"En d'autres villes on mange - ce n'est qu'a Paris qu'on dine" -- sagt Alexander Dumas, der größte Epikuräer an der Seine, irgendwo. Als er dies niederschrieb, kannte er die lustige Kaiserstadt an der Donau noch nicht, sonst hätte er zu Gunsten Wiens sicher eine Diner-Ausnahme gemacht. Ich wenigstens habe selbst in Paris nicht so köstlich und so angenehm dinirt, wie in Wien sogar in den öffentlichen Lokalen. Schon daß es im "Erzherzog Karl" keine langen und langweiligen tables d'hote gab, an denen man mit wildfremden und oft recht unerquicklichen Leuten, von der Laune des Kellners bunt zusammengewürfelt, pflichtschuldigst die lange Speise¬ karte abhaspelt, gefiel mir außerordentlich. Wir saßen da mit guten Freunden nach unserer Wahl an kleinen, elegant und appetitlich servirten Tischen zusammen, und nach unseren Wünschen war das reizendste kleine Diner schnell zusammengestellt. Häufig "dinirten" wir mit unseren Freunden auch in irgend einem der schönen Gärten im Prater oder in den Vorstädten Wiens unter den kühlen Bäumen und unter den entzückenden Melodien von Strauß und Lanner an solchem Tischchendeckdich.
Besonders eins von diesen kleinen improvisirten Diners ist mir unvergeßlich. Unsere Tischgenossen waren der liebens¬ würdige Dichter der "Todtenkränze" -- der "nächtlichen Heer¬ schau" und des "Sterns von Sevilla": der Kammerherr des Kaisers Joseph Freiherr von Zedlitz, die Herren von Dalberg und Varnhagen, Dr. Witthauer und Frau Brede. Die Nord- und Süddeutschen sprühten bald im brillan¬
»En d'autres villes on mange – ce n'est qu'à Paris qu'on dine« — ſagt Alexander Dumas, der größte Epikuräer an der Seine, irgendwo. Als er dies niederſchrieb, kannte er die luſtige Kaiſerſtadt an der Donau noch nicht, ſonſt hätte er zu Gunſten Wiens ſicher eine Diner-Ausnahme gemacht. Ich wenigſtens habe ſelbſt in Paris nicht ſo köſtlich und ſo angenehm dinirt, wie in Wien ſogar in den öffentlichen Lokalen. Schon daß es im »Erzherzog Karl« keine langen und langweiligen tables d'hôte gab, an denen man mit wildfremden und oft recht unerquicklichen Leuten, von der Laune des Kellners bunt zuſammengewürfelt, pflichtſchuldigſt die lange Speiſe¬ karte abhaſpelt, gefiel mir außerordentlich. Wir ſaßen da mit guten Freunden nach unſerer Wahl an kleinen, elegant und appetitlich ſervirten Tiſchen zuſammen, und nach unſeren Wünſchen war das reizendſte kleine Diner ſchnell zuſammengeſtellt. Häufig »dinirten« wir mit unſeren Freunden auch in irgend einem der ſchönen Gärten im Prater oder in den Vorſtädten Wiens unter den kühlen Bäumen und unter den entzückenden Melodien von Strauß und Lanner an ſolchem Tiſchchendeckdich.
Beſonders eins von dieſen kleinen improviſirten Diners iſt mir unvergeßlich. Unſere Tiſchgenoſſen waren der liebens¬ würdige Dichter der »Todtenkränze« — der »nächtlichen Heer¬ ſchau« und des »Sterns von Sevilla«: der Kammerherr des Kaiſers Joſeph Freiherr von Zedlitz, die Herren von Dalberg und Varnhagen, Dr. Witthauer und Frau Brede. Die Nord- und Süddeutſchen ſprühten bald im brillan¬
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»En d'autres villes on mange – ce n'est qu'à
Paris qu'on dine« — ſagt Alexander Dumas, der
größte Epikuräer an der Seine, irgendwo. Als er dies
niederſchrieb, kannte er die luſtige Kaiſerſtadt an der
Donau noch nicht, ſonſt hätte er zu Gunſten Wiens ſicher
eine Diner-Ausnahme gemacht. Ich wenigſtens habe
ſelbſt in Paris nicht ſo köſtlich und ſo angenehm dinirt,
wie in Wien ſogar in den öffentlichen Lokalen. Schon
daß es im »Erzherzog Karl« keine langen und langweiligen
tables d'hôte gab, an denen man mit wildfremden und
oft recht unerquicklichen Leuten, von der Laune des Kellners
bunt zuſammengewürfelt, pflichtſchuldigſt die lange Speiſe¬
karte abhaſpelt, gefiel mir außerordentlich. Wir ſaßen
da mit guten Freunden nach unſerer Wahl an kleinen,
elegant und appetitlich ſervirten Tiſchen zuſammen, und
nach unſeren Wünſchen war das reizendſte kleine Diner
ſchnell zuſammengeſtellt. Häufig »dinirten« wir mit
unſeren Freunden auch in irgend einem der ſchönen Gärten
im Prater oder in den Vorſtädten Wiens unter den kühlen
Bäumen und unter den entzückenden Melodien von Strauß
und Lanner an ſolchem Tiſchchendeckdich.
Beſonders eins von dieſen kleinen improviſirten Diners
iſt mir unvergeßlich. Unſere Tiſchgenoſſen waren der liebens¬
würdige Dichter der »Todtenkränze« — der »nächtlichen Heer¬
ſchau« und des »Sterns von Sevilla«: der Kammerherr
des Kaiſers Joſeph Freiherr von Zedlitz, die Herren von
Dalberg und Varnhagen, Dr. Witthauer und Frau Brede.
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/308>, abgerufen am 25.11.2024.
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