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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

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Die Sittenlehre
essen und trinken, das ist auch dir, ausser den
Zeiten der Krankheit, gesund.

Sey bey einem mäßigen Tische gastfrey,
wenn es dein Vermögen leidet. Dieses ist mensch-
lich, angenehm, beliebt und nützlich, und kann
mit denselben Kosten geschehen, welche von den
Verschwendern auf Leckerbissen verwendet werden.

Geneuß niemals so viel, daß es dir beschwer-
lich oder eckelhaft werde, mehr zu geniessen.
Dieses ist ungesund, und folglich unmässig.

Die Trunkenheit ist eine Raserey von eini-
gen Stunden. Kann ein vernünftiger und tugend-
hafter Mensch rasend seyn wollen?

Das unmässige Verlangen nach starken Ge-
tränken mehrt sich immer von Jahr zu Jahr,
hindert alle Gemeinnützigkeit und Ehre, ist eine
gewöhnliche Ursache der Armuth, macht besonders
zum Ehestande ungeschickt, oder verursacht den
Nachkommen angebohrne Schwachheiten; es un-
tergräbt sichtbarer Weise die Gesundheit und das
Leben. Die Besserung von diesem Laster ist
schwerer, als von vielen andern Sünden.

Die sogenannte Ehre, viel vertragen zu kön-
nen, ist entweder falsch, oder setzt voraus, daß
man oft betrunken gewesen sey. Also mußt du die
sogenannte Ehre dieses Vorzuges niemals suchen,

noch

Die Sittenlehre
eſſen und trinken, das iſt auch dir, auſſer den
Zeiten der Krankheit, geſund.

Sey bey einem maͤßigen Tiſche gaſtfrey,
wenn es dein Vermoͤgen leidet. Dieſes iſt menſch-
lich, angenehm, beliebt und nuͤtzlich, und kann
mit denſelben Koſten geſchehen, welche von den
Verſchwendern auf Leckerbiſſen verwendet werden.

Geneuß niemals ſo viel, daß es dir beſchwer-
lich oder eckelhaft werde, mehr zu genieſſen.
Dieſes iſt ungeſund, und folglich unmaͤſſig.

Die Trunkenheit iſt eine Raſerey von eini-
gen Stunden. Kann ein vernuͤnftiger und tugend-
hafter Menſch raſend ſeyn wollen?

Das unmaͤſſige Verlangen nach ſtarken Ge-
traͤnken mehrt ſich immer von Jahr zu Jahr,
hindert alle Gemeinnuͤtzigkeit und Ehre, iſt eine
gewoͤhnliche Urſache der Armuth, macht beſonders
zum Eheſtande ungeſchickt, oder verurſacht den
Nachkommen angebohrne Schwachheiten; es un-
tergraͤbt ſichtbarer Weiſe die Geſundheit und das
Leben. Die Beſſerung von dieſem Laſter iſt
ſchwerer, als von vielen andern Suͤnden.

Die ſogenannte Ehre, viel vertragen zu koͤn-
nen, iſt entweder falſch, oder ſetzt voraus, daß
man oft betrunken geweſen ſey. Alſo mußt du die
ſogenannte Ehre dieſes Vorzuges niemals ſuchen,

noch
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[62/0086] Die Sittenlehre eſſen und trinken, das iſt auch dir, auſſer den Zeiten der Krankheit, geſund. Sey bey einem maͤßigen Tiſche gaſtfrey, wenn es dein Vermoͤgen leidet. Dieſes iſt menſch- lich, angenehm, beliebt und nuͤtzlich, und kann mit denſelben Koſten geſchehen, welche von den Verſchwendern auf Leckerbiſſen verwendet werden. Geneuß niemals ſo viel, daß es dir beſchwer- lich oder eckelhaft werde, mehr zu genieſſen. Dieſes iſt ungeſund, und folglich unmaͤſſig. Die Trunkenheit iſt eine Raſerey von eini- gen Stunden. Kann ein vernuͤnftiger und tugend- hafter Menſch raſend ſeyn wollen? Das unmaͤſſige Verlangen nach ſtarken Ge- traͤnken mehrt ſich immer von Jahr zu Jahr, hindert alle Gemeinnuͤtzigkeit und Ehre, iſt eine gewoͤhnliche Urſache der Armuth, macht beſonders zum Eheſtande ungeſchickt, oder verurſacht den Nachkommen angebohrne Schwachheiten; es un- tergraͤbt ſichtbarer Weiſe die Geſundheit und das Leben. Die Beſſerung von dieſem Laſter iſt ſchwerer, als von vielen andern Suͤnden. Die ſogenannte Ehre, viel vertragen zu koͤn- nen, iſt entweder falſch, oder ſetzt voraus, daß man oft betrunken geweſen ſey. Alſo mußt du die ſogenannte Ehre dieſes Vorzuges niemals ſuchen, noch

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Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/86>, abgerufen am 25.11.2024.