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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Die sonst so belebte Residenz schien wie in Schlummer
versunken. Sämmtliche Theater waren auf kaiserlichen
Befehl geschlossen worden; Konzerte und Bälle wurden
verschoben, denn die Vornehmen und Reichen, sonst
Kutscher und Pferde nicht eben schonend, fühlten doch
jetzt ein menschliches Rühren und wollten bei der grim¬
migen Kälte die Equipagen nicht stundenlang ihrer im
Freien harren lassen.

Unvermeidliche Ausfahrten der Militairs, Beamten,
Geschäftsleute u. s. w. wurden in bedeckten, sorglich ge¬
schlossenen Schlitten eiligst abgemacht. Gar zu komisch
nahmen sich die Fußgänger mit den enormen Cache-nez
aus, und wagten ja Befreundete bei der feindlichen Tem¬
peratur uns zu besuchen, währte das Entpuppen aus
den schützenden Hüllen stets einige Minuten. Erschienen
dabei die Nasenspitzen verdächtig weiß, so wurde, unter
Lachen, der erfrorene Theil mit Schnee eifrigst gerieben,
um ihn wieder zu beleben.

Bruder Louis besuchte uns, trotz der Kälte, eines
Sonntags Nachmittags. In gar gemüthlicher Stim¬
mung setzten wir uns zum Kaffee, denn es war gut sein
im warmen, behaglichen Zimmer, von keiner Sorge be¬
lästigt in der für Viele so schweren Zeit. Wir sprachen
von der Noth der ärmeren Klassen. "Zum Glück ist das
Holz in Petersburg wohlfeil und die Menschen sind hülf¬
reich," sagte die Mutter, -- "hier wird Niemand ver¬
hungern noch erfrieren." Kaum war das letzte Wort
gesprochen, als die Thürklingel heftig gezogen wurde, und

Die ſonſt ſo belebte Reſidenz ſchien wie in Schlummer
verſunken. Sämmtliche Theater waren auf kaiſerlichen
Befehl geſchloſſen worden; Konzerte und Bälle wurden
verſchoben, denn die Vornehmen und Reichen, ſonſt
Kutſcher und Pferde nicht eben ſchonend, fühlten doch
jetzt ein menſchliches Rühren und wollten bei der grim¬
migen Kälte die Equipagen nicht ſtundenlang ihrer im
Freien harren laſſen.

Unvermeidliche Ausfahrten der Militairs, Beamten,
Geſchäftsleute u. ſ. w. wurden in bedeckten, ſorglich ge¬
ſchloſſenen Schlitten eiligſt abgemacht. Gar zu komiſch
nahmen ſich die Fußgänger mit den enormen Cache-nez
aus, und wagten ja Befreundete bei der feindlichen Tem¬
peratur uns zu beſuchen, währte das Entpuppen aus
den ſchützenden Hüllen ſtets einige Minuten. Erſchienen
dabei die Naſenſpitzen verdächtig weiß, ſo wurde, unter
Lachen, der erfrorene Theil mit Schnee eifrigſt gerieben,
um ihn wieder zu beleben.

Bruder Louis beſuchte uns, trotz der Kälte, eines
Sonntags Nachmittags. In gar gemüthlicher Stim¬
mung ſetzten wir uns zum Kaffee, denn es war gut ſein
im warmen, behaglichen Zimmer, von keiner Sorge be¬
läſtigt in der für Viele ſo ſchweren Zeit. Wir ſprachen
von der Noth der ärmeren Klaſſen. »Zum Glück iſt das
Holz in Petersburg wohlfeil und die Menſchen ſind hülf¬
reich,« ſagte die Mutter, — »hier wird Niemand ver¬
hungern noch erfrieren.« Kaum war das letzte Wort
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[232/0260] Die ſonſt ſo belebte Reſidenz ſchien wie in Schlummer verſunken. Sämmtliche Theater waren auf kaiſerlichen Befehl geſchloſſen worden; Konzerte und Bälle wurden verſchoben, denn die Vornehmen und Reichen, ſonſt Kutſcher und Pferde nicht eben ſchonend, fühlten doch jetzt ein menſchliches Rühren und wollten bei der grim¬ migen Kälte die Equipagen nicht ſtundenlang ihrer im Freien harren laſſen. Unvermeidliche Ausfahrten der Militairs, Beamten, Geſchäftsleute u. ſ. w. wurden in bedeckten, ſorglich ge¬ ſchloſſenen Schlitten eiligſt abgemacht. Gar zu komiſch nahmen ſich die Fußgänger mit den enormen Cache-nez aus, und wagten ja Befreundete bei der feindlichen Tem¬ peratur uns zu beſuchen, währte das Entpuppen aus den ſchützenden Hüllen ſtets einige Minuten. Erſchienen dabei die Naſenſpitzen verdächtig weiß, ſo wurde, unter Lachen, der erfrorene Theil mit Schnee eifrigſt gerieben, um ihn wieder zu beleben. Bruder Louis beſuchte uns, trotz der Kälte, eines Sonntags Nachmittags. In gar gemüthlicher Stim¬ mung ſetzten wir uns zum Kaffee, denn es war gut ſein im warmen, behaglichen Zimmer, von keiner Sorge be¬ läſtigt in der für Viele ſo ſchweren Zeit. Wir ſprachen von der Noth der ärmeren Klaſſen. »Zum Glück iſt das Holz in Petersburg wohlfeil und die Menſchen ſind hülf¬ reich,« ſagte die Mutter, — »hier wird Niemand ver¬ hungern noch erfrieren.« Kaum war das letzte Wort geſprochen, als die Thürklingel heftig gezogen wurde, und

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/260>, abgerufen am 25.11.2024.