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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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ließ sich nicht erblicken. Abends freue ich mich, wie schön
sie aussieht, erwarte großen Beifall ... aber der bleibt
beinahe ganz aus. Auch mir kommt die Art des Dekla¬
mirens etwas unnatürlich vor, doch auch Manches hübsch
und lobenswerth. Die Toni ist vorüber -- kein Devrient
zu sehen! Der Tochter standen Thränen im Auge. Wir
spielen die Gouvernante, man applaudirt, denn sie sprach
charmant französisch als alte Gouvernante. Dennoch
kein -- Devrient! Andern Morgens kommt Fräulein
Devrient und klagt uns: der Vater ließe sie nicht mehr
hier auftreten, es sei mit Affektation nichts zu machen,
sie würde immer unnatürlich sprechen, sei von Klinge¬
mann's verschroben gebildet, und es sei undelikat, einem
Publikum die Tochter aufzudringen, weil es den Vater
liebe ...

Devrient hatte als Künstler recht, aber als Vater
konnte er doch wohl versuchen, ob diese Manier der sonst
so begabten Tochter nicht zu ändern sei. Seine fixe
Idee war aber: es ginge nicht ...


Louise von Holtei, geborne Rogee, sollte ich nicht
näher kennen lernen. Sie kränkelte schon längere Zeit
und betrat nur noch selten die Bühne.

Und dann -- wenige Monate nach meinem Engage¬
ment -- während der Leseprobe von "Pauline" (Schauspiel
von Frau von Weißenthurn) stürzte der Theaterdiener

ließ ſich nicht erblicken. Abends freue ich mich, wie ſchön
ſie ausſieht, erwarte großen Beifall … aber der bleibt
beinahe ganz aus. Auch mir kommt die Art des Dekla¬
mirens etwas unnatürlich vor, doch auch Manches hübſch
und lobenswerth. Die Toni iſt vorüber — kein Devrient
zu ſehen! Der Tochter ſtanden Thränen im Auge. Wir
ſpielen die Gouvernante, man applaudirt, denn ſie ſprach
charmant franzöſiſch als alte Gouvernante. Dennoch
kein — Devrient! Andern Morgens kommt Fräulein
Devrient und klagt uns: der Vater ließe ſie nicht mehr
hier auftreten, es ſei mit Affektation nichts zu machen,
ſie würde immer unnatürlich ſprechen, ſei von Klinge¬
mann's verſchroben gebildet, und es ſei undelikat, einem
Publikum die Tochter aufzudringen, weil es den Vater
liebe …

Devrient hatte als Künſtler recht, aber als Vater
konnte er doch wohl verſuchen, ob dieſe Manier der ſonſt
ſo begabten Tochter nicht zu ändern ſei. Seine fixe
Idee war aber: es ginge nicht …


Louiſe von Holtei, geborne Rogée, ſollte ich nicht
näher kennen lernen. Sie kränkelte ſchon längere Zeit
und betrat nur noch ſelten die Bühne.

Und dann — wenige Monate nach meinem Engage¬
ment — während der Leſeprobe von »Pauline« (Schauſpiel
von Frau von Weißenthurn) ſtürzte der Theaterdiener

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[118/0146] ließ ſich nicht erblicken. Abends freue ich mich, wie ſchön ſie ausſieht, erwarte großen Beifall … aber der bleibt beinahe ganz aus. Auch mir kommt die Art des Dekla¬ mirens etwas unnatürlich vor, doch auch Manches hübſch und lobenswerth. Die Toni iſt vorüber — kein Devrient zu ſehen! Der Tochter ſtanden Thränen im Auge. Wir ſpielen die Gouvernante, man applaudirt, denn ſie ſprach charmant franzöſiſch als alte Gouvernante. Dennoch kein — Devrient! Andern Morgens kommt Fräulein Devrient und klagt uns: der Vater ließe ſie nicht mehr hier auftreten, es ſei mit Affektation nichts zu machen, ſie würde immer unnatürlich ſprechen, ſei von Klinge¬ mann's verſchroben gebildet, und es ſei undelikat, einem Publikum die Tochter aufzudringen, weil es den Vater liebe … Devrient hatte als Künſtler recht, aber als Vater konnte er doch wohl verſuchen, ob dieſe Manier der ſonſt ſo begabten Tochter nicht zu ändern ſei. Seine fixe Idee war aber: es ginge nicht … Louiſe von Holtei, geborne Rogée, ſollte ich nicht näher kennen lernen. Sie kränkelte ſchon längere Zeit und betrat nur noch ſelten die Bühne. Und dann — wenige Monate nach meinem Engage¬ ment — während der Leſeprobe von »Pauline« (Schauſpiel von Frau von Weißenthurn) ſtürzte der Theaterdiener

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/146>, abgerufen am 08.05.2024.