Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.seine Verzeihung. Inmitten der peinlichsten Verhöre vor Ueber dies erste, furchtbar schwere Wieder-Auf¬ *) Dies Wort hätte der berühmten Künstlerin fast ihre Stellung
in Berlin gekostet. Das Publikum war tief beleidigt und verlangte öffentliche Abbitte. Ganz Berlin war in fieberhafter Aufregung: wie Friederike Bethmann diese Abbitte leisten würde, ohne ihrer Künstler¬ ſeine Verzeihung. Inmitten der peinlichſten Verhöre vor Ueber dies erſte, furchtbar ſchwere Wieder-Auf¬ *) Dies Wort hätte der berühmten Künſtlerin faſt ihre Stellung
in Berlin gekoſtet. Das Publikum war tief beleidigt und verlangte öffentliche Abbitte. Ganz Berlin war in fieberhafter Aufregung: wie Friederike Bethmann dieſe Abbitte leiſten würde, ohne ihrer Künſtler¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0190" n="162"/> ſeine Verzeihung. Inmitten der peinlichſten Verhöre vor<lb/> dem Gerichtshofe mußte ſie vor einen weit gefährlicheren<lb/> Richter treten: vor das tauſendköpfige erzürnte Publikum<lb/> … und ſie wußte: Friedrich Wilhelm der Gerechte hatte<lb/> befohlen: »Polizei nicht einmiſchen — Publikum richten<lb/> laſſen — Recht dazu hat!« Herzog Karl von Mecklenburg<lb/> aber hatte dafür geſorgt, daß kein Student für den<lb/> Abend ein Billet erhielt und daß faſt alle Offiziere<lb/> Berlins im Theater anweſend waren.</p><lb/> <p>Ueber dies erſte, furchtbar ſchwere Wieder-Auf¬<lb/> treten der Stich, am 8. Mai, erzählte mir Amalie<lb/> Wolff: »Die Stich hatte eine ihrer idealſten, edelſten<lb/> Schöpfungen gewählt: die Thekla in Wallenſtein's Tod.<lb/> Ich ſtand als Gräfin Terzky neben ihr auf der Bühne«<lb/> — und Amalie Wolff's Stimme bebte noch vor Er¬<lb/> regung — »als ein minutenlanges Ziſchen, Pfeifen, Hohn¬<lb/> lachen und die gröblichſten Schmähworte uns umtoſten.<lb/> … Ich zitterte ſelber vor Entrüſtung über dieſe Schmach<lb/> und war in Verſuchung, die arme Kollegin bei der<lb/> Hand zu nehmen und von der Bühne zu ziehen und<lb/> gleich der ſeligen Bethmann — als dieſe wie eine ver¬<lb/> wundete Löwin ihre ausgeziſchte Tochter hinter die Cou¬<lb/> liſſen riß — zu rufen: vor dieſem Publikum ſpielſt Du<lb/> nicht wieder!<note xml:id="note-0190" next="#note-0191" place="foot" n="*)">Dies Wort hätte der berühmten Künſtlerin faſt ihre Stellung<lb/> in Berlin gekoſtet. Das Publikum war tief beleidigt und verlangte<lb/> öffentliche Abbitte. Ganz Berlin war in fieberhafter Aufregung: wie<lb/> Friederike Bethmann dieſe Abbitte leiſten würde, ohne ihrer Künſtler¬</note> </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [162/0190]
ſeine Verzeihung. Inmitten der peinlichſten Verhöre vor
dem Gerichtshofe mußte ſie vor einen weit gefährlicheren
Richter treten: vor das tauſendköpfige erzürnte Publikum
… und ſie wußte: Friedrich Wilhelm der Gerechte hatte
befohlen: »Polizei nicht einmiſchen — Publikum richten
laſſen — Recht dazu hat!« Herzog Karl von Mecklenburg
aber hatte dafür geſorgt, daß kein Student für den
Abend ein Billet erhielt und daß faſt alle Offiziere
Berlins im Theater anweſend waren.
Ueber dies erſte, furchtbar ſchwere Wieder-Auf¬
treten der Stich, am 8. Mai, erzählte mir Amalie
Wolff: »Die Stich hatte eine ihrer idealſten, edelſten
Schöpfungen gewählt: die Thekla in Wallenſtein's Tod.
Ich ſtand als Gräfin Terzky neben ihr auf der Bühne«
— und Amalie Wolff's Stimme bebte noch vor Er¬
regung — »als ein minutenlanges Ziſchen, Pfeifen, Hohn¬
lachen und die gröblichſten Schmähworte uns umtoſten.
… Ich zitterte ſelber vor Entrüſtung über dieſe Schmach
und war in Verſuchung, die arme Kollegin bei der
Hand zu nehmen und von der Bühne zu ziehen und
gleich der ſeligen Bethmann — als dieſe wie eine ver¬
wundete Löwin ihre ausgeziſchte Tochter hinter die Cou¬
liſſen riß — zu rufen: vor dieſem Publikum ſpielſt Du
nicht wieder! *)
*) Dies Wort hätte der berühmten Künſtlerin faſt ihre Stellung
in Berlin gekoſtet. Das Publikum war tief beleidigt und verlangte
öffentliche Abbitte. Ganz Berlin war in fieberhafter Aufregung: wie
Friederike Bethmann dieſe Abbitte leiſten würde, ohne ihrer Künſtler¬
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