Bey dem Anfange oder Anscheine einer Krankheit lebe in allen Stücken enthaltsamer, als sonst, und setze deine Arbeit fort, wenn du dich dabey nicht beschwerter befindest, als bey der gänzlichen Ruhe. Mußt du aus Schwachheit oder aus Schmerz ruhen; so folge, wenn du ihn haben kannst, dem Rathe gewöhnlicher Aerzte. Du mußt dein Leben und die baldige Genesung wünschen und befördern; aber ohne quälende Furcht vor einem möglichen Tode, oder einer langwierigen Krankheit. Denn solche Furcht ist mehrentheils ein Jrrthum. Oft machen nur die Wirkungen der Angst, daß das geschehe, was man befürchtet. Uebrigens gehören Krankheit und Tod zu denen den Menschen bestimmten Uebeln, welche Gott zum Besten wendet.
Wenn du durch Krankheit eine lebhafte Erin- nerung deines Todes bekömmst: so bediene dich ihrer, dich zur wahren Besserung vorzubereiten, falls du leben solltest; ersetze den durch deine Schuld und dein Exempel zugefügten Schaden, so viel du kannst. Setze Betrachtungen Gottes und das Gebet fort, so lange es dich bessert und tröstet. Aber befördre dein Uebel nicht durch be- schwerliche und quälende äusserliche Uebungen der Andacht, wenn sie nur Affecte und Betäubungen verursachen, welche nicht bessern. Denn Gott
richtet
E
aus natuͤrlicher Erkenntniß ꝛc.
Bey dem Anfange oder Anſcheine einer Krankheit lebe in allen Stuͤcken enthaltſamer, als ſonſt, und ſetze deine Arbeit fort, wenn du dich dabey nicht beſchwerter befindeſt, als bey der gaͤnzlichen Ruhe. Mußt du aus Schwachheit oder aus Schmerz ruhen; ſo folge, wenn du ihn haben kannſt, dem Rathe gewoͤhnlicher Aerzte. Du mußt dein Leben und die baldige Geneſung wuͤnſchen und befoͤrdern; aber ohne quaͤlende Furcht vor einem moͤglichen Tode, oder einer langwierigen Krankheit. Denn ſolche Furcht iſt mehrentheils ein Jrrthum. Oft machen nur die Wirkungen der Angſt, daß das geſchehe, was man befuͤrchtet. Uebrigens gehoͤren Krankheit und Tod zu denen den Menſchen beſtimmten Uebeln, welche Gott zum Beſten wendet.
Wenn du durch Krankheit eine lebhafte Erin- nerung deines Todes bekoͤmmſt: ſo bediene dich ihrer, dich zur wahren Beſſerung vorzubereiten, falls du leben ſollteſt; erſetze den durch deine Schuld und dein Exempel zugefuͤgten Schaden, ſo viel du kannſt. Setze Betrachtungen Gottes und das Gebet fort, ſo lange es dich beſſert und troͤſtet. Aber befoͤrdre dein Uebel nicht durch be- ſchwerliche und quaͤlende aͤuſſerliche Uebungen der Andacht, wenn ſie nur Affecte und Betaͤubungen verurſachen, welche nicht beſſern. Denn Gott
richtet
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aus natuͤrlicher Erkenntniß ꝛc.
Bey dem Anfange oder Anſcheine einer
Krankheit lebe in allen Stuͤcken enthaltſamer,
als ſonſt, und ſetze deine Arbeit fort, wenn du
dich dabey nicht beſchwerter befindeſt, als bey der
gaͤnzlichen Ruhe. Mußt du aus Schwachheit
oder aus Schmerz ruhen; ſo folge, wenn du ihn
haben kannſt, dem Rathe gewoͤhnlicher Aerzte.
Du mußt dein Leben und die baldige Geneſung
wuͤnſchen und befoͤrdern; aber ohne quaͤlende
Furcht vor einem moͤglichen Tode, oder einer
langwierigen Krankheit. Denn ſolche Furcht iſt
mehrentheils ein Jrrthum. Oft machen nur die
Wirkungen der Angſt, daß das geſchehe, was man
befuͤrchtet. Uebrigens gehoͤren Krankheit und
Tod zu denen den Menſchen beſtimmten Uebeln,
welche Gott zum Beſten wendet.
Wenn du durch Krankheit eine lebhafte Erin-
nerung deines Todes bekoͤmmſt: ſo bediene dich
ihrer, dich zur wahren Beſſerung vorzubereiten,
falls du leben ſollteſt; erſetze den durch deine
Schuld und dein Exempel zugefuͤgten Schaden,
ſo viel du kannſt. Setze Betrachtungen Gottes
und das Gebet fort, ſo lange es dich beſſert und
troͤſtet. Aber befoͤrdre dein Uebel nicht durch be-
ſchwerliche und quaͤlende aͤuſſerliche Uebungen der
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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/89>, abgerufen am 03.07.2024.
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