Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Er ertränkte sich. Erst so lebensmuthig, ward er plötzlich
so lebensmüde -- wie Raimund! Ja, es giebt bitter¬
schwere Menschenräthsel hier unten.

Es fehlte 1840 an einer ersten Liebhaberin, da die
schöne und talentvolle Mad. Moltke plötzlich gestorben
war. Halb im Scherz hatte ich schon oft zu der Mutter
gesagt: "Wenn mein Kontrakt in Dresden abgelaufen ist,
wollen wir nach Oldenburg übersiedeln. Ich glaube, die
Großherzogin würde sich auch freuen, das alte Karlsruher
Oui und Non hier zu haben!" -- "Ich habe auch schon
daran gedacht, Lina," sagte die Mutter ernsthaft. "In
Oldenburg möchte auch ich wohl leben und sterben."

Und dann schlug die Großherzogin eines Tages selber
diese Saite an. Es war nach meiner so glänzend auf¬
genommenen "Maria Stuart". Die Großherzogin sprach
echt weiblich über meine Auffassung dieser Rolle. Dann
sagte sie plötzlich: "könnte Schottlands Königin sich wohl
entschließen, über die Herzen des kleinen Oldenburgs --
das meine mit inbegriffen -- dauernd zu herrschen?"

Ich sagte gerührt, daß es schon lange ein stiller,
lieber Wunsch von mir sei, eine treue Unterthanin Cäciliens
von Oldenburg zu werden.

"Aber unsere Bühne ist klein und nicht reich" --
sagte sie leise, wie verlegen.

"Der längere Urlaub, der wohlfeilere Aufenthalt
hier stellt das Gleichgewicht sicher wieder her!" sagte ich
fest -- und unter Thränen lächelnd fuhr ich fort: "und
sollte wirklich noch ein wenig am Goldgewicht fehlen, so

Er ertränkte ſich. Erſt ſo lebensmuthig, ward er plötzlich
ſo lebensmüde — wie Raimund! Ja, es giebt bitter¬
ſchwere Menſchenräthſel hier unten.

Es fehlte 1840 an einer erſten Liebhaberin, da die
ſchöne und talentvolle Mad. Moltke plötzlich geſtorben
war. Halb im Scherz hatte ich ſchon oft zu der Mutter
geſagt: »Wenn mein Kontrakt in Dresden abgelaufen iſt,
wollen wir nach Oldenburg überſiedeln. Ich glaube, die
Großherzogin würde ſich auch freuen, das alte Karlsruher
Oui und Non hier zu haben!« — »Ich habe auch ſchon
daran gedacht, Lina,« ſagte die Mutter ernſthaft. »In
Oldenburg möchte auch ich wohl leben und ſterben.«

Und dann ſchlug die Großherzogin eines Tages ſelber
dieſe Saite an. Es war nach meiner ſo glänzend auf¬
genommenen »Maria Stuart«. Die Großherzogin ſprach
echt weiblich über meine Auffaſſung dieſer Rolle. Dann
ſagte ſie plötzlich: »könnte Schottlands Königin ſich wohl
entſchließen, über die Herzen des kleinen Oldenburgs —
das meine mit inbegriffen — dauernd zu herrſchen?«

Ich ſagte gerührt, daß es ſchon lange ein ſtiller,
lieber Wunſch von mir ſei, eine treue Unterthanin Cäciliens
von Oldenburg zu werden.

»Aber unſere Bühne iſt klein und nicht reich« —
ſagte ſie leiſe, wie verlegen.

»Der längere Urlaub, der wohlfeilere Aufenthalt
hier ſtellt das Gleichgewicht ſicher wieder her!« ſagte ich
feſt — und unter Thränen lächelnd fuhr ich fort: »und
ſollte wirklich noch ein wenig am Goldgewicht fehlen, ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0499" n="471"/>
Er ertränkte &#x017F;ich. Er&#x017F;t &#x017F;o lebensmuthig, ward er plötzlich<lb/>
&#x017F;o lebensmüde &#x2014; wie Raimund! Ja, es giebt bitter¬<lb/>
&#x017F;chwere Men&#x017F;chenräth&#x017F;el hier unten.</p><lb/>
        <p>Es fehlte 1840 an einer er&#x017F;ten Liebhaberin, da die<lb/>
&#x017F;chöne und talentvolle Mad. Moltke plötzlich ge&#x017F;torben<lb/>
war. Halb im Scherz hatte ich &#x017F;chon oft zu der Mutter<lb/>
ge&#x017F;agt: »Wenn mein Kontrakt in Dresden abgelaufen i&#x017F;t,<lb/>
wollen wir nach Oldenburg über&#x017F;iedeln. Ich glaube, die<lb/>
Großherzogin würde &#x017F;ich auch freuen, das alte Karlsruher<lb/><hi rendition="#aq">Oui</hi> und <hi rendition="#aq">Non</hi> hier zu haben!« &#x2014; »Ich habe auch &#x017F;chon<lb/>
daran gedacht, Lina,« &#x017F;agte die Mutter ern&#x017F;thaft. »In<lb/>
Oldenburg möchte auch ich wohl leben und &#x017F;terben.«</p><lb/>
        <p>Und dann &#x017F;chlug die Großherzogin eines Tages &#x017F;elber<lb/>
die&#x017F;e Saite an. Es war nach meiner &#x017F;o glänzend auf¬<lb/>
genommenen »Maria Stuart«. Die Großherzogin &#x017F;prach<lb/>
echt weiblich über meine Auffa&#x017F;&#x017F;ung die&#x017F;er Rolle. Dann<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie plötzlich: »könnte Schottlands Königin &#x017F;ich wohl<lb/>
ent&#x017F;chließen, über die Herzen des kleinen Oldenburgs &#x2014;<lb/>
das meine mit inbegriffen &#x2014; dauernd zu herr&#x017F;chen?«</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;agte gerührt, daß es &#x017F;chon lange ein &#x017F;tiller,<lb/>
lieber Wun&#x017F;ch von mir &#x017F;ei, eine treue Unterthanin Cäciliens<lb/>
von Oldenburg zu werden.</p><lb/>
        <p>»Aber un&#x017F;ere Bühne i&#x017F;t klein und nicht reich« &#x2014;<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie lei&#x017F;e, wie verlegen.</p><lb/>
        <p>»Der längere Urlaub, der wohlfeilere Aufenthalt<lb/>
hier &#x017F;tellt das Gleichgewicht &#x017F;icher wieder her!« &#x017F;agte ich<lb/>
fe&#x017F;t &#x2014; und unter Thränen lächelnd fuhr ich fort: »und<lb/>
&#x017F;ollte wirklich noch ein wenig am Goldgewicht fehlen, &#x017F;o<lb/></p>
        <p>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[471/0499] Er ertränkte ſich. Erſt ſo lebensmuthig, ward er plötzlich ſo lebensmüde — wie Raimund! Ja, es giebt bitter¬ ſchwere Menſchenräthſel hier unten. Es fehlte 1840 an einer erſten Liebhaberin, da die ſchöne und talentvolle Mad. Moltke plötzlich geſtorben war. Halb im Scherz hatte ich ſchon oft zu der Mutter geſagt: »Wenn mein Kontrakt in Dresden abgelaufen iſt, wollen wir nach Oldenburg überſiedeln. Ich glaube, die Großherzogin würde ſich auch freuen, das alte Karlsruher Oui und Non hier zu haben!« — »Ich habe auch ſchon daran gedacht, Lina,« ſagte die Mutter ernſthaft. »In Oldenburg möchte auch ich wohl leben und ſterben.« Und dann ſchlug die Großherzogin eines Tages ſelber dieſe Saite an. Es war nach meiner ſo glänzend auf¬ genommenen »Maria Stuart«. Die Großherzogin ſprach echt weiblich über meine Auffaſſung dieſer Rolle. Dann ſagte ſie plötzlich: »könnte Schottlands Königin ſich wohl entſchließen, über die Herzen des kleinen Oldenburgs — das meine mit inbegriffen — dauernd zu herrſchen?« Ich ſagte gerührt, daß es ſchon lange ein ſtiller, lieber Wunſch von mir ſei, eine treue Unterthanin Cäciliens von Oldenburg zu werden. »Aber unſere Bühne iſt klein und nicht reich« — ſagte ſie leiſe, wie verlegen. »Der längere Urlaub, der wohlfeilere Aufenthalt hier ſtellt das Gleichgewicht ſicher wieder her!« ſagte ich feſt — und unter Thränen lächelnd fuhr ich fort: »und ſollte wirklich noch ein wenig am Goldgewicht fehlen, ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/499
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/499>, abgerufen am 18.05.2024.