Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_120.001 pba_120.003 Hinter Wolken die Sonne zu sehn, gibt trügliche Lichter; pba_120.006 Ohne Wolken sie sehn, blendet und stumpft das Gesicht. pba_120.007 Also schaue du sie hienieden im ruhigen Abglanz; pba_120.008 Thaten lehren uns mehr als ein bezaubernder Blick. pba_120.009 Hinaufgeschaut! -- Der Berge Gipfelriesen pba_120.012 Verkünden schon die feierlichste Stunde; pba_120.013 ............ pba_120.014 Sie tritt hervor! -- und leider schon geblendet pba_120.015 Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen. pba_120.016 ............ pba_120.017 So bleibe denn die Sonne mir im Rücken! pba_120.018 Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend, pba_120.019 Jhn schau' ich an mit wachsendem Entzücken. pba_120.020 ............ pba_120.021 Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend, pba_120.022 Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer, pba_120.023 ............ pba_120.024 Der spiegelt ab das menschliche Bestreben. pba_120.025 Jhm sinne nach und du begreifst genauer: pba_120.026 Am farb'gen Abglanz haben wir das Leben. pba_120.027 pba_120.033 Reformation. pba_120.039 "Wären der Teufel so viel auch als hier Stein' auf den Dächern, pba_120.040
Dennoch wagen wir es!" Also sprach Luther und ging pba_120.001 pba_120.003 Hinter Wolken die Sonne zu sehn, gibt trügliche Lichter; pba_120.006 Ohne Wolken sie sehn, blendet und stumpft das Gesicht. pba_120.007 Also schaue du sie hienieden im ruhigen Abglanz; pba_120.008 Thaten lehren uns mehr als ein bezaubernder Blick. pba_120.009 Hinaufgeschaut! — Der Berge Gipfelriesen pba_120.012 Verkünden schon die feierlichste Stunde; pba_120.013 ............ pba_120.014 Sie tritt hervor! — und leider schon geblendet pba_120.015 Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen. pba_120.016 ............ pba_120.017 So bleibe denn die Sonne mir im Rücken! pba_120.018 Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend, pba_120.019 Jhn schau' ich an mit wachsendem Entzücken. pba_120.020 ............ pba_120.021 Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend, pba_120.022 Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer, pba_120.023 ............ pba_120.024 Der spiegelt ab das menschliche Bestreben. pba_120.025 Jhm sinne nach und du begreifst genauer: pba_120.026 Am farb'gen Abglanz haben wir das Leben. pba_120.027 pba_120.033 Reformation. pba_120.039 „Wären der Teufel so viel auch als hier Stein' auf den Dächern, pba_120.040
Dennoch wagen wir es!“ Also sprach Luther und ging <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0138" n="120"/><lb n="pba_120.001"/> Trockenheit und Plattheit, weil die metrische Form mit dem verstandesmäßigen <lb n="pba_120.002"/> Jnhalt im Widerspruch steht.</p> <p><lb n="pba_120.003"/> Ebenso in dem andern Herder'schen, welches „<hi rendition="#g">Der Abglanz</hi>“ <lb n="pba_120.004"/> überschrieben ist:</p> <lb n="pba_120.005"/> <lg> <l>Hinter Wolken die Sonne zu sehn, gibt trügliche Lichter;</l> <lb n="pba_120.006"/> <l> Ohne Wolken sie sehn, blendet und stumpft das Gesicht.</l> <lb n="pba_120.007"/> <l>Also schaue du sie hienieden im ruhigen Abglanz;</l> <lb n="pba_120.008"/> <l> Thaten lehren uns mehr als ein bezaubernder Blick.</l> </lg> <p><lb n="pba_120.009"/> Jst es nicht, als ob man das matte, kahle Lemma läse zu dem <lb n="pba_120.010"/> herrlichen Monologe im Beginne des zweiten Faust?</p> <lb n="pba_120.011"/> <lg> <l>Hinaufgeschaut! — Der Berge Gipfelriesen</l> <lb n="pba_120.012"/> <l>Verkünden schon die feierlichste Stunde;</l> <lb n="pba_120.013"/> <l>............</l> <lb n="pba_120.014"/> <l>Sie tritt hervor! — und leider schon geblendet</l> <lb n="pba_120.015"/> <l>Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.</l> <lb n="pba_120.016"/> <l>............</l> <lb n="pba_120.017"/> <l>So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!</l> <lb n="pba_120.018"/> <l>Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,</l> <lb n="pba_120.019"/> <l>Jhn schau' ich an mit wachsendem Entzücken.</l> <lb n="pba_120.020"/> <l>............</l> <lb n="pba_120.021"/> <l>Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend,</l> <lb n="pba_120.022"/> <l>Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,</l> <lb n="pba_120.023"/> <l>............</l> <lb n="pba_120.024"/> <l><hi rendition="#g">Der</hi> spiegelt ab das menschliche Bestreben.</l> <lb n="pba_120.025"/> <l>Jhm sinne nach und du begreifst genauer:</l> <lb n="pba_120.026"/> <l>Am farb'gen Abglanz haben wir das Leben.</l> </lg> <p><lb n="pba_120.027"/> Auch bei <hi rendition="#g">Goethe</hi> hat der Abschluß etwas Epigrammatisches; aber <lb n="pba_120.028"/> das gesamte Bild und der daraus hervorspringende Gedanke ist für das <lb n="pba_120.029"/> Epigramm unverwendbar, nicht weil ihm die <hi rendition="#g">Einheit</hi> fehlt — diese <lb n="pba_120.030"/> ist im strengsten Sinne vorhanden — sondern weil durch die <hi rendition="#g">Einseitigkeit,</hi> <lb n="pba_120.031"/> welche das Epigramm gebieterisch verlangt, seine ganze mächtige Wirkung <lb n="pba_120.032"/> auf die Empfindung, durch die allein er poetisch ist, geraubt werden muß.</p> <p><lb n="pba_120.033"/> Freilich fehlt den beiden citierten Epigrammen noch mehr: sie ermangeln <lb n="pba_120.034"/> zugleich in ihrem ersten Teile der Anschaulichkeit und Gegenwart <lb n="pba_120.035"/> der sinnlichen Darstellung; aber auch wo diese in weit höherem <lb n="pba_120.036"/> Maße gelungen ist, zeigt sich in Herder's Epigrammen jener entscheidende <lb n="pba_120.037"/> Mangel oft genug. Als Beispiel diene das folgende:</p> <lb n="pba_120.038"/> <p> <hi rendition="#c">Reformation.</hi> <lb n="pba_120.039"/> <lg> <l>„Wären der Teufel so viel auch als hier Stein' auf den Dächern,</l> <lb n="pba_120.040"/> <l> Dennoch wagen wir es!“ Also sprach Luther und ging</l> </lg> </p> </div> </body> </text> </TEI> [120/0138]
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Trockenheit und Plattheit, weil die metrische Form mit dem verstandesmäßigen pba_120.002
Jnhalt im Widerspruch steht.
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Ebenso in dem andern Herder'schen, welches „Der Abglanz“ pba_120.004
überschrieben ist:
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Hinter Wolken die Sonne zu sehn, gibt trügliche Lichter; pba_120.006
Ohne Wolken sie sehn, blendet und stumpft das Gesicht. pba_120.007
Also schaue du sie hienieden im ruhigen Abglanz; pba_120.008
Thaten lehren uns mehr als ein bezaubernder Blick.
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Jst es nicht, als ob man das matte, kahle Lemma läse zu dem pba_120.010
herrlichen Monologe im Beginne des zweiten Faust?
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Hinaufgeschaut! — Der Berge Gipfelriesen pba_120.012
Verkünden schon die feierlichste Stunde; pba_120.013
............ pba_120.014
Sie tritt hervor! — und leider schon geblendet pba_120.015
Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen. pba_120.016
............ pba_120.017
So bleibe denn die Sonne mir im Rücken! pba_120.018
Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend, pba_120.019
Jhn schau' ich an mit wachsendem Entzücken. pba_120.020
............ pba_120.021
Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend, pba_120.022
Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer, pba_120.023
............ pba_120.024
Der spiegelt ab das menschliche Bestreben. pba_120.025
Jhm sinne nach und du begreifst genauer: pba_120.026
Am farb'gen Abglanz haben wir das Leben.
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Auch bei Goethe hat der Abschluß etwas Epigrammatisches; aber pba_120.028
das gesamte Bild und der daraus hervorspringende Gedanke ist für das pba_120.029
Epigramm unverwendbar, nicht weil ihm die Einheit fehlt — diese pba_120.030
ist im strengsten Sinne vorhanden — sondern weil durch die Einseitigkeit, pba_120.031
welche das Epigramm gebieterisch verlangt, seine ganze mächtige Wirkung pba_120.032
auf die Empfindung, durch die allein er poetisch ist, geraubt werden muß.
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Freilich fehlt den beiden citierten Epigrammen noch mehr: sie ermangeln pba_120.034
zugleich in ihrem ersten Teile der Anschaulichkeit und Gegenwart pba_120.035
der sinnlichen Darstellung; aber auch wo diese in weit höherem pba_120.036
Maße gelungen ist, zeigt sich in Herder's Epigrammen jener entscheidende pba_120.037
Mangel oft genug. Als Beispiel diene das folgende:
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Reformation. pba_120.039
„Wären der Teufel so viel auch als hier Stein' auf den Dächern, pba_120.040
Dennoch wagen wir es!“ Also sprach Luther und ging
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