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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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flammende Ausbruch des Hasses noch nicht den satirischen Dichter pba_115.002
macht, sondern daß dem echten Dichter alles dieses nur als Mittel dienen pba_115.003
kann, um -- was freilich zuerst in ihm selbst vorhanden sein muß -- pba_115.004
die Klarheit und Wahrheit, die Schönheit des alledem gegenüberstehenden pba_115.005
positiven Ethos in nachahmender Darstellnng lebendig zu verkörpern.



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IX.

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Wenn im Vorstehenden Schillers Gedicht "Shakespeares Schatten" pba_115.008
eine Reihe einzelner Distichen genannt wurde, so trifft die Bezeichnung pba_115.009
mehr zu als es auf den ersten Blick scheinen möchte: in der That erschien pba_115.010
dies Gedicht, und ebenso auch die "Jeremiade", im Xenienalmanach nicht pba_115.011
als ein Ganzes sondern aufgelöst in eine Folge einzelner Epigramme, pba_115.012
die sogar gesonderte Ueberschriften trugen.

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Der Umstand ist geeignet auf das nahe Verwandtschaftsverhältnis pba_115.014
hinzuweisen, in welchem die Dichtungsart des Epigramms zu den pba_115.015
beiden zuletzt behandelten Gattungen der Poesie steht, der gnomischen pba_115.016
und der humoristisch-satirischen; beiden zu gleichen Teilen angehörend, pba_115.017
nimmt es zwischen ihnen eine verbindende Mittelstellung ein.

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Mit beiden hat das Epigramm zunächst das Eine gemeinsam, daß pba_115.019
das Hauptmittel, durch welches es wirkt, der Gedanke ist, die Reflexion pba_115.020
über einen Gegenstand, einen Vorfall oder ein thatsächliches Verhältnis; pba_115.021
sodann aber das andre, daß es, wie jene, der Poesie nur insofern angehört, pba_115.022
als dieses Mittel nicht zum Zwecke gemacht wird, sondern daß pba_115.023
es im Dienste des unveränderlichen Hauptzweckes aller Poesie verwandt pba_115.024
wird eine Gesinnungsweise, eine Gemütsbeschaffenheit darzustellen, daß pba_115.025
es die Nachahmung eines Ethos enthalte. Das Unterscheidende des pba_115.026
Epigramms, wodurch seine Form sich bestimmt, liegt in dem besondern, pba_115.027
ihm allein eigentümlichen Verfahren jenes gemeinsame Mittel herzustellen pba_115.028
und ihm die der poetischen Absicht entsprechende Wirksamkeit zu pba_115.029
verleihen.

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Ueber die Art, wie das geschieht, haben wir Aufschluß durch Lessing; pba_115.031
in seinen "Anmerkungen über das Epigramm" (I) heißt es: "Das pba_115.032
Sinngedicht ist ein Gedicht, in welchem nach Art der eigentlichen pba_115.033
Aufschrift
unsre Aufmerksamkeit und Neugierde auf irgend einen pba_115.034
einzelnen Gegenstand erregt und mehr oder weniger hingehalten werden, pba_115.035
um sie mit Eins zu befriedigen." Dieses "nach Art der eigentlichen pba_115.036
Aufschrift" schließt ein, daß die Rolle, welche in der Wirklichkeit der die pba_115.037
Aufschrift tragende Gegenstand spielt, im Gedichte durch den einen Haupt-

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flammende Ausbruch des Hasses noch nicht den satirischen Dichter pba_115.002
macht, sondern daß dem echten Dichter alles dieses nur als Mittel dienen pba_115.003
kann, um — was freilich zuerst in ihm selbst vorhanden sein muß — pba_115.004
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IX.

pba_115.007
Wenn im Vorstehenden Schillers Gedicht „Shakespeares Schatten“ pba_115.008
eine Reihe einzelner Distichen genannt wurde, so trifft die Bezeichnung pba_115.009
mehr zu als es auf den ersten Blick scheinen möchte: in der That erschien pba_115.010
dies Gedicht, und ebenso auch die „Jeremiade“, im Xenienalmanach nicht pba_115.011
als ein Ganzes sondern aufgelöst in eine Folge einzelner Epigramme, pba_115.012
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Der Umstand ist geeignet auf das nahe Verwandtschaftsverhältnis pba_115.014
hinzuweisen, in welchem die Dichtungsart des Epigramms zu den pba_115.015
beiden zuletzt behandelten Gattungen der Poesie steht, der gnomischen pba_115.016
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nimmt es zwischen ihnen eine verbindende Mittelstellung ein.

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Mit beiden hat das Epigramm zunächst das Eine gemeinsam, daß pba_115.019
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Epigramms, wodurch seine Form sich bestimmt, liegt in dem besondern, pba_115.027
ihm allein eigentümlichen Verfahren jenes gemeinsame Mittel herzustellen pba_115.028
und ihm die der poetischen Absicht entsprechende Wirksamkeit zu pba_115.029
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Ueber die Art, wie das geschieht, haben wir Aufschluß durch Lessing; pba_115.031
in seinen „Anmerkungen über das Epigramm“ (I) heißt es: „Das pba_115.032
Sinngedicht ist ein Gedicht, in welchem nach Art der eigentlichen pba_115.033
Aufschrift
unsre Aufmerksamkeit und Neugierde auf irgend einen pba_115.034
einzelnen Gegenstand erregt und mehr oder weniger hingehalten werden, pba_115.035
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/133>, abgerufen am 24.11.2024.