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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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dienste durch die (wie früher an römische Soldaten) ver-
liehenen Beneficien (im Landbesitz) bildete sich der (militärische)
Hofadel*) durch Karl M., der unter dessen schwachen Nach-
folgern in Hausgesetzen oder "Pactes de famille" das Recht
der Primogenitur im Feudalismus**) feststellte, da unter den
anfangs verschiedenen Vereinbarungen ausserdem die Sicherung
der Dienstverpflichtungen am geeignetsten erschien, wenn sie
in einer Hand verblieb und zugleich auf den ältesten Sohn,
als den am raschesten zu militärischer Tüchtigkeit heran-
gewachsenen, haftete. Auch in indischen Dorfcommunen
knüpfen sich (trotz Gemein-Erbschaft) die Aemter, wenn
erblich (wherever public office or political power devolves)
gern an den ältesten Sohn, und unter Hinweis auf die für
schottischen Clan geltenden Erstgeburtsrechte erkennt Morgan
darin, unter dem Sinken der fränkischen Monarchie eine
Retrogression (gleichsam eine Art Atavismus, liesse sich
sagen) auf archaistische Ueberlebsel aus patriarchalischen
Zuständen, wie sie sich am reinsten in polynesischen Ariki
zeigen würden. Bei geographisch-klimatisch gegebener Lang-
lebigkeit mag sich dann mitunter (besonders unter Ueber-
lieferung von Traditionen) die Kette***) zwischen Grossvater

*) Neben dem (erblichen) Adel der Andrianen bildete Radama II.
durch Ehrenauszeichnungen (Voninahitra) die Rangstufen eines militärischen
Adels (bei den Howa). Die mit Kronländereien belehnten Tecpantlaca unter
der Tecuhtli waren dafür zu Diensten verpflichtet (bei den Azteken).
**) Die Besitzrechte des Feudalismus (in Beziehung zur Emphyteusis
aus den Latifundien) war durch römische Unterscheidung zwischen quiritischem
und bonitarischem Eigenthum (vor der durch Justinian hergestellten Einheit)
beeinflusst, und in den Besitznahmen durch Eroberung erhielten ursprüng-
liche Bedeutungen der Possessio wieder ihre Kraft (wie bei australischer
Colonisirung zeitweis in den Squatter), in der Modification der agri vecti-
gales (mit coloni medietarii der Meyereien) zu agri limitrophi (militärisch
zu schützender Grenze).
***) Bei Hindu, "if the eldest son fails, his eldest son has precedence
not only over brothers, but over uncles". Die celtischen Clan "confer the
chieftainship on the eldest surviving male of the first generation" ("failing
the eldest son, his next brother succeeds in priority to all grandsons"). In

dienste durch die (wie früher an römische Soldaten) ver-
liehenen Beneficien (im Landbesitz) bildete sich der (militärische)
Hofadel*) durch Karl M., der unter dessen schwachen Nach-
folgern in Hausgesetzen oder „Pactes de famille“ das Recht
der Primogenitur im Feudalismus**) feststellte, da unter den
anfangs verschiedenen Vereinbarungen ausserdem die Sicherung
der Dienstverpflichtungen am geeignetsten erschien, wenn sie
in einer Hand verblieb und zugleich auf den ältesten Sohn,
als den am raschesten zu militärischer Tüchtigkeit heran-
gewachsenen, haftete. Auch in indischen Dorfcommunen
knüpfen sich (trotz Gemein-Erbschaft) die Aemter, wenn
erblich (wherever public office or political power devolves)
gern an den ältesten Sohn, und unter Hinweis auf die für
schottischen Clan geltenden Erstgeburtsrechte erkennt Morgan
darin, unter dem Sinken der fränkischen Monarchie eine
Retrogression (gleichsam eine Art Atavismus, liesse sich
sagen) auf archaistische Ueberlebsel aus patriarchalischen
Zuständen, wie sie sich am reinsten in polynesischen Ariki
zeigen würden. Bei geographisch-klimatisch gegebener Lang-
lebigkeit mag sich dann mitunter (besonders unter Ueber-
lieferung von Traditionen) die Kette***) zwischen Grossvater

*) Neben dem (erblichen) Adel der Andrianen bildete Radama II.
durch Ehrenauszeichnungen (Voninahitra) die Rangstufen eines militärischen
Adels (bei den Howa). Die mit Kronländereien belehnten Tecpantlaca unter
der Tecuhtli waren dafür zu Diensten verpflichtet (bei den Azteken).
**) Die Besitzrechte des Feudalismus (in Beziehung zur Emphyteusis
aus den Latifundien) war durch römische Unterscheidung zwischen quiritischem
und bonitarischem Eigenthum (vor der durch Justinian hergestellten Einheit)
beeinflusst, und in den Besitznahmen durch Eroberung erhielten ursprüng-
liche Bedeutungen der Possessio wieder ihre Kraft (wie bei australischer
Colonisirung zeitweis in den Squatter), in der Modification der agri vecti-
gales (mit coloni medietarii der Meyereien) zu agri limitrophi (militärisch
zu schützender Grenze).
***) Bei Hindu, „if the eldest son fails, his eldest son has precedence
not only over brothers, but over uncles“. Die celtischen Clan „confer the
chieftainship on the eldest surviving male of the first generation“ („failing
the eldest son, his next brother succeeds in priority to all grandsons“). In
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[110/0144] dienste durch die (wie früher an römische Soldaten) ver- liehenen Beneficien (im Landbesitz) bildete sich der (militärische) Hofadel *) durch Karl M., der unter dessen schwachen Nach- folgern in Hausgesetzen oder „Pactes de famille“ das Recht der Primogenitur im Feudalismus **) feststellte, da unter den anfangs verschiedenen Vereinbarungen ausserdem die Sicherung der Dienstverpflichtungen am geeignetsten erschien, wenn sie in einer Hand verblieb und zugleich auf den ältesten Sohn, als den am raschesten zu militärischer Tüchtigkeit heran- gewachsenen, haftete. Auch in indischen Dorfcommunen knüpfen sich (trotz Gemein-Erbschaft) die Aemter, wenn erblich (wherever public office or political power devolves) gern an den ältesten Sohn, und unter Hinweis auf die für schottischen Clan geltenden Erstgeburtsrechte erkennt Morgan darin, unter dem Sinken der fränkischen Monarchie eine Retrogression (gleichsam eine Art Atavismus, liesse sich sagen) auf archaistische Ueberlebsel aus patriarchalischen Zuständen, wie sie sich am reinsten in polynesischen Ariki zeigen würden. Bei geographisch-klimatisch gegebener Lang- lebigkeit mag sich dann mitunter (besonders unter Ueber- lieferung von Traditionen) die Kette ***) zwischen Grossvater *) Neben dem (erblichen) Adel der Andrianen bildete Radama II. durch Ehrenauszeichnungen (Voninahitra) die Rangstufen eines militärischen Adels (bei den Howa). Die mit Kronländereien belehnten Tecpantlaca unter der Tecuhtli waren dafür zu Diensten verpflichtet (bei den Azteken). **) Die Besitzrechte des Feudalismus (in Beziehung zur Emphyteusis aus den Latifundien) war durch römische Unterscheidung zwischen quiritischem und bonitarischem Eigenthum (vor der durch Justinian hergestellten Einheit) beeinflusst, und in den Besitznahmen durch Eroberung erhielten ursprüng- liche Bedeutungen der Possessio wieder ihre Kraft (wie bei australischer Colonisirung zeitweis in den Squatter), in der Modification der agri vecti- gales (mit coloni medietarii der Meyereien) zu agri limitrophi (militärisch zu schützender Grenze). ***) Bei Hindu, „if the eldest son fails, his eldest son has precedence not only over brothers, but over uncles“. Die celtischen Clan „confer the chieftainship on the eldest surviving male of the first generation“ („failing the eldest son, his next brother succeeds in priority to all grandsons“). In

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/144>, abgerufen am 28.11.2024.