Stich ist soeben von dem Anbeter seiner Frau, dem jungen Grafen Blücher, in seiner Wohnung nieder¬ gestoßen worden!
Der König erfuhr die Kunde auch noch im Theater. Prinz August theilte ihm dieselbe schonend mit. Er war tief erschüttert und befahl die strengste Untersuchung. Diese leitete Herzog Karl von Mecklenburg, Bruder der Königin Louise, mit seltenem Takte. Er verstand die zarteste Rücksicht auf einen alten, historischen, populären Heldennamen und auf den bis dahin fleckenlosen Ruf einer edlen Künstlerin mit der Würde der Gerechtigkeit zu verbinden.
Die einfache, traurige Thatsache ist folgende:
Der Graf Blücher, ein junger, liebenswürdiger Offizier und Enkel des alten Feldmarschalls, des popu¬ lärsten Helden der Freiheitskriege, hatte schon längst im Stillen in Auguste Stich die große, bezaubernde Künst¬ lerin verehrt, aber noch nie Gelegenheit gefunden, diese Verehrung seinem Idol auszusprechen. Seine bevor¬ stehende Versetzung von Berlin gab endlich dem feurigen Anbeter den Muth und die Macht der Ueberredung, von der Gefeierten ein Abschiedswort in ihrer Wohnung zu erbitten und zu erlangen.
Stich war an jenem unglücklichen Abende, den 6. Februar 1823, in einem kleinen Lustspiel beschäftigt. Am Ende seiner Rolle flüsterte ihm sein Kollege, der Komiker Gern, zu: in diesem Augenblick ist Graf Blücher bei Deiner Frau ...
Stich iſt ſoeben von dem Anbeter ſeiner Frau, dem jungen Grafen Blücher, in ſeiner Wohnung nieder¬ geſtoßen worden!
Der König erfuhr die Kunde auch noch im Theater. Prinz Auguſt theilte ihm dieſelbe ſchonend mit. Er war tief erſchüttert und befahl die ſtrengſte Unterſuchung. Dieſe leitete Herzog Karl von Mecklenburg, Bruder der Königin Louiſe, mit ſeltenem Takte. Er verſtand die zarteſte Rückſicht auf einen alten, hiſtoriſchen, populären Heldennamen und auf den bis dahin fleckenloſen Ruf einer edlen Künſtlerin mit der Würde der Gerechtigkeit zu verbinden.
Die einfache, traurige Thatſache iſt folgende:
Der Graf Blücher, ein junger, liebenswürdiger Offizier und Enkel des alten Feldmarſchalls, des popu¬ lärſten Helden der Freiheitskriege, hatte ſchon längſt im Stillen in Auguſte Stich die große, bezaubernde Künſt¬ lerin verehrt, aber noch nie Gelegenheit gefunden, dieſe Verehrung ſeinem Idol auszuſprechen. Seine bevor¬ ſtehende Verſetzung von Berlin gab endlich dem feurigen Anbeter den Muth und die Macht der Ueberredung, von der Gefeierten ein Abſchiedswort in ihrer Wohnung zu erbitten und zu erlangen.
Stich war an jenem unglücklichen Abende, den 6. Februar 1823, in einem kleinen Luſtſpiel beſchäftigt. Am Ende ſeiner Rolle flüſterte ihm ſein Kollege, der Komiker Gern, zu: in dieſem Augenblick iſt Graf Blücher bei Deiner Frau …
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Stich iſt ſoeben von dem Anbeter ſeiner Frau, dem
jungen Grafen Blücher, in ſeiner Wohnung nieder¬
geſtoßen worden!
Der König erfuhr die Kunde auch noch im Theater.
Prinz Auguſt theilte ihm dieſelbe ſchonend mit. Er war
tief erſchüttert und befahl die ſtrengſte Unterſuchung.
Dieſe leitete Herzog Karl von Mecklenburg, Bruder der
Königin Louiſe, mit ſeltenem Takte. Er verſtand die
zarteſte Rückſicht auf einen alten, hiſtoriſchen, populären
Heldennamen und auf den bis dahin fleckenloſen Ruf
einer edlen Künſtlerin mit der Würde der Gerechtigkeit
zu verbinden.
Die einfache, traurige Thatſache iſt folgende:
Der Graf Blücher, ein junger, liebenswürdiger
Offizier und Enkel des alten Feldmarſchalls, des popu¬
lärſten Helden der Freiheitskriege, hatte ſchon längſt im
Stillen in Auguſte Stich die große, bezaubernde Künſt¬
lerin verehrt, aber noch nie Gelegenheit gefunden, dieſe
Verehrung ſeinem Idol auszuſprechen. Seine bevor¬
ſtehende Verſetzung von Berlin gab endlich dem feurigen
Anbeter den Muth und die Macht der Ueberredung, von
der Gefeierten ein Abſchiedswort in ihrer Wohnung zu
erbitten und zu erlangen.
Stich war an jenem unglücklichen Abende, den
6. Februar 1823, in einem kleinen Luſtſpiel beſchäftigt.
Am Ende ſeiner Rolle flüſterte ihm ſein Kollege, der
Komiker Gern, zu: in dieſem Augenblick iſt Graf Blücher
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/188>, abgerufen am 22.11.2024.
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