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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Da saßen wir denn wieder wohlbehalten und traulich
im hübschen "Erzherzog Carl" zu Wien und die Vorbe¬
reitungen für mein Gastspiel begannen. Zunächst machte
ich den Kollegen vom Burgtheater meinen Besuch.

Es war damals freilich und ist auch leider noch heute
Sitte, daß die gastirenden Künstler sich solchen Höflich¬
keitsbesuchen durch Uebersendung der Visitenkarte gern
entziehen und die Kollegen, mit denen sie auftreten, erst
in der Probe begrüßen. Ich habe diese kühle Höflichkeit
nie mitgemacht und stets den größten Genuß davon ge¬
habt und auch nicht wenig Weltweisheit -- nicht nur
der bretternen Welt -- dabei gelernt. Das waren meine
lieben Privat-Gastreisen -- und noch heute erinnere ich
mich mit dem treuen Gedächtniß des Herzens dankbar
jener frohmüthigen, belehrenden, Geist und Herz er¬
frischenden Besuchsstunden bei den alten, werthen Kollegen
an den bedeutendsten Theatern Deutschlands, Rußlands
und Frankreichs ... Aber unter fast allen jenen einst so
volltönigen Namen steht schon ein schwarzes Kreuzchen!

Ich wurde in Wien von allen Kollegen sehr freundlich
aufgenommen -- sogar von Karoline Müller, mit der ich
vor neun Jahren an der Königstädter Bühne in Berlin
jenes Rencontre hatte, das mir so viel Thränen gekostet.
Jetzt lachten wir herzlich über die alten Scharmützel
wegen meiner geliebten Gräfin Elsbeth, die auf dem
Tournier von Kronstadt einen so herrlichen blinden
Theaterschimmel reitet ... und diesen Schimmel, der mir
nach meiner Meinung allein gebührte, mußte ich von

Da ſaßen wir denn wieder wohlbehalten und traulich
im hübſchen »Erzherzog Carl« zu Wien und die Vorbe¬
reitungen für mein Gaſtſpiel begannen. Zunächſt machte
ich den Kollegen vom Burgtheater meinen Beſuch.

Es war damals freilich und iſt auch leider noch heute
Sitte, daß die gaſtirenden Künſtler ſich ſolchen Höflich¬
keitsbeſuchen durch Ueberſendung der Viſitenkarte gern
entziehen und die Kollegen, mit denen ſie auftreten, erſt
in der Probe begrüßen. Ich habe dieſe kühle Höflichkeit
nie mitgemacht und ſtets den größten Genuß davon ge¬
habt und auch nicht wenig Weltweisheit — nicht nur
der bretternen Welt — dabei gelernt. Das waren meine
lieben Privat-Gaſtreiſen — und noch heute erinnere ich
mich mit dem treuen Gedächtniß des Herzens dankbar
jener frohmüthigen, belehrenden, Geiſt und Herz er¬
friſchenden Beſuchsſtunden bei den alten, werthen Kollegen
an den bedeutendſten Theatern Deutſchlands, Rußlands
und Frankreichs … Aber unter faſt allen jenen einſt ſo
volltönigen Namen ſteht ſchon ein ſchwarzes Kreuzchen!

Ich wurde in Wien von allen Kollegen ſehr freundlich
aufgenommen — ſogar von Karoline Müller, mit der ich
vor neun Jahren an der Königſtädter Bühne in Berlin
jenes Rencontre hatte, das mir ſo viel Thränen gekoſtet.
Jetzt lachten wir herzlich über die alten Scharmützel
wegen meiner geliebten Gräfin Elsbeth, die auf dem
Tournier von Kronſtadt einen ſo herrlichen blinden
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nach meiner Meinung allein gebührte, mußte ich von

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[303/0331] Da ſaßen wir denn wieder wohlbehalten und traulich im hübſchen »Erzherzog Carl« zu Wien und die Vorbe¬ reitungen für mein Gaſtſpiel begannen. Zunächſt machte ich den Kollegen vom Burgtheater meinen Beſuch. Es war damals freilich und iſt auch leider noch heute Sitte, daß die gaſtirenden Künſtler ſich ſolchen Höflich¬ keitsbeſuchen durch Ueberſendung der Viſitenkarte gern entziehen und die Kollegen, mit denen ſie auftreten, erſt in der Probe begrüßen. Ich habe dieſe kühle Höflichkeit nie mitgemacht und ſtets den größten Genuß davon ge¬ habt und auch nicht wenig Weltweisheit — nicht nur der bretternen Welt — dabei gelernt. Das waren meine lieben Privat-Gaſtreiſen — und noch heute erinnere ich mich mit dem treuen Gedächtniß des Herzens dankbar jener frohmüthigen, belehrenden, Geiſt und Herz er¬ friſchenden Beſuchsſtunden bei den alten, werthen Kollegen an den bedeutendſten Theatern Deutſchlands, Rußlands und Frankreichs … Aber unter faſt allen jenen einſt ſo volltönigen Namen ſteht ſchon ein ſchwarzes Kreuzchen! Ich wurde in Wien von allen Kollegen ſehr freundlich aufgenommen — ſogar von Karoline Müller, mit der ich vor neun Jahren an der Königſtädter Bühne in Berlin jenes Rencontre hatte, das mir ſo viel Thränen gekoſtet. Jetzt lachten wir herzlich über die alten Scharmützel wegen meiner geliebten Gräfin Elsbeth, die auf dem Tournier von Kronſtadt einen ſo herrlichen blinden Theaterſchimmel reitet … und dieſen Schimmel, der mir nach meiner Meinung allein gebührte, mußte ich von

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/331>, abgerufen am 22.11.2024.