wurde dienstfertiger nach Empfang des Geldes, brachte Holz und Thee und nahm den Säugling, um ihn einst¬ weilen seiner Frau zur Pflege zu bringen. Dann half ich die Leiche aus der Kammer tragen, vertheilte die Lebensmittel, kaufte Stroh und ließ das alte fortschaffen. Ich verließ die Familie satt und in einem durchwärmten Raume. Doch nun gute Nacht!"
Des andern Morgens um 11 Uhr kam Pastor Muralt und rief freudestrahlend: "Alles nach Wunsch gegangen! Seht nur!" und so sprechend legte er eine Reihe blanker Goldstücke auf den Tisch. "Ja, Ihr Brief, der hat geholfen. Wie schön und rührend haben Sie mit wenig Zeilen das Unglück geschildert; ich möchte in meinem Zürcher Dütsch sagen: Das ischt prächti g'si! (Das ist prächtig gewesen!)" -- Unsere Gegenrede unterbrach er mit den Worten: "Nur schnell das Nö¬ thigste, ich habe Eile! Die Frau muß begraben, die Söhne bei braven Leuten untergebracht, das Kleine ver¬ sorgt werden. Ich komme eben aus der Höhle -- denn so nur ist die Wohnung zu benennen. Für den Vater ist es besser, er kehrt mit der Tochter in die Heimat zu¬ rück, die Buben können hier gut erzogen werden."
"Herrlicher Menschenfreund!" konnten wir endlich ausrufen. "Aber woher das viele Geld?"
"Woher? Vom Kaiser, von der Kaiserin und den drei lieblichen Großfürstinnen ... Als ich Ihren Brief empfing, wollte ich eben in das Winterpalais fahren, um den Prinzessinnen Nachricht von einer geliebten Leh¬
wurde dienſtfertiger nach Empfang des Geldes, brachte Holz und Thee und nahm den Säugling, um ihn einſt¬ weilen ſeiner Frau zur Pflege zu bringen. Dann half ich die Leiche aus der Kammer tragen, vertheilte die Lebensmittel, kaufte Stroh und ließ das alte fortſchaffen. Ich verließ die Familie ſatt und in einem durchwärmten Raume. Doch nun gute Nacht!«
Des andern Morgens um 11 Uhr kam Paſtor Muralt und rief freudeſtrahlend: »Alles nach Wunſch gegangen! Seht nur!« und ſo ſprechend legte er eine Reihe blanker Goldſtücke auf den Tiſch. »Ja, Ihr Brief, der hat geholfen. Wie ſchön und rührend haben Sie mit wenig Zeilen das Unglück geſchildert; ich möchte in meinem Zürcher Dütſch ſagen: Das iſcht prächti g'ſi! (Das iſt prächtig geweſen!)« — Unſere Gegenrede unterbrach er mit den Worten: »Nur ſchnell das Nö¬ thigſte, ich habe Eile! Die Frau muß begraben, die Söhne bei braven Leuten untergebracht, das Kleine ver¬ ſorgt werden. Ich komme eben aus der Höhle — denn ſo nur iſt die Wohnung zu benennen. Für den Vater iſt es beſſer, er kehrt mit der Tochter in die Heimat zu¬ rück, die Buben können hier gut erzogen werden.«
«Herrlicher Menſchenfreund!« konnten wir endlich ausrufen. »Aber woher das viele Geld?«
»Woher? Vom Kaiſer, von der Kaiſerin und den drei lieblichen Großfürſtinnen … Als ich Ihren Brief empfing, wollte ich eben in das Winterpalais fahren, um den Prinzeſſinnen Nachricht von einer geliebten Leh¬
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wurde dienſtfertiger nach Empfang des Geldes, brachte
Holz und Thee und nahm den Säugling, um ihn einſt¬
weilen ſeiner Frau zur Pflege zu bringen. Dann half
ich die Leiche aus der Kammer tragen, vertheilte die
Lebensmittel, kaufte Stroh und ließ das alte fortſchaffen.
Ich verließ die Familie ſatt und in einem durchwärmten
Raume. Doch nun gute Nacht!«
Des andern Morgens um 11 Uhr kam Paſtor
Muralt und rief freudeſtrahlend: »Alles nach Wunſch
gegangen! Seht nur!« und ſo ſprechend legte er eine
Reihe blanker Goldſtücke auf den Tiſch. »Ja, Ihr
Brief, der hat geholfen. Wie ſchön und rührend haben
Sie mit wenig Zeilen das Unglück geſchildert; ich möchte
in meinem Zürcher Dütſch ſagen: Das iſcht prächti
g'ſi! (Das iſt prächtig geweſen!)« — Unſere Gegenrede
unterbrach er mit den Worten: »Nur ſchnell das Nö¬
thigſte, ich habe Eile! Die Frau muß begraben, die
Söhne bei braven Leuten untergebracht, das Kleine ver¬
ſorgt werden. Ich komme eben aus der Höhle — denn
ſo nur iſt die Wohnung zu benennen. Für den Vater
iſt es beſſer, er kehrt mit der Tochter in die Heimat zu¬
rück, die Buben können hier gut erzogen werden.«
«Herrlicher Menſchenfreund!« konnten wir endlich
ausrufen. »Aber woher das viele Geld?«
»Woher? Vom Kaiſer, von der Kaiſerin und den
drei lieblichen Großfürſtinnen … Als ich Ihren Brief
empfing, wollte ich eben in das Winterpalais fahren,
um den Prinzeſſinnen Nachricht von einer geliebten Leh¬
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/264>, abgerufen am 22.11.2024.
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