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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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diesen Traum, er beglückt mich ja so sehr! Und an mir
soll es sicher nicht liegen, daß ich so bald daraus erwache,
wie Andere. Es wird stets mein Stolz sein, von Ludwig
Tieck belehrt und berathen zu werden. Ich will redlich
versuchen, die größte Geduld mit seinen Eigenheiten und
kleinen Schwächen zu haben, ohne mir selber untreu zu
werden ... und sollte ich nach Jahren dennoch in Un¬
gnade fallen, in Tieck's Hause Enttäuschungen und
Kränkungen erfahren haben -- so werde ich mich doch
stets dankbar dieser heutigen und -- so Gott will -- noch
vieler solcher Gnadenstunden bei Ludwig Tieck erinnern ..."


Wir befolgten den Rath des Baron Maltitz und
tranken vielen starken schwarzen Kaffee, -- zur Nerven¬
stärkung vor der gefürchteten ersten Vorlesung bei Tieck.
Schönstens geputzt gingen wir gegen Abend nach dem
Altmarkt. Der Mutter hatten der schwarze Kaffee und
die Angst vor der Vorlesung rothe Bäckchen gemacht,
und die standen ihr zu dem weißen Tüllhäubchen mit den
schon seit Jahren gewohnten blaßgelben Bändern aller¬
liebst. Ich war stolz auf die schöne Mutter und gefiel
mir in dem modischen Wiener Staate des Herrn von
Bär auch nicht übel. Als wir die Treppe hinaufstiegen,
bat ich die Mutter noch himmelhoch, während der Vor¬
lesung nicht einzunicken und mich auch nicht durch den
kleinsten Blick an das Elend von Alexander und Darius
zu erinnern. Wir gaben uns die Hand darauf, uns

dieſen Traum, er beglückt mich ja ſo ſehr! Und an mir
ſoll es ſicher nicht liegen, daß ich ſo bald daraus erwache,
wie Andere. Es wird ſtets mein Stolz ſein, von Ludwig
Tieck belehrt und berathen zu werden. Ich will redlich
verſuchen, die größte Geduld mit ſeinen Eigenheiten und
kleinen Schwächen zu haben, ohne mir ſelber untreu zu
werden … und ſollte ich nach Jahren dennoch in Un¬
gnade fallen, in Tieck's Hauſe Enttäuſchungen und
Kränkungen erfahren haben — ſo werde ich mich doch
ſtets dankbar dieſer heutigen und — ſo Gott will — noch
vieler ſolcher Gnadenſtunden bei Ludwig Tieck erinnern …«


Wir befolgten den Rath des Baron Maltitz und
tranken vielen ſtarken ſchwarzen Kaffee, — zur Nerven¬
ſtärkung vor der gefürchteten erſten Vorleſung bei Tieck.
Schönſtens geputzt gingen wir gegen Abend nach dem
Altmarkt. Der Mutter hatten der ſchwarze Kaffee und
die Angſt vor der Vorleſung rothe Bäckchen gemacht,
und die ſtanden ihr zu dem weißen Tüllhäubchen mit den
ſchon ſeit Jahren gewohnten blaßgelben Bändern aller¬
liebſt. Ich war ſtolz auf die ſchöne Mutter und gefiel
mir in dem modiſchen Wiener Staate des Herrn von
Bär auch nicht übel. Als wir die Treppe hinaufſtiegen,
bat ich die Mutter noch himmelhoch, während der Vor¬
leſung nicht einzunicken und mich auch nicht durch den
kleinſten Blick an das Elend von Alexander und Darius
zu erinnern. Wir gaben uns die Hand darauf, uns

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[374/0402] dieſen Traum, er beglückt mich ja ſo ſehr! Und an mir ſoll es ſicher nicht liegen, daß ich ſo bald daraus erwache, wie Andere. Es wird ſtets mein Stolz ſein, von Ludwig Tieck belehrt und berathen zu werden. Ich will redlich verſuchen, die größte Geduld mit ſeinen Eigenheiten und kleinen Schwächen zu haben, ohne mir ſelber untreu zu werden … und ſollte ich nach Jahren dennoch in Un¬ gnade fallen, in Tieck's Hauſe Enttäuſchungen und Kränkungen erfahren haben — ſo werde ich mich doch ſtets dankbar dieſer heutigen und — ſo Gott will — noch vieler ſolcher Gnadenſtunden bei Ludwig Tieck erinnern …« Wir befolgten den Rath des Baron Maltitz und tranken vielen ſtarken ſchwarzen Kaffee, — zur Nerven¬ ſtärkung vor der gefürchteten erſten Vorleſung bei Tieck. Schönſtens geputzt gingen wir gegen Abend nach dem Altmarkt. Der Mutter hatten der ſchwarze Kaffee und die Angſt vor der Vorleſung rothe Bäckchen gemacht, und die ſtanden ihr zu dem weißen Tüllhäubchen mit den ſchon ſeit Jahren gewohnten blaßgelben Bändern aller¬ liebſt. Ich war ſtolz auf die ſchöne Mutter und gefiel mir in dem modiſchen Wiener Staate des Herrn von Bär auch nicht übel. Als wir die Treppe hinaufſtiegen, bat ich die Mutter noch himmelhoch, während der Vor¬ leſung nicht einzunicken und mich auch nicht durch den kleinſten Blick an das Elend von Alexander und Darius zu erinnern. Wir gaben uns die Hand darauf, uns

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/402>, abgerufen am 22.11.2024.