Wider den Rath seiner Eltern und Vormün- der kann ein Knabe sich keine Lebensart wählen, und müßte es auch nicht thun, wenn er könnte. Denn diese kennen seine Kräfte und Umstände, und die Geschäfte in den verschiednen Lebensarten besser, als er selbst.
Die Nahrung in einigen Lebensarten ist stand- hafter, als in andern. Bey gleichen Umständen sind jene diesen vorzuziehen.
Die Wahl gewisser Lebensarten gelingt ordent- licherweise nicht zum allgemeinen Besten und zum Vortheil des Knabens, wenn er kein ererbtes Vermögen oder keinen grossen Beystand der Eltern, Verwandte und Freunde zu erwarten hat. Solche zu wählen, muß ihm nicht angerathen werden.
Einige Lebensarten sind besser für schwächere Personen, andre für stärkere, einige nach einer solchen, einige nach einer andern Erziehung. Alles dieses muß man bey einer Wahl der Lebensart be- denken.
Wenn nicht besondre Zufälle kommen, oder der Mangel der Weisheit es verhindert; so sind die Menschen und Familien in den mehrsten Lebens- arten, sie mögen vornehm oder geringe seyn, gleich glücklich. Traue dieses den Weltkundigen, du wirst es selbst einsehn lernen.
Aber
Die Sittenlehre
Wider den Rath ſeiner Eltern und Vormuͤn- der kann ein Knabe ſich keine Lebensart waͤhlen, und muͤßte es auch nicht thun, wenn er koͤnnte. Denn dieſe kennen ſeine Kraͤfte und Umſtaͤnde, und die Geſchaͤfte in den verſchiednen Lebensarten beſſer, als er ſelbſt.
Die Nahrung in einigen Lebensarten iſt ſtand- hafter, als in andern. Bey gleichen Umſtaͤnden ſind jene dieſen vorzuziehen.
Die Wahl gewiſſer Lebensarten gelingt ordent- licherweiſe nicht zum allgemeinen Beſten und zum Vortheil des Knabens, wenn er kein ererbtes Vermoͤgen oder keinen groſſen Beyſtand der Eltern, Verwandte und Freunde zu erwarten hat. Solche zu waͤhlen, muß ihm nicht angerathen werden.
Einige Lebensarten ſind beſſer fuͤr ſchwaͤchere Perſonen, andre fuͤr ſtaͤrkere, einige nach einer ſolchen, einige nach einer andern Erziehung. Alles dieſes muß man bey einer Wahl der Lebensart be- denken.
Wenn nicht beſondre Zufaͤlle kommen, oder der Mangel der Weisheit es verhindert; ſo ſind die Menſchen und Familien in den mehrſten Lebens- arten, ſie moͤgen vornehm oder geringe ſeyn, gleich gluͤcklich. Traue dieſes den Weltkundigen, du wirſt es ſelbſt einſehn lernen.
Aber
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[48/0072]
Die Sittenlehre
Wider den Rath ſeiner Eltern und Vormuͤn-
der kann ein Knabe ſich keine Lebensart waͤhlen,
und muͤßte es auch nicht thun, wenn er koͤnnte.
Denn dieſe kennen ſeine Kraͤfte und Umſtaͤnde,
und die Geſchaͤfte in den verſchiednen Lebensarten
beſſer, als er ſelbſt.
Die Nahrung in einigen Lebensarten iſt ſtand-
hafter, als in andern. Bey gleichen Umſtaͤnden
ſind jene dieſen vorzuziehen.
Die Wahl gewiſſer Lebensarten gelingt ordent-
licherweiſe nicht zum allgemeinen Beſten und
zum Vortheil des Knabens, wenn er kein ererbtes
Vermoͤgen oder keinen groſſen Beyſtand der Eltern,
Verwandte und Freunde zu erwarten hat. Solche
zu waͤhlen, muß ihm nicht angerathen werden.
Einige Lebensarten ſind beſſer fuͤr ſchwaͤchere
Perſonen, andre fuͤr ſtaͤrkere, einige nach einer
ſolchen, einige nach einer andern Erziehung. Alles
dieſes muß man bey einer Wahl der Lebensart be-
denken.
Wenn nicht beſondre Zufaͤlle kommen, oder der
Mangel der Weisheit es verhindert; ſo ſind die
Menſchen und Familien in den mehrſten Lebens-
arten, ſie moͤgen vornehm oder geringe ſeyn, gleich
gluͤcklich. Traue dieſes den Weltkundigen, du
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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/72>, abgerufen am 29.07.2024.
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