Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

Bild:
<< vorherige Seite
aus natürlicher Erkenntniß etc.

Laß, so viel möglich, keinen Tag anfan-
gen oder vergehen, ohne dir eine ruhige Zeit
zur Andacht,
das ist, zur Verehrung Gottes,
und zu Vorsätzen der Fortschreitung auf dem Wege
der Tugend zu machen. Die Welt ist voll Gefah-
ren der Verführung. Der tugendhafte Verehrer
Gottes muß sich täglich waffnen, und wider seine
verirrten Neigungen und die Kraft der bösen
Exempel streiten.

§. 19.

Alle Thorheit, wodurch wir uns selbst scha-
den, und alles Unrecht an andern, sind Sünde
vor Gott, weil sie seinem Gesetze von der Tugend
zuwider und seinem Gerichte unterworfen sind.

Die Neigung, eine unsichtbar regierende,
belohnende und bestrafende Herrschaft über die
Menschen zu glauben, und deswegen vor der That
zu fürchten und zu hoffen, nach der That beäng-
stiget oder froh zu seyn, heißt das Gewissen.
Suche das deinige mit aller Sorgfalt zu beleh-
ren, damit es richtig urtheile; denn die Einge-
bungen eines irrenden Gewissens sind oft die ab-
scheulichsten Thaten. Handle deinem Gewissen
gemäß, wenn es mit Zuverlässigkeit entscheidet;
denn, wenn du ihm gehorchst, so ist wenigstens
dein Vorsatz, Gotte zu gehorchen. Selbst im

Zweifel
aus natuͤrlicher Erkenntniß ꝛc.

Laß, ſo viel moͤglich, keinen Tag anfan-
gen oder vergehen, ohne dir eine ruhige Zeit
zur Andacht,
das iſt, zur Verehrung Gottes,
und zu Vorſaͤtzen der Fortſchreitung auf dem Wege
der Tugend zu machen. Die Welt iſt voll Gefah-
ren der Verfuͤhrung. Der tugendhafte Verehrer
Gottes muß ſich taͤglich waffnen, und wider ſeine
verirrten Neigungen und die Kraft der boͤſen
Exempel ſtreiten.

§. 19.

Alle Thorheit, wodurch wir uns ſelbſt ſcha-
den, und alles Unrecht an andern, ſind Sünde
vor Gott, weil ſie ſeinem Geſetze von der Tugend
zuwider und ſeinem Gerichte unterworfen ſind.

Die Neigung, eine unſichtbar regierende,
belohnende und beſtrafende Herrſchaft uͤber die
Menſchen zu glauben, und deswegen vor der That
zu fuͤrchten und zu hoffen, nach der That beaͤng-
ſtiget oder froh zu ſeyn, heißt das Gewiſſen.
Suche das deinige mit aller Sorgfalt zu beleh-
ren, damit es richtig urtheile; denn die Einge-
bungen eines irrenden Gewiſſens ſind oft die ab-
ſcheulichſten Thaten. Handle deinem Gewiſſen
gemaͤß, wenn es mit Zuverlaͤſſigkeit entſcheidet;
denn, wenn du ihm gehorchſt, ſo iſt wenigſtens
dein Vorſatz, Gotte zu gehorchen. Selbſt im

Zweifel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0053" n="29"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">aus natu&#x0364;rlicher Erkenntniß &#xA75B;c.</hi> </fw><lb/>
          <p>Laß, &#x017F;o viel mo&#x0364;glich, keinen Tag anfan-<lb/>
gen oder vergehen, <hi rendition="#fr">ohne dir eine ruhige Zeit<lb/>
zur Andacht,</hi> das i&#x017F;t, zur Verehrung Gottes,<lb/>
und zu Vor&#x017F;a&#x0364;tzen der Fort&#x017F;chreitung auf dem Wege<lb/>
der Tugend zu machen. Die Welt i&#x017F;t voll Gefah-<lb/>
ren der Verfu&#x0364;hrung. Der tugendhafte Verehrer<lb/>
Gottes muß &#x017F;ich ta&#x0364;glich waffnen, und wider &#x017F;eine<lb/>
verirrten Neigungen und die Kraft der bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Exempel &#x017F;treiten.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 19.</head><lb/>
          <p>Alle Thorheit, wodurch wir uns &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;cha-<lb/>
den, und alles Unrecht an andern, &#x017F;ind <hi rendition="#fr">Sünde</hi><lb/>
vor Gott, weil &#x017F;ie &#x017F;einem Ge&#x017F;etze von der Tugend<lb/>
zuwider und &#x017F;einem Gerichte unterworfen &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Die Neigung, eine un&#x017F;ichtbar regierende,<lb/>
belohnende und be&#x017F;trafende Herr&#x017F;chaft u&#x0364;ber die<lb/>
Men&#x017F;chen zu glauben, und deswegen vor der That<lb/>
zu fu&#x0364;rchten und zu hoffen, nach der That bea&#x0364;ng-<lb/>
&#x017F;tiget oder froh zu &#x017F;eyn, heißt das <hi rendition="#fr">Gewi&#x017F;&#x017F;en.</hi><lb/>
Suche das deinige mit aller Sorgfalt zu beleh-<lb/>
ren, damit es richtig urtheile; denn die Einge-<lb/>
bungen eines irrenden Gewi&#x017F;&#x017F;ens &#x017F;ind oft die ab-<lb/>
&#x017F;cheulich&#x017F;ten Thaten. Handle deinem Gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gema&#x0364;ß, wenn es mit Zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit ent&#x017F;cheidet;<lb/>
denn, wenn du ihm gehorch&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t wenig&#x017F;tens<lb/>
dein Vor&#x017F;atz, Gotte zu gehorchen. Selb&#x017F;t im<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zweifel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0053] aus natuͤrlicher Erkenntniß ꝛc. Laß, ſo viel moͤglich, keinen Tag anfan- gen oder vergehen, ohne dir eine ruhige Zeit zur Andacht, das iſt, zur Verehrung Gottes, und zu Vorſaͤtzen der Fortſchreitung auf dem Wege der Tugend zu machen. Die Welt iſt voll Gefah- ren der Verfuͤhrung. Der tugendhafte Verehrer Gottes muß ſich taͤglich waffnen, und wider ſeine verirrten Neigungen und die Kraft der boͤſen Exempel ſtreiten. §. 19. Alle Thorheit, wodurch wir uns ſelbſt ſcha- den, und alles Unrecht an andern, ſind Sünde vor Gott, weil ſie ſeinem Geſetze von der Tugend zuwider und ſeinem Gerichte unterworfen ſind. Die Neigung, eine unſichtbar regierende, belohnende und beſtrafende Herrſchaft uͤber die Menſchen zu glauben, und deswegen vor der That zu fuͤrchten und zu hoffen, nach der That beaͤng- ſtiget oder froh zu ſeyn, heißt das Gewiſſen. Suche das deinige mit aller Sorgfalt zu beleh- ren, damit es richtig urtheile; denn die Einge- bungen eines irrenden Gewiſſens ſind oft die ab- ſcheulichſten Thaten. Handle deinem Gewiſſen gemaͤß, wenn es mit Zuverlaͤſſigkeit entſcheidet; denn, wenn du ihm gehorchſt, ſo iſt wenigſtens dein Vorſatz, Gotte zu gehorchen. Selbſt im Zweifel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/53
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/53>, abgerufen am 23.11.2024.