"Parias" des bürgerlichen Lebens sind. Werden sie fein bürgerlich, so ist es mit dem Künstler vorbei. Ihr Boden, auf dem sie nur wachsen können, ist das Land der Ideale. Ich kann trotz meiner 75 Jahre den Glauben an ein romantisches Künstlertreiben nicht verlieren. Nennen die Herren Kritiker mich doch auch immer -- den Romantiker!"
Unsere Karlsruher Komödianten machten sich selber zu "Parias" des geselligen Lebens. Und doch hätten sie nach ihrer meist gediegenen Bildung in den besten Ge¬ sellschaftskreisen glänzen können. Aber sie, die einst in Jugendbegeisterung Heimat, Freunde, glückliche Verhält¬ nisse verlassen hatten, dem verführerischen Locken der Kunst zu folgen -- -- Kummer, Noth, Enttäuschungen jeder Art hatten sie mit der Zeit -- menschenscheu gemacht.
Woher stammte der Liebling des Publikums, der auf der Bühne so lebensfrische, fein humoristische -- ja übermüthig frohe Hartenstein? Durch's Leben eilte er finster, -- in trübe Gedanken versunken.
In dem trefflichen Bassisten Sehring und seiner lieblichen Frau schäumte echtes, unruhiges Komödianten¬ blut. Beim Beginn der Theaterferien verschwanden beide immer spurlos. Und einst fand ein Bekannter das ge¬ heimnißvolle Paar -- in einem winzigen Landstädtchen, auf einer aus Bettüchern und Fenstergardinen improvi¬ sirten Bühne ... Verkleidungsrollen spielend. Sie konnten nun einmal die Komödiantenfahrten nicht lassen!
Der köstliche, närrische Komiker Labes, der das ganze Haus bei seinem Auftreten stets vom homerischen
»Parias« des bürgerlichen Lebens ſind. Werden ſie fein bürgerlich, ſo iſt es mit dem Künſtler vorbei. Ihr Boden, auf dem ſie nur wachſen können, iſt das Land der Ideale. Ich kann trotz meiner 75 Jahre den Glauben an ein romantiſches Künſtlertreiben nicht verlieren. Nennen die Herren Kritiker mich doch auch immer — den Romantiker!«
Unſere Karlsruher Komödianten machten ſich ſelber zu »Parias« des geſelligen Lebens. Und doch hätten ſie nach ihrer meiſt gediegenen Bildung in den beſten Ge¬ ſellſchaftskreiſen glänzen können. Aber ſie, die einſt in Jugendbegeiſterung Heimat, Freunde, glückliche Verhält¬ niſſe verlaſſen hatten, dem verführeriſchen Locken der Kunſt zu folgen — — Kummer, Noth, Enttäuſchungen jeder Art hatten ſie mit der Zeit — menſchenſcheu gemacht.
Woher ſtammte der Liebling des Publikums, der auf der Bühne ſo lebensfriſche, fein humoriſtiſche — ja übermüthig frohe Hartenſtein? Durch's Leben eilte er finſter, — in trübe Gedanken verſunken.
In dem trefflichen Baſſiſten Sehring und ſeiner lieblichen Frau ſchäumte echtes, unruhiges Komödianten¬ blut. Beim Beginn der Theaterferien verſchwanden beide immer ſpurlos. Und einſt fand ein Bekannter das ge¬ heimnißvolle Paar — in einem winzigen Landſtädtchen, auf einer aus Bettüchern und Fenſtergardinen improvi¬ ſirten Bühne … Verkleidungsrollen ſpielend. Sie konnten nun einmal die Komödiantenfahrten nicht laſſen!
Der köſtliche, närriſche Komiker Labes, der das ganze Haus bei ſeinem Auftreten ſtets vom homeriſchen
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»Parias« des bürgerlichen Lebens ſind. Werden ſie fein
bürgerlich, ſo iſt es mit dem Künſtler vorbei. Ihr Boden,
auf dem ſie nur wachſen können, iſt das Land der Ideale.
Ich kann trotz meiner 75 Jahre den Glauben an ein
romantiſches Künſtlertreiben nicht verlieren. Nennen die
Herren Kritiker mich doch auch immer — den Romantiker!«
Unſere Karlsruher Komödianten machten ſich ſelber
zu »Parias« des geſelligen Lebens. Und doch hätten ſie
nach ihrer meiſt gediegenen Bildung in den beſten Ge¬
ſellſchaftskreiſen glänzen können. Aber ſie, die einſt in
Jugendbegeiſterung Heimat, Freunde, glückliche Verhält¬
niſſe verlaſſen hatten, dem verführeriſchen Locken der Kunſt
zu folgen — — Kummer, Noth, Enttäuſchungen jeder
Art hatten ſie mit der Zeit — menſchenſcheu gemacht.
Woher ſtammte der Liebling des Publikums, der
auf der Bühne ſo lebensfriſche, fein humoriſtiſche — ja
übermüthig frohe Hartenſtein? Durch's Leben eilte er
finſter, — in trübe Gedanken verſunken.
In dem trefflichen Baſſiſten Sehring und ſeiner
lieblichen Frau ſchäumte echtes, unruhiges Komödianten¬
blut. Beim Beginn der Theaterferien verſchwanden beide
immer ſpurlos. Und einſt fand ein Bekannter das ge¬
heimnißvolle Paar — in einem winzigen Landſtädtchen,
auf einer aus Bettüchern und Fenſtergardinen improvi¬
ſirten Bühne … Verkleidungsrollen ſpielend. Sie konnten
nun einmal die Komödiantenfahrten nicht laſſen!
Der köſtliche, närriſche Komiker Labes, der das
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/49>, abgerufen am 22.11.2024.
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