Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

pba_597.001
Jsabella selbst unmittelbar nach dem Eintritt der Katastrophe am pba_597.002
Schlusse des fünften Auftritts des vierten Aktes:

pba_597.003
Komm, meine Tochter! Hier ist unsers Bleibens pba_597.004
Nicht mehr -- den Rachegeistern überlass' ich pba_597.005
Dies Haus. -- Ein Frevel führte mich herein, pba_597.006
Ein Frevel treibt mich aus. -- Mit Widerwillen pba_597.007
Hab' ich's betreten und mit Furcht bewohnt, pba_597.008
Und in Verzweiflung räum' ich's. -- Alles dies pba_597.009
Erleid' ich schuldlos; doch bei Ehren bleiben pba_597.010
Die Orakel, und gerettet sind die Götter.

pba_597.011
Aber schon am Schlusse des ersten Aufzuges hat der Chor über pba_597.012
den verborgenen Grund des im Fürstenhause heimischen Unglücks genauen pba_597.013
Aufschluß gegeben, da er den heimlichen Bund Manuels mit pba_597.014
Beatrice und den Raub derselben durch ihn in ahnungsvollem Ernste pba_597.015
mißbilligt:

pba_597.016
Nicht Wahrsagung reden soll mein Mund; pba_597.017
Aber sehr mißfällt mir dies Geheime, pba_597.018
Dieser Ehe segenloser Bund, pba_597.019
Diese lichtscheu krummen Liebespfade, pba_597.020
Dieses Klosterraubs verwegne That; pba_597.021
Denn das Gute liebt sich das Gerade, pba_597.022
Böse Früchte trägt die böse Saat.
pba_597.023
Auch ein Raub war's, wie wir alle wissen, pba_597.024
Der des alten Fürsten ehliches Gemahl pba_597.025
Jn ein frevelnd Ehebett gerissen, pba_597.026
Denn sie war des Vaters Wahl. pba_597.027
Und der Ahnherr schüttelte im Zorne pba_597.028
Grauenvoller Flüche schrecklichen Samen pba_597.029
Auf das sündige Ehebett aus. pba_597.030
Greuelthaten ohne Namen, pba_597.031
Schwarze Verbrechen verbirgt dies Haus.
pba_597.032
Ja, es hat nicht gut begonnen, pba_597.033
Glaubt mir, und es endet nicht gut; pba_597.034
Denn gebüßt wird unter der Sonnen pba_597.035
Jede That der verblendeten Wut. pba_597.036
Es ist kein Zufall und blindes Los, pba_597.037
Daß die Brüder sich wütend selbst zerstören; pba_597.038
Denn verflucht ward der Mutter Schoß, pba_597.039
Sie sollte den Haß und den Streit gebären. pba_597.040
-- Aber ich will es schweigend verhüllen, pba_597.041
Denn die Rachegötter schaffen im stillen; pba_597.042
Zeit ist's die Unfälle zu beweinen, pba_597.043
Wenn sie nahen und wirklich erscheinen.

pba_597.001
Jsabella selbst unmittelbar nach dem Eintritt der Katastrophe am pba_597.002
Schlusse des fünften Auftritts des vierten Aktes:

pba_597.003
Komm, meine Tochter! Hier ist unsers Bleibens pba_597.004
Nicht mehr — den Rachegeistern überlass' ich pba_597.005
Dies Haus. — Ein Frevel führte mich herein, pba_597.006
Ein Frevel treibt mich aus. — Mit Widerwillen pba_597.007
Hab' ich's betreten und mit Furcht bewohnt, pba_597.008
Und in Verzweiflung räum' ich's. — Alles dies pba_597.009
Erleid' ich schuldlos; doch bei Ehren bleiben pba_597.010
Die Orakel, und gerettet sind die Götter.

pba_597.011
Aber schon am Schlusse des ersten Aufzuges hat der Chor über pba_597.012
den verborgenen Grund des im Fürstenhause heimischen Unglücks genauen pba_597.013
Aufschluß gegeben, da er den heimlichen Bund Manuels mit pba_597.014
Beatrice und den Raub derselben durch ihn in ahnungsvollem Ernste pba_597.015
mißbilligt:

pba_597.016
Nicht Wahrsagung reden soll mein Mund; pba_597.017
Aber sehr mißfällt mir dies Geheime, pba_597.018
Dieser Ehe segenloser Bund, pba_597.019
Diese lichtscheu krummen Liebespfade, pba_597.020
Dieses Klosterraubs verwegne That; pba_597.021
Denn das Gute liebt sich das Gerade, pba_597.022
Böse Früchte trägt die böse Saat.
pba_597.023
Auch ein Raub war's, wie wir alle wissen, pba_597.024
Der des alten Fürsten ehliches Gemahl pba_597.025
Jn ein frevelnd Ehebett gerissen, pba_597.026
Denn sie war des Vaters Wahl. pba_597.027
Und der Ahnherr schüttelte im Zorne pba_597.028
Grauenvoller Flüche schrecklichen Samen pba_597.029
Auf das sündige Ehebett aus. pba_597.030
Greuelthaten ohne Namen, pba_597.031
Schwarze Verbrechen verbirgt dies Haus.
pba_597.032
Ja, es hat nicht gut begonnen, pba_597.033
Glaubt mir, und es endet nicht gut; pba_597.034
Denn gebüßt wird unter der Sonnen pba_597.035
Jede That der verblendeten Wut. pba_597.036
Es ist kein Zufall und blindes Los, pba_597.037
Daß die Brüder sich wütend selbst zerstören; pba_597.038
Denn verflucht ward der Mutter Schoß, pba_597.039
Sie sollte den Haß und den Streit gebären. pba_597.040
— Aber ich will es schweigend verhüllen, pba_597.041
Denn die Rachegötter schaffen im stillen; pba_597.042
Zeit ist's die Unfälle zu beweinen, pba_597.043
Wenn sie nahen und wirklich erscheinen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0615" n="597"/><lb n="pba_597.001"/><hi rendition="#g">Jsabella</hi> selbst unmittelbar nach dem Eintritt der Katastrophe am <lb n="pba_597.002"/>
Schlusse des fünften Auftritts des vierten Aktes:</p>
        <lb n="pba_597.003"/>
        <lg>
          <l>Komm, meine Tochter! Hier ist unsers Bleibens</l>
          <lb n="pba_597.004"/>
          <l>Nicht mehr &#x2014; den Rachegeistern überlass' ich</l>
          <lb n="pba_597.005"/>
          <l>Dies Haus. &#x2014; Ein Frevel führte mich herein,</l>
          <lb n="pba_597.006"/>
          <l>Ein Frevel treibt mich aus. &#x2014; Mit Widerwillen</l>
          <lb n="pba_597.007"/>
          <l>Hab' ich's betreten und mit Furcht bewohnt,</l>
          <lb n="pba_597.008"/>
          <l>Und in Verzweiflung räum' ich's. &#x2014; <hi rendition="#g">Alles dies</hi></l>
          <lb n="pba_597.009"/>
          <l><hi rendition="#g">Erleid' ich schuldlos;</hi> doch bei Ehren bleiben</l>
          <lb n="pba_597.010"/>
          <l>Die Orakel, und gerettet sind die Götter.</l>
        </lg>
        <p><lb n="pba_597.011"/>
Aber schon am Schlusse des ersten Aufzuges hat der Chor über <lb n="pba_597.012"/>
den verborgenen Grund des im Fürstenhause heimischen Unglücks genauen <lb n="pba_597.013"/>
Aufschluß gegeben, da er den heimlichen Bund Manuels mit <lb n="pba_597.014"/>
Beatrice und den Raub derselben durch ihn in ahnungsvollem Ernste <lb n="pba_597.015"/>
mißbilligt:</p>
        <lb n="pba_597.016"/>
        <lg>
          <l>Nicht Wahrsagung reden soll mein Mund;</l>
          <lb n="pba_597.017"/>
          <l>Aber <hi rendition="#g">sehr mißfällt mir dies Geheime,</hi></l>
          <lb n="pba_597.018"/>
          <l>Dieser Ehe segenloser Bund,</l>
          <lb n="pba_597.019"/>
          <l>Diese lichtscheu krummen Liebespfade,</l>
          <lb n="pba_597.020"/>
          <l>Dieses Klosterraubs verwegne That;</l>
          <lb n="pba_597.021"/>
          <l>Denn das Gute liebt sich das Gerade,</l>
          <lb n="pba_597.022"/>
          <l>Böse Früchte trägt die böse Saat. </l>
        </lg>
        <lg>
          <lb n="pba_597.023"/>
          <l>Auch ein Raub war's, wie wir alle wissen,</l>
          <lb n="pba_597.024"/>
          <l>Der des alten Fürsten ehliches Gemahl</l>
          <lb n="pba_597.025"/>
          <l>Jn ein frevelnd Ehebett gerissen,</l>
          <lb n="pba_597.026"/>
          <l>Denn sie war des Vaters Wahl.</l>
          <lb n="pba_597.027"/>
          <l>Und der Ahnherr schüttelte im Zorne</l>
          <lb n="pba_597.028"/>
          <l>Grauenvoller Flüche schrecklichen Samen</l>
          <lb n="pba_597.029"/>
          <l>Auf das sündige Ehebett aus.</l>
          <lb n="pba_597.030"/>
          <l>Greuelthaten ohne Namen,</l>
          <lb n="pba_597.031"/>
          <l>Schwarze Verbrechen verbirgt dies Haus. </l>
        </lg>
        <lg>
          <lb n="pba_597.032"/>
          <l>Ja, es hat nicht gut begonnen,</l>
          <lb n="pba_597.033"/>
          <l>Glaubt mir, und es endet nicht gut;</l>
          <lb n="pba_597.034"/>
          <l>Denn gebüßt wird unter der Sonnen</l>
          <lb n="pba_597.035"/>
          <l>Jede That der verblendeten Wut.</l>
          <lb n="pba_597.036"/>
          <l>Es ist kein Zufall und blindes Los,</l>
          <lb n="pba_597.037"/>
          <l>Daß die Brüder sich wütend selbst zerstören;</l>
          <lb n="pba_597.038"/>
          <l>Denn verflucht ward der Mutter Schoß,</l>
          <lb n="pba_597.039"/>
          <l>Sie sollte den Haß und den Streit gebären.</l>
          <lb n="pba_597.040"/>
          <l>&#x2014; Aber ich will es schweigend verhüllen,</l>
          <lb n="pba_597.041"/>
          <l>Denn die Rachegötter schaffen im stillen;</l>
          <lb n="pba_597.042"/>
          <l>Zeit ist's die Unfälle zu beweinen,</l>
          <lb n="pba_597.043"/>
          <l>Wenn sie nahen und wirklich erscheinen.</l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[597/0615] pba_597.001 Jsabella selbst unmittelbar nach dem Eintritt der Katastrophe am pba_597.002 Schlusse des fünften Auftritts des vierten Aktes: pba_597.003 Komm, meine Tochter! Hier ist unsers Bleibens pba_597.004 Nicht mehr — den Rachegeistern überlass' ich pba_597.005 Dies Haus. — Ein Frevel führte mich herein, pba_597.006 Ein Frevel treibt mich aus. — Mit Widerwillen pba_597.007 Hab' ich's betreten und mit Furcht bewohnt, pba_597.008 Und in Verzweiflung räum' ich's. — Alles dies pba_597.009 Erleid' ich schuldlos; doch bei Ehren bleiben pba_597.010 Die Orakel, und gerettet sind die Götter. pba_597.011 Aber schon am Schlusse des ersten Aufzuges hat der Chor über pba_597.012 den verborgenen Grund des im Fürstenhause heimischen Unglücks genauen pba_597.013 Aufschluß gegeben, da er den heimlichen Bund Manuels mit pba_597.014 Beatrice und den Raub derselben durch ihn in ahnungsvollem Ernste pba_597.015 mißbilligt: pba_597.016 Nicht Wahrsagung reden soll mein Mund; pba_597.017 Aber sehr mißfällt mir dies Geheime, pba_597.018 Dieser Ehe segenloser Bund, pba_597.019 Diese lichtscheu krummen Liebespfade, pba_597.020 Dieses Klosterraubs verwegne That; pba_597.021 Denn das Gute liebt sich das Gerade, pba_597.022 Böse Früchte trägt die böse Saat. pba_597.023 Auch ein Raub war's, wie wir alle wissen, pba_597.024 Der des alten Fürsten ehliches Gemahl pba_597.025 Jn ein frevelnd Ehebett gerissen, pba_597.026 Denn sie war des Vaters Wahl. pba_597.027 Und der Ahnherr schüttelte im Zorne pba_597.028 Grauenvoller Flüche schrecklichen Samen pba_597.029 Auf das sündige Ehebett aus. pba_597.030 Greuelthaten ohne Namen, pba_597.031 Schwarze Verbrechen verbirgt dies Haus. pba_597.032 Ja, es hat nicht gut begonnen, pba_597.033 Glaubt mir, und es endet nicht gut; pba_597.034 Denn gebüßt wird unter der Sonnen pba_597.035 Jede That der verblendeten Wut. pba_597.036 Es ist kein Zufall und blindes Los, pba_597.037 Daß die Brüder sich wütend selbst zerstören; pba_597.038 Denn verflucht ward der Mutter Schoß, pba_597.039 Sie sollte den Haß und den Streit gebären. pba_597.040 — Aber ich will es schweigend verhüllen, pba_597.041 Denn die Rachegötter schaffen im stillen; pba_597.042 Zeit ist's die Unfälle zu beweinen, pba_597.043 Wenn sie nahen und wirklich erscheinen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/615
Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/615>, abgerufen am 02.05.2024.