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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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schloß ich die Augen und bat Gott um seinen Beistand ...
Im Konversationszimmer verhielt ich mich sehr still und
ging die Rolle noch in Gedanken durch. Herr Demmer,
der den Konsulent Wachtel spielte, schminkte mich. --
Ich hörte die Ouverture, vernahm das Klingeln am
Aktschluß, wagte aber vor lauter Bangigkeit nicht zu¬
zusehen. Da klingelte es zum dritten Male -- Herr
Demmer führte mich zu dem Hügel, von welchem herab
ich zu kommen hatte. Ich stand, des Stichworts harrend,
mit Rechen, Hut, Wasserkrug -- nein! der war ver¬
gessen. -- "Mein Wasserkrug!" rief ich -- und der
Requisiteur vermochte ihn mir noch zu geben. "Jetzt!"
flüsterte Herr Demmer -- ich trat vor und wurde mit
Beifall empfangen! -- Darauf war ich nicht vorbereitet,
ich wußte nicht, sollte ich mich verbeugen oder sprechen,
es flimmerte mir vor den Augen, die helle Beleuchtung
blendete mich förmlich, aber mein Stoßgebet: "Lieber
Gott, steh' mir bei" -- half -- und hell und fröhlich
begann ich: "Ist der Schwager noch nicht da?" ... -- --
Wie ich die Margarethe darstellte -- weiß ich nicht; ob
ich den Beifall verdiente -- eben so wenig, ich erinnere
mich nur, daß es mir war, als sei ich wirklich die Mar¬
garethe! -- daß ich mit Entzücken spielte, den Hofrath
trotz seiner 45 Jahre liebte, weinte, lachte, wie es die
Rolle mit sich bringt, und als Herr Meierhofer (der
den Hofrath hinreißend darstellte) die letzten Worte sprach,
indem er mir die Feldblumen überreichte: "Blühe wie sie,
nütze wie sie, und bleibe dem Schmucke getreu, mit dem

ſchloß ich die Augen und bat Gott um ſeinen Beiſtand …
Im Konverſationszimmer verhielt ich mich ſehr ſtill und
ging die Rolle noch in Gedanken durch. Herr Demmer,
der den Konſulent Wachtel ſpielte, ſchminkte mich. —
Ich hörte die Ouverture, vernahm das Klingeln am
Aktſchluß, wagte aber vor lauter Bangigkeit nicht zu¬
zuſehen. Da klingelte es zum dritten Male — Herr
Demmer führte mich zu dem Hügel, von welchem herab
ich zu kommen hatte. Ich ſtand, des Stichworts harrend,
mit Rechen, Hut, Waſſerkrug — nein! der war ver¬
geſſen. — »Mein Waſſerkrug!« rief ich — und der
Requiſiteur vermochte ihn mir noch zu geben. »Jetzt!«
flüſterte Herr Demmer — ich trat vor und wurde mit
Beifall empfangen! — Darauf war ich nicht vorbereitet,
ich wußte nicht, ſollte ich mich verbeugen oder ſprechen,
es flimmerte mir vor den Augen, die helle Beleuchtung
blendete mich förmlich, aber mein Stoßgebet: »Lieber
Gott, ſteh' mir bei« — half — und hell und fröhlich
begann ich: »Iſt der Schwager noch nicht da?« … — —
Wie ich die Margarethe darſtellte — weiß ich nicht; ob
ich den Beifall verdiente — eben ſo wenig, ich erinnere
mich nur, daß es mir war, als ſei ich wirklich die Mar¬
garethe! — daß ich mit Entzücken ſpielte, den Hofrath
trotz ſeiner 45 Jahre liebte, weinte, lachte, wie es die
Rolle mit ſich bringt, und als Herr Meierhofer (der
den Hofrath hinreißend darſtellte) die letzten Worte ſprach,
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[13/0041] ſchloß ich die Augen und bat Gott um ſeinen Beiſtand … Im Konverſationszimmer verhielt ich mich ſehr ſtill und ging die Rolle noch in Gedanken durch. Herr Demmer, der den Konſulent Wachtel ſpielte, ſchminkte mich. — Ich hörte die Ouverture, vernahm das Klingeln am Aktſchluß, wagte aber vor lauter Bangigkeit nicht zu¬ zuſehen. Da klingelte es zum dritten Male — Herr Demmer führte mich zu dem Hügel, von welchem herab ich zu kommen hatte. Ich ſtand, des Stichworts harrend, mit Rechen, Hut, Waſſerkrug — nein! der war ver¬ geſſen. — »Mein Waſſerkrug!« rief ich — und der Requiſiteur vermochte ihn mir noch zu geben. »Jetzt!« flüſterte Herr Demmer — ich trat vor und wurde mit Beifall empfangen! — Darauf war ich nicht vorbereitet, ich wußte nicht, ſollte ich mich verbeugen oder ſprechen, es flimmerte mir vor den Augen, die helle Beleuchtung blendete mich förmlich, aber mein Stoßgebet: »Lieber Gott, ſteh' mir bei« — half — und hell und fröhlich begann ich: »Iſt der Schwager noch nicht da?« … — — Wie ich die Margarethe darſtellte — weiß ich nicht; ob ich den Beifall verdiente — eben ſo wenig, ich erinnere mich nur, daß es mir war, als ſei ich wirklich die Mar¬ garethe! — daß ich mit Entzücken ſpielte, den Hofrath trotz ſeiner 45 Jahre liebte, weinte, lachte, wie es die Rolle mit ſich bringt, und als Herr Meierhofer (der den Hofrath hinreißend darſtellte) die letzten Worte ſprach, indem er mir die Feldblumen überreichte: »Blühe wie ſie, nütze wie ſie, und bleibe dem Schmucke getreu, mit dem

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/41>, abgerufen am 24.11.2024.