ruhigt hatte ... Sie spielte mit einer Tiefe des Gefühls, wie noch nie ... und nach der ergreifenden Schlußßene des vierten Aktes wurde ihrem meisterhaften Spiel don¬ nernder Beifall zu Theil ..."
Nach wenigen Wochen hatte sie über ihre Gegner vollständig gesiegt und sie stand wieder fest in der bewun¬ dernden Gunst des Publikums. Aber der bittere Stachel dieser furchtbarsten Kämpfe, die ein Künstler zu bestehen haben kann, blieb in ihrem Herzen. Im geselligen Leben zeigte sie eine eisige Zurückhaltung, scharfe Ironie und Verbitterung des Gemüths. Aber in der tragischen Kunst wußte sie seit dieser Tragödie in ihrem eigenen Herzen nur noch ergreifender, erschütternder, überwältigender zu wirken!
Ich sah Auguste Stich zum ersten Mal, als sie nach der Pariser Kunstreise im Juli 1824 in Romeo und Julie im dichtbesetzten Opernhause als bezaubernde Julia auf¬ trat und mit Blumen und Jubel empfangen wurde.
In Karlsruhe hatte die Intendanz auch wohl versucht, das Publikum für diese Schöpfung Shakespeare's zu enthu¬ siasmiren und sie nach langer Pause mit einer holdseligen Julie, Amalie Neumann, wieder in's Repertoir aufzuneh¬ men; aber -- die Tragödie mußte nach kurzem Schein¬ leben abermals von der Karlsruher Bühne verschwinden.
Die nüchternen Süddeutschen konnten nicht begreifen, daß die Zeichnung Juliens Norddeutschland so hinzureißen
ruhigt hatte … Sie ſpielte mit einer Tiefe des Gefühls, wie noch nie … und nach der ergreifenden Schlußſzene des vierten Aktes wurde ihrem meiſterhaften Spiel don¬ nernder Beifall zu Theil …«
Nach wenigen Wochen hatte ſie über ihre Gegner vollſtändig geſiegt und ſie ſtand wieder feſt in der bewun¬ dernden Gunſt des Publikums. Aber der bittere Stachel dieſer furchtbarſten Kämpfe, die ein Künſtler zu beſtehen haben kann, blieb in ihrem Herzen. Im geſelligen Leben zeigte ſie eine eiſige Zurückhaltung, ſcharfe Ironie und Verbitterung des Gemüths. Aber in der tragiſchen Kunſt wußte ſie ſeit dieſer Tragödie in ihrem eigenen Herzen nur noch ergreifender, erſchütternder, überwältigender zu wirken!
Ich ſah Auguſte Stich zum erſten Mal, als ſie nach der Pariſer Kunſtreiſe im Juli 1824 in Romeo und Julie im dichtbeſetzten Opernhauſe als bezaubernde Julia auf¬ trat und mit Blumen und Jubel empfangen wurde.
In Karlsruhe hatte die Intendanz auch wohl verſucht, das Publikum für dieſe Schöpfung Shakeſpeare's zu enthu¬ ſiasmiren und ſie nach langer Pauſe mit einer holdſeligen Julie, Amalie Neumann, wieder in's Repertoir aufzuneh¬ men; aber — die Tragödie mußte nach kurzem Schein¬ leben abermals von der Karlsruher Bühne verſchwinden.
Die nüchternen Süddeutſchen konnten nicht begreifen, daß die Zeichnung Juliens Norddeutſchland ſo hinzureißen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0192"n="164"/>
ruhigt hatte … Sie ſpielte mit einer Tiefe des Gefühls,<lb/>
wie noch nie … und nach der ergreifenden Schlußſzene<lb/>
des vierten Aktes wurde ihrem meiſterhaften Spiel don¬<lb/>
nernder Beifall zu Theil …«</p><lb/><p>Nach wenigen Wochen hatte ſie über ihre Gegner<lb/>
vollſtändig geſiegt und ſie ſtand wieder feſt in der bewun¬<lb/>
dernden Gunſt des Publikums. Aber der bittere Stachel<lb/>
dieſer furchtbarſten Kämpfe, die ein Künſtler zu beſtehen<lb/>
haben kann, blieb in ihrem Herzen. Im geſelligen Leben<lb/>
zeigte ſie eine eiſige Zurückhaltung, ſcharfe Ironie und<lb/>
Verbitterung des Gemüths. Aber in der tragiſchen Kunſt<lb/>
wußte ſie ſeit dieſer Tragödie in ihrem eigenen Herzen<lb/>
nur noch ergreifender, erſchütternder, überwältigender<lb/>
zu wirken!</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Ich ſah Auguſte Stich zum erſten Mal, als ſie nach<lb/>
der Pariſer Kunſtreiſe im Juli 1824 in Romeo und Julie<lb/>
im dichtbeſetzten Opernhauſe als bezaubernde Julia auf¬<lb/>
trat und mit Blumen und Jubel empfangen wurde.</p><lb/><p>In Karlsruhe hatte die Intendanz auch wohl verſucht,<lb/>
das Publikum für dieſe Schöpfung Shakeſpeare's zu enthu¬<lb/>ſiasmiren und ſie nach langer Pauſe mit einer holdſeligen<lb/>
Julie, Amalie Neumann, wieder in's Repertoir aufzuneh¬<lb/>
men; aber — die Tragödie mußte nach kurzem Schein¬<lb/>
leben abermals von der Karlsruher Bühne verſchwinden.</p><lb/><p>Die nüchternen Süddeutſchen konnten nicht begreifen,<lb/>
daß die Zeichnung Juliens Norddeutſchland ſo hinzureißen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[164/0192]
ruhigt hatte … Sie ſpielte mit einer Tiefe des Gefühls,
wie noch nie … und nach der ergreifenden Schlußſzene
des vierten Aktes wurde ihrem meiſterhaften Spiel don¬
nernder Beifall zu Theil …«
Nach wenigen Wochen hatte ſie über ihre Gegner
vollſtändig geſiegt und ſie ſtand wieder feſt in der bewun¬
dernden Gunſt des Publikums. Aber der bittere Stachel
dieſer furchtbarſten Kämpfe, die ein Künſtler zu beſtehen
haben kann, blieb in ihrem Herzen. Im geſelligen Leben
zeigte ſie eine eiſige Zurückhaltung, ſcharfe Ironie und
Verbitterung des Gemüths. Aber in der tragiſchen Kunſt
wußte ſie ſeit dieſer Tragödie in ihrem eigenen Herzen
nur noch ergreifender, erſchütternder, überwältigender
zu wirken!
Ich ſah Auguſte Stich zum erſten Mal, als ſie nach
der Pariſer Kunſtreiſe im Juli 1824 in Romeo und Julie
im dichtbeſetzten Opernhauſe als bezaubernde Julia auf¬
trat und mit Blumen und Jubel empfangen wurde.
In Karlsruhe hatte die Intendanz auch wohl verſucht,
das Publikum für dieſe Schöpfung Shakeſpeare's zu enthu¬
ſiasmiren und ſie nach langer Pauſe mit einer holdſeligen
Julie, Amalie Neumann, wieder in's Repertoir aufzuneh¬
men; aber — die Tragödie mußte nach kurzem Schein¬
leben abermals von der Karlsruher Bühne verſchwinden.
Die nüchternen Süddeutſchen konnten nicht begreifen,
daß die Zeichnung Juliens Norddeutſchland ſo hinzureißen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/192>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.