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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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bedient oder der poetischen, ob ihr Jnhalt eigenen Bestand und selbständiges pba_191.002
Jnteresse besitzt oder nicht. Jn dem einen Falle ist die Parabel pba_191.003
vorwiegend didaktisch, im andern eine echte Dichtung; natürlich sind vermittelnde pba_191.004
Übergänge, Vermischungen beider Arten vorhanden, wie pba_191.005
Lessings antigoezische "Parabel" davon ein Beispiel ist. Dabei bleibt pba_191.006
aber zwischen der Parabel und der allegorischen Dichtung ein spezifischer pba_191.007
Unterschied bestehen: die Parabel als Dichtungsgattung hat immer pba_191.008
zum Zweck das Wahre oder Verkehrte des der Vergleichung zu pba_191.009
Grunde liegenden Sinnes durch die von ihr nachgeahmte pba_191.010
Handlung unter der Form des Wohlgefälligen oder Lächerlichen pba_191.011
dem Empfindungsurteil vorzuführen;
bei ihr ist also der pba_191.012
Gegenstand Handlung, sie gehört der epischen Gattung zu; die pba_191.013
Allegorie, als selbständige Dichtungsweise, hat einfach den Zweck pba_191.014
durch treffende Ähnlichkeit ihrer Erfindung mit den wesentlichen pba_191.015
Merkmalen ihres Sinnes denselben überhaupt die pba_191.016
Macht über die Empfindung zu verleihen;
ihr Gegenstand ist pba_191.017
also Empfindungserregung, die Handlung ist ihr nur ein Mittel pba_191.018
dazu; sie gehört somit der lyrischen Gattung zu. Man wird nicht pba_191.019
zweifeln, Gedichte wie "Mahomeds Gesang," "Seefahrt," "Deutscher pba_191.020
Parnaß," oder "Die Teilung der Erde," "Das Mädchen aus der Fremde," pba_191.021
für lyrisch zu erklären, und ebenso wenig sie als Muster allegorischer pba_191.022
Poesie anzuerkennen. Dagegen liegt in den anerkannt besten Parabeln pba_191.023
der epische Charakter klar zu Tage; so in den Lessingschen, in Chamissos pba_191.024
"Kreuzschau," in Rückerts "Mann im Syrerland". Bei Gedichten, pba_191.025
welche bald der einen, bald der andern Gattung zugezählt werden, dürften pba_191.026
in jedem Falle diese Unterscheidungsgründe zu fest bestimmten Urteilen pba_191.027
führen: so trägt z. B. Schillers "Pegasus im Joch" entschieden den pba_191.028
Charakter der Parabel, es ist eine Handlung erzählt, um das durch pba_191.029
dieselbe hervorgerufene Empfindungsurteil auf das ideelle Verhältnis, pba_191.030
für das sie als Vergleichung dient, zu übertragen; dagegen ist z. B. eine pba_191.031
Dichtung, welche immer als Parabel angesprochen wird, Herders "Licht pba_191.032
und Liebe,
"1 ebenso entschieden als bloße Allegorie zu bezeichnen, die pba_191.033
Erdichtung einer Handlung, in deren einzelnen Teilen die Ähnlichkeit pba_191.034
mit der Mosaischen Schöpfungsgeschichte festgehalten ist, wird als Mittel pba_191.035
verwendet, um die Empfindungen des "Lichtes und der Liebe," welche pba_191.036
diese Schöpfung erfüllen, lebendig zu machen.

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Jn ein Wort zusammengefaßt: die Allegorie ist eine Darstellungsweise, pba_191.038
deren sich, wenn sie den Kunstgesetzen gemäß eingerichtet ist, die

1 pba_191.039
S. "Blätter der Vorzeit" (Hempel VI, S. 34).

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bedient oder der poetischen, ob ihr Jnhalt eigenen Bestand und selbständiges pba_191.002
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vorwiegend didaktisch, im andern eine echte Dichtung; natürlich sind vermittelnde pba_191.004
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/209>, abgerufen am 23.11.2024.