Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

zusteuerte. Der russische Konsul in Memel, an den ich
empfohlen war, hatte mir gerathen, zur Vermeidung
von Unannehmlichkeiten im Mauthhause, seinen russisch
sprechenden Untersekretär bis Polangen mitzunehmen.
"Indessen," fügte er hinzu, "einige Trinkgelder müssen
Sie schon geben; die Leute sind darauf angewiesen bei
der kleinen Besoldung."

Unter diesem Schutz machten wir uns denn auch auf
den Weg. Aber bald sollten wir zu der trostlosen Einsicht
kommen, daß unser Ritter für uns das fünfte Rad am
Wagen war, denn es fehlte ihm die allernöthigste Energie.

"Sie führen doch keine neuen Gegenstände mit sich?"
fragte er ängstlich.

"Allerdings, meinen Reisebedarf."

"Schlimm, sehr schlimm!"

"Warum?"

"Man wird sie chikaniren --"

"Klappern Sie nur mit dem Gelde, dann rechnen
die Beamten auf gute Trinkgelder."

"Ich habe keines bei mir," erwiederte der Ritter
etwas verlegen.

"Hier, mein Herr," sagte ich, indem ich ihm einige
Rubel einhändigte.

Eine Stunde vor Polangen sahen wir Reiter auf
uns zukommen. Unser Schützer sagte: "Erschrecken Sie
nicht; es sind nur Grenzwächter!"

"Und was gehen uns diese an? Was wollen sie?"

"Uns bis zum Mauthhause begleiten."

zuſteuerte. Der ruſſiſche Konſul in Memel, an den ich
empfohlen war, hatte mir gerathen, zur Vermeidung
von Unannehmlichkeiten im Mauthhauſe, ſeinen ruſſiſch
ſprechenden Unterſekretär bis Polangen mitzunehmen.
»Indeſſen,« fügte er hinzu, »einige Trinkgelder müſſen
Sie ſchon geben; die Leute ſind darauf angewieſen bei
der kleinen Beſoldung.«

Unter dieſem Schutz machten wir uns denn auch auf
den Weg. Aber bald ſollten wir zu der troſtloſen Einſicht
kommen, daß unſer Ritter für uns das fünfte Rad am
Wagen war, denn es fehlte ihm die allernöthigſte Energie.

»Sie führen doch keine neuen Gegenſtände mit ſich?«
fragte er ängſtlich.

»Allerdings, meinen Reiſebedarf.«

»Schlimm, ſehr ſchlimm!«

»Warum?«

»Man wird ſie chikaniren —«

»Klappern Sie nur mit dem Gelde, dann rechnen
die Beamten auf gute Trinkgelder.«

»Ich habe keines bei mir,« erwiederte der Ritter
etwas verlegen.

»Hier, mein Herr,« ſagte ich, indem ich ihm einige
Rubel einhändigte.

Eine Stunde vor Polangen ſahen wir Reiter auf
uns zukommen. Unſer Schützer ſagte: »Erſchrecken Sie
nicht; es ſind nur Grenzwächter!«

»Und was gehen uns dieſe an? Was wollen ſie?«

»Uns bis zum Mauthhauſe begleiten.«

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0206" n="178"/>
zu&#x017F;teuerte. Der ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Kon&#x017F;ul in Memel, an den ich<lb/>
empfohlen war, hatte mir gerathen, zur Vermeidung<lb/>
von Unannehmlichkeiten im Mauthhau&#x017F;e, &#x017F;einen ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;prechenden Unter&#x017F;ekretär bis Polangen mitzunehmen.<lb/>
»Inde&#x017F;&#x017F;en,« fügte er hinzu, »einige Trinkgelder mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie &#x017F;chon geben; die Leute &#x017F;ind darauf angewie&#x017F;en bei<lb/>
der kleinen Be&#x017F;oldung.«</p><lb/>
        <p>Unter die&#x017F;em Schutz machten wir uns denn auch auf<lb/>
den Weg. Aber bald &#x017F;ollten wir zu der tro&#x017F;tlo&#x017F;en Ein&#x017F;icht<lb/>
kommen, daß un&#x017F;er Ritter für uns das fünfte Rad am<lb/>
Wagen war, denn es fehlte ihm die allernöthig&#x017F;te Energie.</p><lb/>
        <p>»Sie führen doch keine neuen Gegen&#x017F;tände mit &#x017F;ich?«<lb/>
fragte er äng&#x017F;tlich.</p><lb/>
        <p>»Allerdings, meinen Rei&#x017F;ebedarf.«</p><lb/>
        <p>»Schlimm, &#x017F;ehr &#x017F;chlimm!«</p><lb/>
        <p>»Warum?«</p><lb/>
        <p>»Man wird &#x017F;ie chikaniren &#x2014;«</p><lb/>
        <p>»Klappern Sie nur mit dem Gelde, dann rechnen<lb/>
die Beamten auf gute Trinkgelder.«</p><lb/>
        <p>»Ich habe keines bei mir,« erwiederte der Ritter<lb/>
etwas verlegen.</p><lb/>
        <p>»Hier, mein Herr,« &#x017F;agte ich, indem ich ihm einige<lb/>
Rubel einhändigte.</p><lb/>
        <p>Eine Stunde vor Polangen &#x017F;ahen wir Reiter auf<lb/>
uns zukommen. Un&#x017F;er Schützer &#x017F;agte: »Er&#x017F;chrecken Sie<lb/>
nicht; es &#x017F;ind nur Grenzwächter!«</p><lb/>
        <p>»Und was gehen uns die&#x017F;e an? Was wollen &#x017F;ie?«</p><lb/>
        <p>»Uns bis zum Mauthhau&#x017F;e begleiten.«<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0206] zuſteuerte. Der ruſſiſche Konſul in Memel, an den ich empfohlen war, hatte mir gerathen, zur Vermeidung von Unannehmlichkeiten im Mauthhauſe, ſeinen ruſſiſch ſprechenden Unterſekretär bis Polangen mitzunehmen. »Indeſſen,« fügte er hinzu, »einige Trinkgelder müſſen Sie ſchon geben; die Leute ſind darauf angewieſen bei der kleinen Beſoldung.« Unter dieſem Schutz machten wir uns denn auch auf den Weg. Aber bald ſollten wir zu der troſtloſen Einſicht kommen, daß unſer Ritter für uns das fünfte Rad am Wagen war, denn es fehlte ihm die allernöthigſte Energie. »Sie führen doch keine neuen Gegenſtände mit ſich?« fragte er ängſtlich. »Allerdings, meinen Reiſebedarf.« »Schlimm, ſehr ſchlimm!« »Warum?« »Man wird ſie chikaniren —« »Klappern Sie nur mit dem Gelde, dann rechnen die Beamten auf gute Trinkgelder.« »Ich habe keines bei mir,« erwiederte der Ritter etwas verlegen. »Hier, mein Herr,« ſagte ich, indem ich ihm einige Rubel einhändigte. Eine Stunde vor Polangen ſahen wir Reiter auf uns zukommen. Unſer Schützer ſagte: »Erſchrecken Sie nicht; es ſind nur Grenzwächter!« »Und was gehen uns dieſe an? Was wollen ſie?« »Uns bis zum Mauthhauſe begleiten.«

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/206
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/206>, abgerufen am 22.11.2024.