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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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kaiserlich gesinnt und am Siege zweifelte Niemand. Nur
in vertrauten Kreisen hörte man zuweilen fragen: "Wenn
der Aufstand so leicht zu überwältigen ist, wie die Peters¬
burger Zeitungen schreiben -- wozu diese ungeheuren
Truppenmassen nach Polen?" --

Von Mitau kamen auch alarmirende Gerüchte: in
Lithauen sei es nicht geheuer. Und doch entschloß ich
mich, auf Wunsch der Mitauer mit der Rigaer Truppe
sechsmal bei ihnen aufzutreten. Aber schon nach der ersten
Gastrolle war's vorbei, und auf allgemeinen Rath eilten
wir zurück nach Riga. Man befürchtete in Mitau einen
Ueberfall der Insurgenten, die sich schon nicht weit von
der Stadt gezeigt haben sollten. Mitau war völlig wehr-
und schutzlos. Die Edelleute trotz ihrer bekannten Bra¬
vour waren nicht zahlreich genug, die Vertheidigung der
Stadt zu übernehmen. Unsere Rückreise glich einer Flucht.

Doch bald stellte es sich heraus, daß wir ganz ruhig
hätten fortspielen können. Es war blinder Lärm ge¬
wesen. Der Durchmarsch eines gerühmten Petersburger
Garderegiments durch Riga bleibt bei mir unvergeßlich.
Dies Regiment hatte nur Rappen, und die höheren Offi¬
ziere besaßen deren 2-3, jedes im Preise von cira
2000 Silber-Rubeln. Kein Wunder, daß nach einigen
Jahren Dienst bei der Garde die meisten Offiziere, Liv-
und Kurländer, ihr Vermögen zugesetzt haben.

Wie wir dem Durchmarsche dieses Regiments zu¬
schauen, kommt athemlos ein Beamter der Krone, und
ruft uns zu: "Viertausend polnische Soldaten sind bei

kaiſerlich geſinnt und am Siege zweifelte Niemand. Nur
in vertrauten Kreiſen hörte man zuweilen fragen: »Wenn
der Aufſtand ſo leicht zu überwältigen iſt, wie die Peters¬
burger Zeitungen ſchreiben — wozu dieſe ungeheuren
Truppenmaſſen nach Polen?« —

Von Mitau kamen auch alarmirende Gerüchte: in
Lithauen ſei es nicht geheuer. Und doch entſchloß ich
mich, auf Wunſch der Mitauer mit der Rigaer Truppe
ſechsmal bei ihnen aufzutreten. Aber ſchon nach der erſten
Gaſtrolle war's vorbei, und auf allgemeinen Rath eilten
wir zurück nach Riga. Man befürchtete in Mitau einen
Ueberfall der Inſurgenten, die ſich ſchon nicht weit von
der Stadt gezeigt haben ſollten. Mitau war völlig wehr-
und ſchutzlos. Die Edelleute trotz ihrer bekannten Bra¬
vour waren nicht zahlreich genug, die Vertheidigung der
Stadt zu übernehmen. Unſere Rückreiſe glich einer Flucht.

Doch bald ſtellte es ſich heraus, daß wir ganz ruhig
hätten fortſpielen können. Es war blinder Lärm ge¬
weſen. Der Durchmarſch eines gerühmten Petersburger
Garderegiments durch Riga bleibt bei mir unvergeßlich.
Dies Regiment hatte nur Rappen, und die höheren Offi¬
ziere beſaßen deren 2-3, jedes im Preiſe von cira
2000 Silber-Rubeln. Kein Wunder, daß nach einigen
Jahren Dienſt bei der Garde die meiſten Offiziere, Liv-
und Kurländer, ihr Vermögen zugeſetzt haben.

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[188/0216] kaiſerlich geſinnt und am Siege zweifelte Niemand. Nur in vertrauten Kreiſen hörte man zuweilen fragen: »Wenn der Aufſtand ſo leicht zu überwältigen iſt, wie die Peters¬ burger Zeitungen ſchreiben — wozu dieſe ungeheuren Truppenmaſſen nach Polen?« — Von Mitau kamen auch alarmirende Gerüchte: in Lithauen ſei es nicht geheuer. Und doch entſchloß ich mich, auf Wunſch der Mitauer mit der Rigaer Truppe ſechsmal bei ihnen aufzutreten. Aber ſchon nach der erſten Gaſtrolle war's vorbei, und auf allgemeinen Rath eilten wir zurück nach Riga. Man befürchtete in Mitau einen Ueberfall der Inſurgenten, die ſich ſchon nicht weit von der Stadt gezeigt haben ſollten. Mitau war völlig wehr- und ſchutzlos. Die Edelleute trotz ihrer bekannten Bra¬ vour waren nicht zahlreich genug, die Vertheidigung der Stadt zu übernehmen. Unſere Rückreiſe glich einer Flucht. Doch bald ſtellte es ſich heraus, daß wir ganz ruhig hätten fortſpielen können. Es war blinder Lärm ge¬ weſen. Der Durchmarſch eines gerühmten Petersburger Garderegiments durch Riga bleibt bei mir unvergeßlich. Dies Regiment hatte nur Rappen, und die höheren Offi¬ ziere beſaßen deren 2-3, jedes im Preiſe von cira 2000 Silber-Rubeln. Kein Wunder, daß nach einigen Jahren Dienſt bei der Garde die meiſten Offiziere, Liv- und Kurländer, ihr Vermögen zugeſetzt haben. Wie wir dem Durchmarſche dieſes Regiments zu¬ ſchauen, kommt athemlos ein Beamter der Krone, und ruft uns zu: »Viertauſend polniſche Soldaten ſind bei

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/216>, abgerufen am 22.11.2024.