Wie liebenswürdig war Wolff in feinen Konversations¬ stücken, wie belebend wirkte sein Humor in Lustspielen, und wie meisterhaft in ernsten, edlen, dramatischen Auf¬ gaben! Nie spielte er, um größeren Beifall zu erringen, gegen seine Ueberzeugung; er strebte unermüdlich nach Vollkommenheit und war gegen sich selbst am strengsten.
Und dieser wahre, gewissenhafte Künstler mußte im besten Mannesalter sterben! Bei dem Abschied vor der letzten Reise nach Ems war der Ausdruck seiner schönen geistvollen Augen ein unendlich wehmüthiger. Er ver¬ suchte lächelnd auf Wiedersehen zu sagen, aber es klang hoffnungslos.
Wie freudig wurden wir aber überrascht, als uns Mad. Wolff hoffnungsvolle Briefe aus Ems sandte! Zwar sehr entkräftet, aber doch selbst voll neuen Muthes, trat er die Rückreise an. Sie nahmen ihren Weg über Weimar, und hier zwang ihn die plötzlich wieder aus¬ brechende unbarmherzige Krankheit zum Bleiben.
Wo der Stern am Kunsthimmel ihm aufgegangen war, ist der Stern seines Lebens erloschen. An einem Sommerabend trugen ihn seine alten Freunde auf den Friedhof hinaus, wo auch Karl August, Goethe, Schiller, Hummel und seine Kollegen aus Goethe's Schule: Oels, Vohs und Moltke, jetzt längst ruhen.
Mad. Wolff sprach gern von dem Entschlafenen; sie versicherte, daß es sie beruhige und ihre Sehnsucht mildere, wenn sie so mit ganzer Seele der Vergangenheit gedächte und mittheilen könne, wie viel des Schönen und
Wie liebenswürdig war Wolff in feinen Konverſations¬ ſtücken, wie belebend wirkte ſein Humor in Luſtſpielen, und wie meiſterhaft in ernſten, edlen, dramatiſchen Auf¬ gaben! Nie ſpielte er, um größeren Beifall zu erringen, gegen ſeine Ueberzeugung; er ſtrebte unermüdlich nach Vollkommenheit und war gegen ſich ſelbſt am ſtrengſten.
Und dieſer wahre, gewiſſenhafte Künſtler mußte im beſten Mannesalter ſterben! Bei dem Abſchied vor der letzten Reiſe nach Ems war der Ausdruck ſeiner ſchönen geiſtvollen Augen ein unendlich wehmüthiger. Er ver¬ ſuchte lächelnd auf Wiederſehen zu ſagen, aber es klang hoffnungslos.
Wie freudig wurden wir aber überraſcht, als uns Mad. Wolff hoffnungsvolle Briefe aus Ems ſandte! Zwar ſehr entkräftet, aber doch ſelbſt voll neuen Muthes, trat er die Rückreiſe an. Sie nahmen ihren Weg über Weimar, und hier zwang ihn die plötzlich wieder aus¬ brechende unbarmherzige Krankheit zum Bleiben.
Wo der Stern am Kunſthimmel ihm aufgegangen war, iſt der Stern ſeines Lebens erloſchen. An einem Sommerabend trugen ihn ſeine alten Freunde auf den Friedhof hinaus, wo auch Karl Auguſt, Goethe, Schiller, Hummel und ſeine Kollegen aus Goethe's Schule: Oels, Vohs und Moltke, jetzt längſt ruhen.
Mad. Wolff ſprach gern von dem Entſchlafenen; ſie verſicherte, daß es ſie beruhige und ihre Sehnſucht mildere, wenn ſie ſo mit ganzer Seele der Vergangenheit gedächte und mittheilen könne, wie viel des Schönen und
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Wie liebenswürdig war Wolff in feinen Konverſations¬
ſtücken, wie belebend wirkte ſein Humor in Luſtſpielen,
und wie meiſterhaft in ernſten, edlen, dramatiſchen Auf¬
gaben! Nie ſpielte er, um größeren Beifall zu erringen,
gegen ſeine Ueberzeugung; er ſtrebte unermüdlich nach
Vollkommenheit und war gegen ſich ſelbſt am ſtrengſten.
Und dieſer wahre, gewiſſenhafte Künſtler mußte im
beſten Mannesalter ſterben! Bei dem Abſchied vor der
letzten Reiſe nach Ems war der Ausdruck ſeiner ſchönen
geiſtvollen Augen ein unendlich wehmüthiger. Er ver¬
ſuchte lächelnd auf Wiederſehen zu ſagen, aber es klang
hoffnungslos.
Wie freudig wurden wir aber überraſcht, als uns
Mad. Wolff hoffnungsvolle Briefe aus Ems ſandte!
Zwar ſehr entkräftet, aber doch ſelbſt voll neuen Muthes,
trat er die Rückreiſe an. Sie nahmen ihren Weg über
Weimar, und hier zwang ihn die plötzlich wieder aus¬
brechende unbarmherzige Krankheit zum Bleiben.
Wo der Stern am Kunſthimmel ihm aufgegangen
war, iſt der Stern ſeines Lebens erloſchen. An einem
Sommerabend trugen ihn ſeine alten Freunde auf den
Friedhof hinaus, wo auch Karl Auguſt, Goethe, Schiller,
Hummel und ſeine Kollegen aus Goethe's Schule: Oels,
Vohs und Moltke, jetzt längſt ruhen.
Mad. Wolff ſprach gern von dem Entſchlafenen;
ſie verſicherte, daß es ſie beruhige und ihre Sehnſucht
mildere, wenn ſie ſo mit ganzer Seele der Vergangenheit
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/150>, abgerufen am 22.11.2024.
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