Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

ist!" Sie fand meine Ansicht ganz richtig, daß Frau
von Holtei an Goethe's Mignon erinnere. "Wenn doch
mein armer Kleist diesen Erfolg seines Stückes erlebt
hätte!" -- rief sie mit Wehmuth aus, -- "er hätte nicht
so furchtbar geendet -- von der eigenen Hand! Hätte
dieser Eine goldene Glücksstrahl seine umdüsterte Seele
erhellt, Muth und Kraft wären ihm zurückgekehrt -- zu
neuem Leben -- zu neuem Dichten!"

Ihre Augen hatten im Eifer des Gespräches einen
wunderbaren Glanz bekommen, und die blassen Wangen
waren geröthet. Das ließ sie unendlich interessant und
anziehend erscheinen.

Madame Brede lenkte das Gespräch auf Frau von
Varnhagen's Herzblatt, Friederike Unzelmann-Bethmann,
und ich bat inständigst, mir von dieser seltenen Künstlerin
zu erzählen. Heinrich Bethmann habe in rührender
Begeisterung mir so viele Wunder von der verstorbenen
Gattin berichtet. Rahel bestätigte Alles. "Friederike
Bethmann hat uns gezeigt, wie richtig das Wort: "La
grace
-- plus belle que la beaute!" Obgleich etwas
zu stark für ihre kleine Figur und mit zu dickem Halse,
wußte sie doch trotz ihrer 48 Jahre alle Welt zu bezaubern,
so daß August Wilhelm von Schlegel in seinem herrlichen
Gedicht an die Bethmann sie mit Recht "ein Feenkind"
nennen durfte, bei dem die Anmuth mit den Grazien
Pathen gewesen. Sie spielte -- gleich Ludwig Devrient --
stets wie plötzlich inspirirt. Sie besaß eine unerschöpfliche
Wärme des Gefühls, und ihre Stimme verstand nicht

iſt!« Sie fand meine Anſicht ganz richtig, daß Frau
von Holtei an Goethe's Mignon erinnere. »Wenn doch
mein armer Kleiſt dieſen Erfolg ſeines Stückes erlebt
hätte!« — rief ſie mit Wehmuth aus, — »er hätte nicht
ſo furchtbar geendet — von der eigenen Hand! Hätte
dieſer Eine goldene Glücksſtrahl ſeine umdüſterte Seele
erhellt, Muth und Kraft wären ihm zurückgekehrt — zu
neuem Leben — zu neuem Dichten!«

Ihre Augen hatten im Eifer des Geſpräches einen
wunderbaren Glanz bekommen, und die blaſſen Wangen
waren geröthet. Das ließ ſie unendlich intereſſant und
anziehend erſcheinen.

Madame Brede lenkte das Geſpräch auf Frau von
Varnhagen's Herzblatt, Friederike Unzelmann-Bethmann,
und ich bat inſtändigſt, mir von dieſer ſeltenen Künſtlerin
zu erzählen. Heinrich Bethmann habe in rührender
Begeiſterung mir ſo viele Wunder von der verſtorbenen
Gattin berichtet. Rahel beſtätigte Alles. »Friederike
Bethmann hat uns gezeigt, wie richtig das Wort: »La
grâce
plus belle que la beauté!« Obgleich etwas
zu ſtark für ihre kleine Figur und mit zu dickem Halſe,
wußte ſie doch trotz ihrer 48 Jahre alle Welt zu bezaubern,
ſo daß Auguſt Wilhelm von Schlegel in ſeinem herrlichen
Gedicht an die Bethmann ſie mit Recht »ein Feenkind«
nennen durfte, bei dem die Anmuth mit den Grazien
Pathen geweſen. Sie ſpielte — gleich Ludwig Devrient —
ſtets wie plötzlich inſpirirt. Sie beſaß eine unerſchöpfliche
Wärme des Gefühls, und ihre Stimme verſtand nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="90"/>
i&#x017F;t!« Sie fand meine An&#x017F;icht ganz richtig, daß Frau<lb/>
von Holtei an Goethe's Mignon erinnere. »Wenn doch<lb/>
mein armer Klei&#x017F;t die&#x017F;en Erfolg &#x017F;eines Stückes erlebt<lb/>
hätte!« &#x2014; rief &#x017F;ie mit Wehmuth aus, &#x2014; »er hätte nicht<lb/>
&#x017F;o furchtbar geendet &#x2014; von der eigenen Hand! Hätte<lb/>
die&#x017F;er Eine goldene Glücks&#x017F;trahl &#x017F;eine umdü&#x017F;terte Seele<lb/>
erhellt, Muth und Kraft wären ihm zurückgekehrt &#x2014; zu<lb/>
neuem Leben &#x2014; zu neuem Dichten!«</p><lb/>
        <p>Ihre Augen hatten im Eifer des Ge&#x017F;präches einen<lb/>
wunderbaren Glanz bekommen, und die bla&#x017F;&#x017F;en Wangen<lb/>
waren geröthet. Das ließ &#x017F;ie unendlich intere&#x017F;&#x017F;ant und<lb/>
anziehend er&#x017F;cheinen.</p><lb/>
        <p>Madame Brede lenkte das Ge&#x017F;präch auf Frau von<lb/>
Varnhagen's Herzblatt, Friederike Unzelmann-Bethmann,<lb/>
und ich bat in&#x017F;tändig&#x017F;t, mir von die&#x017F;er &#x017F;eltenen Kün&#x017F;tlerin<lb/>
zu erzählen. Heinrich Bethmann habe in rührender<lb/>
Begei&#x017F;terung mir &#x017F;o viele Wunder von der ver&#x017F;torbenen<lb/>
Gattin berichtet. Rahel be&#x017F;tätigte Alles. »Friederike<lb/>
Bethmann hat uns gezeigt, wie richtig das Wort: »<hi rendition="#aq">La<lb/>
grâce</hi> &#x2014; <hi rendition="#aq">plus belle que la beauté!</hi>« Obgleich etwas<lb/>
zu &#x017F;tark für ihre kleine Figur und mit zu dickem Hal&#x017F;e,<lb/>
wußte &#x017F;ie doch trotz ihrer 48 Jahre alle Welt zu bezaubern,<lb/>
&#x017F;o daß Augu&#x017F;t Wilhelm von Schlegel in &#x017F;einem herrlichen<lb/>
Gedicht an die Bethmann &#x017F;ie mit Recht »ein Feenkind«<lb/>
nennen durfte, bei dem die Anmuth mit den Grazien<lb/>
Pathen gewe&#x017F;en. Sie &#x017F;pielte &#x2014; gleich Ludwig Devrient &#x2014;<lb/>
&#x017F;tets wie plötzlich in&#x017F;pirirt. Sie be&#x017F;aß eine uner&#x017F;chöpfliche<lb/>
Wärme des Gefühls, und ihre Stimme ver&#x017F;tand nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0118] iſt!« Sie fand meine Anſicht ganz richtig, daß Frau von Holtei an Goethe's Mignon erinnere. »Wenn doch mein armer Kleiſt dieſen Erfolg ſeines Stückes erlebt hätte!« — rief ſie mit Wehmuth aus, — »er hätte nicht ſo furchtbar geendet — von der eigenen Hand! Hätte dieſer Eine goldene Glücksſtrahl ſeine umdüſterte Seele erhellt, Muth und Kraft wären ihm zurückgekehrt — zu neuem Leben — zu neuem Dichten!« Ihre Augen hatten im Eifer des Geſpräches einen wunderbaren Glanz bekommen, und die blaſſen Wangen waren geröthet. Das ließ ſie unendlich intereſſant und anziehend erſcheinen. Madame Brede lenkte das Geſpräch auf Frau von Varnhagen's Herzblatt, Friederike Unzelmann-Bethmann, und ich bat inſtändigſt, mir von dieſer ſeltenen Künſtlerin zu erzählen. Heinrich Bethmann habe in rührender Begeiſterung mir ſo viele Wunder von der verſtorbenen Gattin berichtet. Rahel beſtätigte Alles. »Friederike Bethmann hat uns gezeigt, wie richtig das Wort: »La grâce — plus belle que la beauté!« Obgleich etwas zu ſtark für ihre kleine Figur und mit zu dickem Halſe, wußte ſie doch trotz ihrer 48 Jahre alle Welt zu bezaubern, ſo daß Auguſt Wilhelm von Schlegel in ſeinem herrlichen Gedicht an die Bethmann ſie mit Recht »ein Feenkind« nennen durfte, bei dem die Anmuth mit den Grazien Pathen geweſen. Sie ſpielte — gleich Ludwig Devrient — ſtets wie plötzlich inſpirirt. Sie beſaß eine unerſchöpfliche Wärme des Gefühls, und ihre Stimme verſtand nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/118
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/118>, abgerufen am 23.11.2024.