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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Meine ältere Schwester war ein wunderbar begab¬
tes Wesen, hold und lieblich; sie starb am Nervenfieber,
erst zwölf Jahre alt. Die Brüder waren gutmüthig,
geistig aufgeweckt, aber wild und unbändig, wie die
meisten Knaben in unserem Wohnorte Bruchsal im Gro߬
herzogthum Baden. Die fast ununterbrochenen Truppen¬
durchmärsche 1813--1814, die Einquartierungen störten
die Hausordnung der Familien und die gequälten
Eltern vermochten ihre Kinder nicht vom Umgang mit
den Soldaten zurückzuhalten. Da hatte auch unsere
Mutter ihre liebe Noth. Sie strafte zwar sehr streng,
sperrte nicht selten die Brüder bei schmaler Kost ein,
-- doch das half nur auf kurze Zeit.

Auch ich drohte zu verwildern, denn ich liebte die
Brüder über Alles und begleitete sie nur zu gern, wenn
Kosaken oder Mameluken zu sehen waren. Ich jauchzte
dann lustig mit: Hurrah! oder: Vive l'Empereur!! --

Bis zu meinem sechsten Jahre kleidete die Mutter
mich als Knabe, weil ich zu unschön als Mädchen aus¬
sähe. Die starken Züge, die große Nase paßten eher
zum gelockten Tituskopf, und ein leichter Gang und Mo¬
bilität in allen Bewegungen ließen mich im Knaben¬
kostüm hübscher erscheinen. Ich war auch nicht wenig
stolz auf meinen Sonntagsanzug von dunkelblauem Tuch
mit Spitzenkragen und hellgelben Saffianstiefelchen. Ich
hatte zwei Titel: "Großnase" und "kleine Komödiantin".
Der erste demüthigte mich gar nicht, der zweite erfüllte
mich mit Stolz. Ich bildete mir nicht wenig darauf

Meine ältere Schweſter war ein wunderbar begab¬
tes Weſen, hold und lieblich; ſie ſtarb am Nervenfieber,
erſt zwölf Jahre alt. Die Brüder waren gutmüthig,
geiſtig aufgeweckt, aber wild und unbändig, wie die
meiſten Knaben in unſerem Wohnorte Bruchſal im Gro߬
herzogthum Baden. Die faſt ununterbrochenen Truppen¬
durchmärſche 1813—1814, die Einquartierungen ſtörten
die Hausordnung der Familien und die gequälten
Eltern vermochten ihre Kinder nicht vom Umgang mit
den Soldaten zurückzuhalten. Da hatte auch unſere
Mutter ihre liebe Noth. Sie ſtrafte zwar ſehr ſtreng,
ſperrte nicht ſelten die Brüder bei ſchmaler Koſt ein,
— doch das half nur auf kurze Zeit.

Auch ich drohte zu verwildern, denn ich liebte die
Brüder über Alles und begleitete ſie nur zu gern, wenn
Koſaken oder Mameluken zu ſehen waren. Ich jauchzte
dann luſtig mit: Hurrah! oder: Vive l'Empereur!!

Bis zu meinem ſechsten Jahre kleidete die Mutter
mich als Knabe, weil ich zu unſchön als Mädchen aus¬
ſähe. Die ſtarken Züge, die große Naſe paßten eher
zum gelockten Tituskopf, und ein leichter Gang und Mo¬
bilität in allen Bewegungen ließen mich im Knaben¬
koſtüm hübſcher erſcheinen. Ich war auch nicht wenig
ſtolz auf meinen Sonntagsanzug von dunkelblauem Tuch
mit Spitzenkragen und hellgelben Saffianſtiefelchen. Ich
hatte zwei Titel: »Großnaſe« und »kleine Komödiantin«.
Der erſte demüthigte mich gar nicht, der zweite erfüllte
mich mit Stolz. Ich bildete mir nicht wenig darauf

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[2/0030] Meine ältere Schweſter war ein wunderbar begab¬ tes Weſen, hold und lieblich; ſie ſtarb am Nervenfieber, erſt zwölf Jahre alt. Die Brüder waren gutmüthig, geiſtig aufgeweckt, aber wild und unbändig, wie die meiſten Knaben in unſerem Wohnorte Bruchſal im Gro߬ herzogthum Baden. Die faſt ununterbrochenen Truppen¬ durchmärſche 1813—1814, die Einquartierungen ſtörten die Hausordnung der Familien und die gequälten Eltern vermochten ihre Kinder nicht vom Umgang mit den Soldaten zurückzuhalten. Da hatte auch unſere Mutter ihre liebe Noth. Sie ſtrafte zwar ſehr ſtreng, ſperrte nicht ſelten die Brüder bei ſchmaler Koſt ein, — doch das half nur auf kurze Zeit. Auch ich drohte zu verwildern, denn ich liebte die Brüder über Alles und begleitete ſie nur zu gern, wenn Koſaken oder Mameluken zu ſehen waren. Ich jauchzte dann luſtig mit: Hurrah! oder: Vive l'Empereur!! — Bis zu meinem ſechsten Jahre kleidete die Mutter mich als Knabe, weil ich zu unſchön als Mädchen aus¬ ſähe. Die ſtarken Züge, die große Naſe paßten eher zum gelockten Tituskopf, und ein leichter Gang und Mo¬ bilität in allen Bewegungen ließen mich im Knaben¬ koſtüm hübſcher erſcheinen. Ich war auch nicht wenig ſtolz auf meinen Sonntagsanzug von dunkelblauem Tuch mit Spitzenkragen und hellgelben Saffianſtiefelchen. Ich hatte zwei Titel: »Großnaſe« und »kleine Komödiantin«. Der erſte demüthigte mich gar nicht, der zweite erfüllte mich mit Stolz. Ich bildete mir nicht wenig darauf

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/30>, abgerufen am 21.11.2024.