rühmt, so sagte er achselzuckend: "Dem tollen Menschen ist Vieles geglückt!" -- Suchte man ihm aus den Blättern der Geschichte irgend ein Gegentheil zu beweisen, so lehnte er es vornehm ab: "Spätere Geschichtschreiber werden es richtiger zu beurtheilen verstehen!" Trieben ihn Raumer, Steffens, Humboldt aber dennoch gar zu sehr in eine politische Sackgasse hinein und er vermochte sich nicht anders zu retten, so wußte er eine so sprechende Miene der Langenweile und Zerstreutheit anzunehmen, daß die Freunde gern auf Fortsetzung des politischen Turniers verzichteten.
Für junge, feurige Dichter unserer Zeit hatte der alte Romantiker kein Herz, kein Verständniß und keine freundlich führende und helfende Hand. Er wurzelte zu tief in einer strahlenden Vergangenheit, in seinen Träumen und Vorurtheilen und in dem Bewußtsein seiner eigenen Unfehlbarkeit und Größe. Er schien total vergessen zu haben, daß er einst den "gestiefelten Kater" geschrieben.
Versuchten wahre Freunde, ihn auf strenge, aber gerechte Kritiken und so auf leicht zu beseitigende Mängel in seinen Werken oder in seiner dramaturgischen Thätig¬ keit aufmerksam zu machen, so antwortete er sicher mit überlegenem ironischen Lächeln und einer vornehm ab¬ lehnenden Handbewegung: "Bester Freund, wozu erzählen Sie mir solche Geschichten?"
Besonders die gute Dorothea, die den Vater so sehr liebte und schon seit vielen Jahren seine Studien und Arbeiten treu theilte, hatte ein tiefes, schmerzliches
rühmt, ſo ſagte er achſelzuckend: »Dem tollen Menſchen iſt Vieles geglückt!« — Suchte man ihm aus den Blättern der Geſchichte irgend ein Gegentheil zu beweiſen, ſo lehnte er es vornehm ab: »Spätere Geſchichtſchreiber werden es richtiger zu beurtheilen verſtehen!« Trieben ihn Raumer, Steffens, Humboldt aber dennoch gar zu ſehr in eine politiſche Sackgaſſe hinein und er vermochte ſich nicht anders zu retten, ſo wußte er eine ſo ſprechende Miene der Langenweile und Zerſtreutheit anzunehmen, daß die Freunde gern auf Fortſetzung des politiſchen Turniers verzichteten.
Für junge, feurige Dichter unſerer Zeit hatte der alte Romantiker kein Herz, kein Verſtändniß und keine freundlich führende und helfende Hand. Er wurzelte zu tief in einer ſtrahlenden Vergangenheit, in ſeinen Träumen und Vorurtheilen und in dem Bewußtſein ſeiner eigenen Unfehlbarkeit und Größe. Er ſchien total vergeſſen zu haben, daß er einſt den »geſtiefelten Kater« geſchrieben.
Verſuchten wahre Freunde, ihn auf ſtrenge, aber gerechte Kritiken und ſo auf leicht zu beſeitigende Mängel in ſeinen Werken oder in ſeiner dramaturgiſchen Thätig¬ keit aufmerkſam zu machen, ſo antwortete er ſicher mit überlegenem ironiſchen Lächeln und einer vornehm ab¬ lehnenden Handbewegung: »Beſter Freund, wozu erzählen Sie mir ſolche Geſchichten?«
Beſonders die gute Dorothea, die den Vater ſo ſehr liebte und ſchon ſeit vielen Jahren ſeine Studien und Arbeiten treu theilte, hatte ein tiefes, ſchmerzliches
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rühmt, ſo ſagte er achſelzuckend: »Dem tollen Menſchen
iſt Vieles geglückt!« — Suchte man ihm aus den Blättern
der Geſchichte irgend ein Gegentheil zu beweiſen, ſo lehnte
er es vornehm ab: »Spätere Geſchichtſchreiber werden
es richtiger zu beurtheilen verſtehen!« Trieben ihn
Raumer, Steffens, Humboldt aber dennoch gar zu ſehr
in eine politiſche Sackgaſſe hinein und er vermochte ſich
nicht anders zu retten, ſo wußte er eine ſo ſprechende
Miene der Langenweile und Zerſtreutheit anzunehmen,
daß die Freunde gern auf Fortſetzung des politiſchen
Turniers verzichteten.
Für junge, feurige Dichter unſerer Zeit hatte der
alte Romantiker kein Herz, kein Verſtändniß und keine
freundlich führende und helfende Hand. Er wurzelte zu
tief in einer ſtrahlenden Vergangenheit, in ſeinen Träumen
und Vorurtheilen und in dem Bewußtſein ſeiner eigenen
Unfehlbarkeit und Größe. Er ſchien total vergeſſen zu
haben, daß er einſt den »geſtiefelten Kater« geſchrieben.
Verſuchten wahre Freunde, ihn auf ſtrenge, aber
gerechte Kritiken und ſo auf leicht zu beſeitigende Mängel
in ſeinen Werken oder in ſeiner dramaturgiſchen Thätig¬
keit aufmerkſam zu machen, ſo antwortete er ſicher mit
überlegenem ironiſchen Lächeln und einer vornehm ab¬
lehnenden Handbewegung: »Beſter Freund, wozu erzählen
Sie mir ſolche Geſchichten?«
Beſonders die gute Dorothea, die den Vater ſo ſehr
liebte und ſchon ſeit vielen Jahren ſeine Studien und
Arbeiten treu theilte, hatte ein tiefes, ſchmerzliches
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/439>, abgerufen am 22.11.2024.
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