Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Bedürfnisse magischer Operationen gebildet werden, fehlen, soweit
durch Zaubersprüche noch ersetzbar, und obwohl die drei Korn-
schwestern*) Deohoko oder (s. Morgan) Our Supporter's gekannt
sein müssen, weil zur Erhaltung des Lebens selbst erforderlich,
auch "Grossvater"**) Heno mit dem Donnerkeil, der bei den
Erntearbeiten die Luft in Gewittern verklärt, so belästigt man sich
doch mit keinem weiteren Cult der Honochenokeh ("Invisible Aids",
die von der Gottheit über die einzelnen Naturgegenstände***), in
jeden derselben gesetzt sind), ausser ihrer dankenden Erwähnung
in den Gebeten.

Anders aber nun mit Hä-ne-go-ate-geh, den die Legende zu
Hä-wen-ne-yu's jüngerem Bruder macht, der indess auch ohne solch
mythische Schöpfung, als realiter existirend gefühlt wird, in jedem
Augenblick des Lebens, als dieses Lebens Elend und Jammer.
Ihn der, wenn kein Zoroaster in seinem Sohn Oshedar-Mah
einen Wächter gesetzt, überall sich einschleicht, wie Kurrat
der Esthen+), den man wie die Tschuwashen es gegen den
bösen Schaitan von Thore erflehen, gerne gefesselt sähe, wie Hi-
kuleo++) in Bolotu durch Mani und Tangaroa, ihn sucht man nun an

*) Die Dreiheit der Ilman impyet ihanat (liebliche Jungfrauen der Luft)
war von Ukko aus seinen Knien hervorgerieben (bei den Finnen). Trismegistus
lehrt facere deos (bei August.), und dann folgen Rivalitäten, wie sich der capi-
tolinische Jupiter über die Verminderung der Verehrer (und ihrer Opfergaben)
beklagt (Tonantem pro janitore ei oppositum). Als tritogene tritt Athene zu
Zeus und Here (nach G. Herrmann), mit Stühlen zum Sitz (neben dem Ruhebett).
**) Mit Pergubios (Gott der Früchte und Ernte) oder (bei Tscheremissen)
Pürükscha (Pugurscha Juma oder Kudortscha Juma) sich berührend, hiess Perkun
der Preussen oder (in Nowgorod) Perun (mit Blitzstein in Swastica) Wezzais
tehws, Altvater, bei den Letten. Bei den Finnen hat Jumala (nach Lencquist)
die Bezeichnung der Gottheit im Allgemeinen, obwohl auch wieder (als Jumala
ilma der Luft oder des Wetters) in besonderen Beziehungen (wie zu Ukko)
gesetzt (s. Castren) bis zur bildlichen Darstellung (in Olaf's Zeit) -- en i
gardhin stendr god Bjarma, er heitir Jomale --, wie auch bei den Samojeden
der allgemein umbreitende Himmel die für sie wichtigste Personification des
Heerdenhüters in Jilibeambaertze annehmen mag, oder für Ackerbauer Saturnus
(et ops, als Caelum et terra) und Tengri (bei Mongolen) den Inbegriff der "Esprits,
genies terrestres et celestes, bons et mauvais" (s. Kowalewski).
***) Bei den Lappen stand jeder Gegenstand unter dem Schutze eines
Haldde und beim Zeltaufschlagen wurde dem des Ortes geopfert. Der Genius
loci wurzelt im Boden, als Schlange. Stryjkowski beschreibt Potrympum, larem
sive unum ex diis penatibus (bei Murini), als längsgewundene Schlange (neben
dem Idol des Perkun).
+) Die ihn durch Geprügel und Räuchern vertrieben, wenn Viehsterben,
oder gar Unglücksfälle in der Familie seine Anwesenheit im Dorfe verdächtig
machen. Bei den Slawen steht dem Dobrebog (s. Reinesius) als gutem, der
böse (sleho) gegenüber.
++) Gleich einem Nachzehrer, dem in der Mark das Genick gebrochen wird,
zog er die Erstgeburten aus Tonga an sich, und auf dem vom Ersten Menschen
11*

Bedürfnisse magischer Operationen gebildet werden, fehlen, soweit
durch Zaubersprüche noch ersetzbar, und obwohl die drei Korn-
schwestern*) Deohoko oder (s. Morgan) Our Supporter’s gekannt
sein müssen, weil zur Erhaltung des Lebens selbst erforderlich,
auch „Grossvater“**) Heno mit dem Donnerkeil, der bei den
Erntearbeiten die Luft in Gewittern verklärt, so belästigt man sich
doch mit keinem weiteren Cult der Honochenokeh („Invisible Aids“,
die von der Gottheit über die einzelnen Naturgegenstände***), in
jeden derselben gesetzt sind), ausser ihrer dankenden Erwähnung
in den Gebeten.

Anders aber nun mit Hä-ne-go-ate-geh, den die Legende zu
Hä-wen-ne-yu’s jüngerem Bruder macht, der indess auch ohne solch
mythische Schöpfung, als realiter existirend gefühlt wird, in jedem
Augenblick des Lebens, als dieses Lebens Elend und Jammer.
Ihn der, wenn kein Zoroaster in seinem Sohn Oshedar-Mah
einen Wächter gesetzt, überall sich einschleicht, wie Kurrat
der Esthen†), den man wie die Tschuwashen es gegen den
bösen Schaitan von Thore erflehen, gerne gefesselt sähe, wie Hi-
kuleo††) in Bolotu durch Mani und Tangaroa, ihn sucht man nun an

*) Die Dreiheit der Ilman impyet ihanat (liebliche Jungfrauen der Luft)
war von Ukko aus seinen Knien hervorgerieben (bei den Finnen). Trismegistus
lehrt facere deos (bei August.), und dann folgen Rivalitäten, wie sich der capi-
tolinische Jupiter über die Verminderung der Verehrer (und ihrer Opfergaben)
beklagt (Tonantem pro janitore ei oppositum). Als τριτογενή tritt Athene zu
Zeus und Here (nach G. Herrmann), mit Stühlen zum Sitz (neben dem Ruhebett).
**) Mit Pergubios (Gott der Früchte und Ernte) oder (bei Tscheremissen)
Pürükscha (Pugurscha Juma oder Kudortscha Juma) sich berührend, hiess Perkun
der Preussen oder (in Nowgorod) Perun (mit Blitzstein in Swastica) Wezzais
tehws, Altvater, bei den Letten. Bei den Finnen hat Jumala (nach Lencquist)
die Bezeichnung der Gottheit im Allgemeinen, obwohl auch wieder (als Jumala
ilma der Luft oder des Wetters) in besonderen Beziehungen (wie zu Ukko)
gesetzt (s. Castrén) bis zur bildlichen Darstellung (in Olaf’s Zeit) — en i
gardhin stendr god Bjarma, er heitir Jomale —, wie auch bei den Samojeden
der allgemein umbreitende Himmel die für sie wichtigste Personification des
Heerdenhüters in Jilibeambaertze annehmen mag, oder für Ackerbauer Saturnus
(et ops, als Caelum et terra) und Tengri (bei Mongolen) den Inbegriff der „Esprits,
génies terrestres et célestes, bons et mauvais“ (s. Kowalewski).
***) Bei den Lappen stand jeder Gegenstand unter dem Schutze eines
Haldde und beim Zeltaufschlagen wurde dem des Ortes geopfert. Der Genius
loci wurzelt im Boden, als Schlange. Stryjkowski beschreibt Potrympum, larem
sive unum ex diis penatibus (bei Murini), als längsgewundene Schlange (neben
dem Idol des Perkun).
†) Die ihn durch Geprügel und Räuchern vertrieben, wenn Viehsterben,
oder gar Unglücksfälle in der Familie seine Anwesenheit im Dorfe verdächtig
machen. Bei den Slawen steht dem Dobrebog (s. Reinesius) als gutem, der
böse (sleho) gegenüber.
††) Gleich einem Nachzehrer, dem in der Mark das Genick gebrochen wird,
zog er die Erstgeburten aus Tonga an sich, und auf dem vom Ersten Menschen
11*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0197" n="163"/>
Bedürfnisse magischer Operationen gebildet werden, fehlen, soweit<lb/>
durch Zaubersprüche noch ersetzbar, und obwohl die drei Korn-<lb/>
schwestern<note place="foot" n="*)">Die Dreiheit der Ilman impyet ihanat (liebliche Jungfrauen der Luft)<lb/>
war von Ukko aus seinen Knien hervorgerieben (bei den Finnen). Trismegistus<lb/>
lehrt facere deos (bei August.), und dann folgen Rivalitäten, wie sich der capi-<lb/>
tolinische Jupiter über die Verminderung der Verehrer (und ihrer Opfergaben)<lb/>
beklagt (Tonantem pro janitore ei oppositum). Als &#x03C4;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C4;&#x03BF;&#x03B3;&#x03B5;&#x03BD;&#x03AE; tritt Athene zu<lb/>
Zeus und Here (nach G. Herrmann), mit Stühlen zum Sitz (neben dem Ruhebett).</note> Deohoko oder (s. Morgan) Our Supporter&#x2019;s gekannt<lb/>
sein müssen, weil zur Erhaltung des Lebens selbst erforderlich,<lb/>
auch &#x201E;Grossvater&#x201C;<note place="foot" n="**)">Mit Pergubios (Gott der Früchte und Ernte) oder (bei Tscheremissen)<lb/>
Pürükscha (Pugurscha Juma oder Kudortscha Juma) sich berührend, hiess Perkun<lb/>
der Preussen oder (in Nowgorod) Perun (mit Blitzstein in Swastica) Wezzais<lb/>
tehws, Altvater, bei den Letten. Bei den Finnen hat Jumala (nach Lencquist)<lb/>
die Bezeichnung der Gottheit im Allgemeinen, obwohl auch wieder (als Jumala<lb/>
ilma der Luft oder des Wetters) in besonderen Beziehungen (wie zu Ukko)<lb/>
gesetzt (s. Castrén) bis zur bildlichen Darstellung (in Olaf&#x2019;s Zeit) &#x2014; en i<lb/>
gardhin stendr god Bjarma, er heitir Jomale &#x2014;, wie auch bei den Samojeden<lb/>
der allgemein umbreitende Himmel die für sie wichtigste Personification des<lb/>
Heerdenhüters in Jilibeambaertze annehmen mag, oder für Ackerbauer Saturnus<lb/>
(et ops, als Caelum et terra) und Tengri (bei Mongolen) den Inbegriff der &#x201E;Esprits,<lb/>
génies terrestres et célestes, bons et mauvais&#x201C; (s. Kowalewski).</note> Heno mit dem Donnerkeil, der bei den<lb/>
Erntearbeiten die Luft in Gewittern verklärt, so belästigt man sich<lb/>
doch mit keinem weiteren Cult der Honochenokeh (&#x201E;Invisible Aids&#x201C;,<lb/>
die von der Gottheit über die einzelnen Naturgegenstände<note place="foot" n="***)">Bei den Lappen stand jeder Gegenstand unter dem Schutze eines<lb/>
Haldde und beim Zeltaufschlagen wurde dem des Ortes geopfert. Der Genius<lb/>
loci wurzelt im Boden, als Schlange. Stryjkowski beschreibt Potrympum, larem<lb/>
sive unum ex diis penatibus (bei Murini), als längsgewundene Schlange (neben<lb/>
dem Idol des Perkun).</note>, in<lb/>
jeden derselben gesetzt sind), ausser ihrer dankenden Erwähnung<lb/>
in den Gebeten.</p><lb/>
          <p>Anders aber nun mit Hä-ne-go-ate-geh, den die Legende zu<lb/>
Hä-wen-ne-yu&#x2019;s jüngerem Bruder macht, der indess auch ohne solch<lb/>
mythische Schöpfung, als realiter existirend gefühlt wird, in jedem<lb/>
Augenblick des Lebens, als dieses Lebens Elend und Jammer.<lb/>
Ihn der, wenn kein Zoroaster in seinem Sohn Oshedar-Mah<lb/>
einen Wächter gesetzt, überall sich einschleicht, wie Kurrat<lb/>
der Esthen<note place="foot" n="&#x2020;)">Die ihn durch Geprügel und Räuchern vertrieben, wenn Viehsterben,<lb/>
oder gar Unglücksfälle in der Familie seine Anwesenheit im Dorfe verdächtig<lb/>
machen. Bei den Slawen steht dem Dobrebog (s. Reinesius) als gutem, der<lb/>
böse (sleho) gegenüber.</note>, den man wie die Tschuwashen es gegen den<lb/>
bösen Schaitan von Thore erflehen, gerne gefesselt sähe, wie Hi-<lb/>
kuleo<note xml:id="seg2pn_44_1" next="#seg2pn_44_2" place="foot" n="&#x2020;&#x2020;)">Gleich einem Nachzehrer, dem in der Mark das Genick gebrochen wird,<lb/>
zog er die Erstgeburten aus Tonga an sich, und auf dem vom Ersten Menschen</note> in Bolotu durch Mani und Tangaroa, ihn sucht man nun an<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0197] Bedürfnisse magischer Operationen gebildet werden, fehlen, soweit durch Zaubersprüche noch ersetzbar, und obwohl die drei Korn- schwestern *) Deohoko oder (s. Morgan) Our Supporter’s gekannt sein müssen, weil zur Erhaltung des Lebens selbst erforderlich, auch „Grossvater“ **) Heno mit dem Donnerkeil, der bei den Erntearbeiten die Luft in Gewittern verklärt, so belästigt man sich doch mit keinem weiteren Cult der Honochenokeh („Invisible Aids“, die von der Gottheit über die einzelnen Naturgegenstände ***), in jeden derselben gesetzt sind), ausser ihrer dankenden Erwähnung in den Gebeten. Anders aber nun mit Hä-ne-go-ate-geh, den die Legende zu Hä-wen-ne-yu’s jüngerem Bruder macht, der indess auch ohne solch mythische Schöpfung, als realiter existirend gefühlt wird, in jedem Augenblick des Lebens, als dieses Lebens Elend und Jammer. Ihn der, wenn kein Zoroaster in seinem Sohn Oshedar-Mah einen Wächter gesetzt, überall sich einschleicht, wie Kurrat der Esthen †), den man wie die Tschuwashen es gegen den bösen Schaitan von Thore erflehen, gerne gefesselt sähe, wie Hi- kuleo ††) in Bolotu durch Mani und Tangaroa, ihn sucht man nun an *) Die Dreiheit der Ilman impyet ihanat (liebliche Jungfrauen der Luft) war von Ukko aus seinen Knien hervorgerieben (bei den Finnen). Trismegistus lehrt facere deos (bei August.), und dann folgen Rivalitäten, wie sich der capi- tolinische Jupiter über die Verminderung der Verehrer (und ihrer Opfergaben) beklagt (Tonantem pro janitore ei oppositum). Als τριτογενή tritt Athene zu Zeus und Here (nach G. Herrmann), mit Stühlen zum Sitz (neben dem Ruhebett). **) Mit Pergubios (Gott der Früchte und Ernte) oder (bei Tscheremissen) Pürükscha (Pugurscha Juma oder Kudortscha Juma) sich berührend, hiess Perkun der Preussen oder (in Nowgorod) Perun (mit Blitzstein in Swastica) Wezzais tehws, Altvater, bei den Letten. Bei den Finnen hat Jumala (nach Lencquist) die Bezeichnung der Gottheit im Allgemeinen, obwohl auch wieder (als Jumala ilma der Luft oder des Wetters) in besonderen Beziehungen (wie zu Ukko) gesetzt (s. Castrén) bis zur bildlichen Darstellung (in Olaf’s Zeit) — en i gardhin stendr god Bjarma, er heitir Jomale —, wie auch bei den Samojeden der allgemein umbreitende Himmel die für sie wichtigste Personification des Heerdenhüters in Jilibeambaertze annehmen mag, oder für Ackerbauer Saturnus (et ops, als Caelum et terra) und Tengri (bei Mongolen) den Inbegriff der „Esprits, génies terrestres et célestes, bons et mauvais“ (s. Kowalewski). ***) Bei den Lappen stand jeder Gegenstand unter dem Schutze eines Haldde und beim Zeltaufschlagen wurde dem des Ortes geopfert. Der Genius loci wurzelt im Boden, als Schlange. Stryjkowski beschreibt Potrympum, larem sive unum ex diis penatibus (bei Murini), als längsgewundene Schlange (neben dem Idol des Perkun). †) Die ihn durch Geprügel und Räuchern vertrieben, wenn Viehsterben, oder gar Unglücksfälle in der Familie seine Anwesenheit im Dorfe verdächtig machen. Bei den Slawen steht dem Dobrebog (s. Reinesius) als gutem, der böse (sleho) gegenüber. ††) Gleich einem Nachzehrer, dem in der Mark das Genick gebrochen wird, zog er die Erstgeburten aus Tonga an sich, und auf dem vom Ersten Menschen 11*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/197
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/197>, abgerufen am 07.10.2024.