komödie darf sich nicht begnügen, die Gebrechen pba_685.004 der Einzelnen, wie sie im Leben vorkommen (τὰ προσόντα), zu pba_685.005 schmähen oder sie spottend der Verachtung preiszugeben, sie „bedarf“ pba_685.006 eines andern, mehreren: sie soll sie gleichsam im Spiegel auffangenpba_685.007 und so, losgelöst von der Einzelerscheinung, zum Gesamtbilde pba_685.008 vereinigt, d. i. ihre Erscheinung an sich, in ihrer pba_685.009 Allgemeingültigkeit (τὸ καθόλου) nachahmend vorführen. Die pba_685.010 Handlung der Komödie stellt die Gebrechen der Menschen gleichsam pba_685.011 im Spiegelbilde dar und läßt sie aus dem wiedergespiegelten pba_685.012 Bilde als solche erkennen, ohne sie direkt zu schmähen und ohne pba_685.013 die Absicht sie verächtlich zu machen. Ja, sie erreicht ihre Absicht um pba_685.014 so besser, je weiter sie sich von der offenen Schmähung und dem direkten pba_685.015 Spott, der nur eine besondere Art der Schmähung ist (vgl. Nikom. Eth. pba_685.016 1128a 30) entfernt hält.
pba_685.017 Welches ist denn nun aber ihre Absicht?
pba_685.018 Hier tritt der dritte Satz unseres Fragmentes ein, der sich mit pba_685.019 unverkennbarer Deutlichkeit als ein Referat aus dem Texte, den pba_685.020 der Excerptor vor sich hatte, kennzeichnet. Hier sagt er nicht mehr „die pba_685.021 Komödie will dies oder das“, sondern er berichtet, offenbar als Summe pba_685.022 und Resultat einer längeren, ihm vorliegenden Ausführung, deren pba_685.023 Wiedergabe für sein kurz gefaßtes Schema nicht angänglich war, was pba_685.024 „Er“, nämlich was sein Autor, was also Aristoteles „will“. Es ist pba_685.025 dem Excerptor aber gelungen, dieses Resultat in aller Kürze schlagend pba_685.026 zusammenzufassen:
pba_685.029 „Er will, daß in den Tragödien ein Element vorhanden sei, pba_685.030 das der Furcht, und in den Komödien ein solches, das dem Lächerlichen pba_685.031 ebenmäßig die Wage halte.“
pba_685.032 Es ist klar, daß dieser Satz aus dem Mittelpunkt der aristotelischen pba_685.033 Erörterungen über das Wesen der Katharsis geschöpft ist. Also: wie pba_685.034 Aristoteles es verlangt, daß in der Tragödie „etwas“ vorhanden sei, pba_685.035 das mit dem Affekt der Furcht in das Verhältnis des Ebenmaßespba_685.036 trete, das also doch nur ein der Furcht verwandter Affekt sein kann, pba_685.037 fähig ein solches Reciprocitätsverhältnis mit ihr einzugehen, so verlangt pba_685.038 er für die Komödie dem Lächerlichen gegenüber einen solchen verwandtenpba_685.039 Affekt, der fähig sei mit ihm in das Verhältnis des Ebenmaßespba_685.040 zu treten, d. h. sowohl auf jenes in diesem Sinne
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pba_685.001
Methode der komischen Nachahmung angewendet haben, zumal da das pba_685.002
Bild ein vortrefflich passendes, übrigens auch uns Neueren keineswegs pba_685.003
fremdes ist? Also: die Komödie darf sich nicht begnügen, die Gebrechen pba_685.004
der Einzelnen, wie sie im Leben vorkommen (τὰ προσόντα), zu pba_685.005
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eines andern, mehreren: sie soll sie gleichsam im Spiegel auffangen pba_685.007
und so, losgelöst von der Einzelerscheinung, zum Gesamtbilde pba_685.008
vereinigt, d. i. ihre Erscheinung an sich, in ihrer pba_685.009
Allgemeingültigkeit (τὸ καθόλου) nachahmend vorführen. Die pba_685.010
Handlung der Komödie stellt die Gebrechen der Menschen gleichsam pba_685.011
im Spiegelbilde dar und läßt sie aus dem wiedergespiegelten pba_685.012
Bilde als solche erkennen, ohne sie direkt zu schmähen und ohne pba_685.013
die Absicht sie verächtlich zu machen. Ja, sie erreicht ihre Absicht um pba_685.014
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pba_685.018
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Komödie will dies oder das“, sondern er berichtet, offenbar als Summe pba_685.022
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dem Excerptor aber gelungen, dieses Resultat in aller Kürze schlagend pba_685.026
zusammenzufassen:
pba_685.027
§ 6. Σύμμετρα τοῦ φόβου θέλει εἶναι ἐν ταῖς τραγῳδίαις, pba_685.028
καὶ τοῦ γελοίου ἐν ταῖς κωμῳδίαις.
pba_685.029
„Er will, daß in den Tragödien ein Element vorhanden sei, pba_685.030
das der Furcht, und in den Komödien ein solches, das dem Lächerlichen pba_685.031
ebenmäßig die Wage halte.“
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Es ist klar, daß dieser Satz aus dem Mittelpunkt der aristotelischen pba_685.033
Erörterungen über das Wesen der Katharsis geschöpft ist. Also: wie pba_685.034
Aristoteles es verlangt, daß in der Tragödie „etwas“ vorhanden sei, pba_685.035
das mit dem Affekt der Furcht in das Verhältnis des Ebenmaßes pba_685.036
trete, das also doch nur ein der Furcht verwandter Affekt sein kann, pba_685.037
fähig ein solches Reciprocitätsverhältnis mit ihr einzugehen, so verlangt pba_685.038
er für die Komödie dem Lächerlichen gegenüber einen solchen verwandten pba_685.039
Affekt, der fähig sei mit ihm in das Verhältnis des Ebenmaßes pba_685.040
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/703>, abgerufen am 22.11.2024.
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