Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_020.001 pba_020.005 pba_020.015 pba_020.025 pba_020.035 1 pba_020.036
Vgl. Aristoteles, Politic. VII, c. 5, 1340a 32: eti de ouk eoti tauta (sc. pba_020.037 ta skhemata) omoiomata ton ethon, alla semeia mallon ta gignomena skhe- pba_020.038 mata kai khromata ton ethon. kai taut' estin epi tou somatos en pba_020.039 tois pathesin. pba_020.001 pba_020.005 pba_020.015 pba_020.025 pba_020.035 1 pba_020.036
Vgl. Aristoteles, Politic. VII, c. 5, 1340a 32: ἔτι δὲ οὐκ ἔότι ταῦτα (sc. pba_020.037 τὰ σχήματα) ὁμοιώματα τῶν ἠθῶν, ἀλλὰ σημεῖα μᾶλλον τὰ γιγνόμενα σχή- pba_020.038 ματα καὶ χρώματα τῶν ἠθῶν. καὶ ταῦτ' ἐστὶν ἐπὶ τοῦ σώματος ἐν pba_020.039 τοῖς πάθεσιν. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038" n="20"/><lb n="pba_020.001"/><foreign xml:lang="grc">ὕλῃ καὶ τρόποις μιμήσεως διαφέρουσι, τέλος δ</foreign>'<foreign xml:lang="grc">ἀμφοτέροις</foreign><foreign xml:lang="grc">\̔εν ὑπόκειται</foreign>. <lb n="pba_020.002"/> „Jm <hi rendition="#g">Material</hi> und in der <hi rendition="#g">Art der Nachahmung</hi> unterscheiden <lb n="pba_020.003"/> sich die Künste, <hi rendition="#g">das Ziel aber, welches sie verfolgen, <lb n="pba_020.004"/> ist beiden gemeinsam!</hi>“</p> <p><lb n="pba_020.005"/> Welches ist nun aber dieses gemeinschaftliche Ziel? Welches <hi rendition="#g">ist der <lb n="pba_020.006"/> Gegenstand</hi> oder <hi rendition="#g">sind die Gegenstände</hi> der Nachahmung in den <lb n="pba_020.007"/> Künsten? Darauf geben Lessings Sätze für die Malerei <hi rendition="#g">direkt</hi> gar keine <lb n="pba_020.008"/> Antwort; nur was die Malerei unter Umständen vermöge ihrer Mittel <lb n="pba_020.009"/> <hi rendition="#g">andeuten</hi> könne, geben sie an; umgekehrt schränken sie die Poesie auch <lb n="pba_020.010"/> in ihren <hi rendition="#g">Gegenständen</hi> auf das einzige Gebiet der <hi rendition="#g">Handlungen</hi> <lb n="pba_020.011"/> ein und lassen ihr nur die Möglichkeit <hi rendition="#g">andeutungsweise</hi> auch <lb n="pba_020.012"/> <hi rendition="#g">Körper</hi> nachzuahmen, welche an sich gar nicht <hi rendition="#g">Gegenstände</hi> der <lb n="pba_020.013"/> künstlerischen Nachahmung sind, sondern nur das <hi rendition="#g">Material,</hi> dessen sich <lb n="pba_020.014"/> eine andere Kunst zu jener Nachahmung bedient.</p> <p><lb n="pba_020.015"/> Denn die Malerei kann vermöge ihrer Mittel den eigentlichen <lb n="pba_020.016"/> Gegenstand ihrer Nachahmung <hi rendition="#g">überhaupt nur andeuten!</hi> So wie <lb n="pba_020.017"/> aus ihren Figuren und Farben eine <hi rendition="#g">Handlung</hi> nur <hi rendition="#g">erraten</hi> werden <lb n="pba_020.018"/> kann, so ist auch in allen andern Fällen ihrer <hi rendition="#g">künstlerischen</hi> Ausübung <lb n="pba_020.019"/> ihr Zweck nicht die Körper um ihrer selbst willen nachzuahmen — <lb n="pba_020.020"/> sofern dieselben lediglich Gegenstände sind, die nebeneinander oder deren <lb n="pba_020.021"/> Teile nebeneinander existieren —, sondern durch dieses Mittel einen <lb n="pba_020.022"/> geistigen, seelischen Jnhalt nachahmend zur Darstellung zu bringen, welcher <lb n="pba_020.023"/> <hi rendition="#g">auch in der Natur</hi> nur auf dieselbe Weise, durch die Zeichen der demselben <lb n="pba_020.024"/> entsprechenden Formen und Farben, sich <hi rendition="#g">andeutend</hi> kundgibt.<note xml:id="pba_020_1" place="foot" n="1"><lb n="pba_020.036"/> Vgl. <hi rendition="#g">Aristoteles</hi>, Politic. VII, c. 5, 1340<hi rendition="#sup">a</hi> 32: <foreign xml:lang="grc">ἔτι δὲ οὐκ ἔότι ταῦτα</foreign> (sc. <lb n="pba_020.037"/> <foreign xml:lang="grc">τὰ σχήματα</foreign>) <foreign xml:lang="grc">ὁμοιώματα τῶν ἠθῶν, ἀλλὰ <hi rendition="#g">σημεῖα</hi></foreign> <foreign xml:lang="grc">μᾶλλον <hi rendition="#g">τὰ γιγνόμενα σχή-</hi></foreign> <lb n="pba_020.038"/> <foreign xml:lang="grc"><hi rendition="#g">ματα καὶ χρώματα τῶν ἠθῶν</hi></foreign>. <foreign xml:lang="grc"><hi rendition="#g">καὶ ταῦτ</hi>' <hi rendition="#g">ἐστὶν</hi></foreign> <foreign xml:lang="grc"><hi rendition="#g">ἐπὶ τοῦ σώματος ἐν</hi></foreign> <lb n="pba_020.039"/> <foreign xml:lang="grc"><hi rendition="#g">τοῖς πάθεσιν</hi></foreign>.</note></p> <p><lb n="pba_020.025"/> Und nicht anders die Poesie! Sie, der nach der Natur ihrer <lb n="pba_020.026"/> Mittel es am besten gelingt Fortschreitendes nachzuahmen, stellt ihre <lb n="pba_020.027"/> äußeren Handlungen <hi rendition="#g">ebensowenig</hi> um ihrer selbst willen dar — sofern <lb n="pba_020.028"/> dieselben nämlich <hi rendition="#g">lediglich</hi> eine Reihe äußerer Veränderungen, Gegenstände, <lb n="pba_020.029"/> deren Teile aufeinander folgen, sind —, sondern in allen Fällen <lb n="pba_020.030"/> ist diese äußere Nachbildung nur das <hi rendition="#g">Material der Nachahmung</hi> <lb n="pba_020.031"/> — die Hyle der Mimesis —; ihr eigentlicher <hi rendition="#g">Gegenstand</hi> ist, wie in <lb n="pba_020.032"/> der bildenden Kunst, geistiger Natur. Diesen seelischen Jnhalt zur <lb n="pba_020.033"/> Empfindung zu bringen ist das beiden Künsten gemeinsame Ziel, das <lb n="pba_020.034"/> <foreign xml:lang="grc">τέλος ἕν</foreign>!</p> <p><lb n="pba_020.035"/> Dieser Jnhalt <hi rendition="#g">kann</hi> nun zwar ebenfalls in einer „Handlung“ </p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0038]
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ὕλῃ καὶ τρόποις μιμήσεως διαφέρουσι, τέλος δ'ἀμφοτέροις \̔εν ὑπόκειται. pba_020.002
„Jm Material und in der Art der Nachahmung unterscheiden pba_020.003
sich die Künste, das Ziel aber, welches sie verfolgen, pba_020.004
ist beiden gemeinsam!“
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Welches ist nun aber dieses gemeinschaftliche Ziel? Welches ist der pba_020.006
Gegenstand oder sind die Gegenstände der Nachahmung in den pba_020.007
Künsten? Darauf geben Lessings Sätze für die Malerei direkt gar keine pba_020.008
Antwort; nur was die Malerei unter Umständen vermöge ihrer Mittel pba_020.009
andeuten könne, geben sie an; umgekehrt schränken sie die Poesie auch pba_020.010
in ihren Gegenständen auf das einzige Gebiet der Handlungen pba_020.011
ein und lassen ihr nur die Möglichkeit andeutungsweise auch pba_020.012
Körper nachzuahmen, welche an sich gar nicht Gegenstände der pba_020.013
künstlerischen Nachahmung sind, sondern nur das Material, dessen sich pba_020.014
eine andere Kunst zu jener Nachahmung bedient.
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Denn die Malerei kann vermöge ihrer Mittel den eigentlichen pba_020.016
Gegenstand ihrer Nachahmung überhaupt nur andeuten! So wie pba_020.017
aus ihren Figuren und Farben eine Handlung nur erraten werden pba_020.018
kann, so ist auch in allen andern Fällen ihrer künstlerischen Ausübung pba_020.019
ihr Zweck nicht die Körper um ihrer selbst willen nachzuahmen — pba_020.020
sofern dieselben lediglich Gegenstände sind, die nebeneinander oder deren pba_020.021
Teile nebeneinander existieren —, sondern durch dieses Mittel einen pba_020.022
geistigen, seelischen Jnhalt nachahmend zur Darstellung zu bringen, welcher pba_020.023
auch in der Natur nur auf dieselbe Weise, durch die Zeichen der demselben pba_020.024
entsprechenden Formen und Farben, sich andeutend kundgibt. 1
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Und nicht anders die Poesie! Sie, der nach der Natur ihrer pba_020.026
Mittel es am besten gelingt Fortschreitendes nachzuahmen, stellt ihre pba_020.027
äußeren Handlungen ebensowenig um ihrer selbst willen dar — sofern pba_020.028
dieselben nämlich lediglich eine Reihe äußerer Veränderungen, Gegenstände, pba_020.029
deren Teile aufeinander folgen, sind —, sondern in allen Fällen pba_020.030
ist diese äußere Nachbildung nur das Material der Nachahmung pba_020.031
— die Hyle der Mimesis —; ihr eigentlicher Gegenstand ist, wie in pba_020.032
der bildenden Kunst, geistiger Natur. Diesen seelischen Jnhalt zur pba_020.033
Empfindung zu bringen ist das beiden Künsten gemeinsame Ziel, das pba_020.034
τέλος ἕν!
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Dieser Jnhalt kann nun zwar ebenfalls in einer „Handlung“
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Vgl. Aristoteles, Politic. VII, c. 5, 1340a 32: ἔτι δὲ οὐκ ἔότι ταῦτα (sc. pba_020.037
τὰ σχήματα) ὁμοιώματα τῶν ἠθῶν, ἀλλὰ σημεῖα μᾶλλον τὰ γιγνόμενα σχή- pba_020.038
ματα καὶ χρώματα τῶν ἠθῶν. καὶ ταῦτ' ἐστὶν ἐπὶ τοῦ σώματος ἐν pba_020.039
τοῖς πάθεσιν.
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