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Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.

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verwaiseter und armer Kinder.
der nicht, wie gewöhnlich, erschweren, sondern
(als Bediente) befördern. Die ersten lernen eben
so viel (und wegen der mit der Zeit ihnen aufge-
tragnen Unteraufsicht und Unterweisung Andrer
noch mehr) als die Pensionisten; die mittelsten
werden so vernünftige Halbgelehrte, daß sie die
künftigen Bauren und Taglöhner werden nur ver-
nünftig aber nicht halbgelehrt machen wollen. Und
die letzten werden doch auch gut lesen, leserlich
schreiben, häuslich rechnen, mechanische Vortheile
kennen, auch zufälliger Weise Französisch und La-
teinisch verstehn, und zur Noth sprechen lernen;
insonderheit aber in den Pflichten eines Menschen
und Hausbedienten geübet werden. Denn von
der Religion ist oben geredet.

Wir rechnen für Kleidung, Unterhalt aller
Art und für Unterricht eines solchen armen Knaben
jährlich 80 Rthlr. in Hoffnung, daß, wenn wir
dem Philanthropinum zum Schaden gerechnet haben
sollten, die Menschenfreundschaft vieler zerstreuten
Edlen diese heilsame Stiftung mit nöthigem Bey-
stande nicht verlassen werde.

Diese Wohlthäter, deren sich hoffentlich viele
finden werden, können also nach obgesagter Be-
dingung allerdings auch die Kinder bestimmen
und herschaffen. Aber, da dieses aus grosser Ent-
fernung her, wenn keine Anzahl zusammen da ist,
oder wenn der Wohlthäter die Kosten der Reise
nicht aus besondrer Ursache übernehmen will, einige
Schwierigkeit hat: so versprechen wir für jede dazu
bestimmte 80 Rthlr. jährlich einen solchen armen

Knaben
E 4

verwaiſeter und armer Kinder.
der nicht, wie gewoͤhnlich, erſchweren, ſondern
(als Bediente) befoͤrdern. Die erſten lernen eben
ſo viel (und wegen der mit der Zeit ihnen aufge-
tragnen Unteraufſicht und Unterweiſung Andrer
noch mehr) als die Penſioniſten; die mittelſten
werden ſo vernuͤnftige Halbgelehrte, daß ſie die
kuͤnftigen Bauren und Tagloͤhner werden nur ver-
nuͤnftig aber nicht halbgelehrt machen wollen. Und
die letzten werden doch auch gut leſen, leſerlich
ſchreiben, haͤuslich rechnen, mechaniſche Vortheile
kennen, auch zufaͤlliger Weiſe Franzoͤſiſch und La-
teiniſch verſtehn, und zur Noth ſprechen lernen;
inſonderheit aber in den Pflichten eines Menſchen
und Hausbedienten geuͤbet werden. Denn von
der Religion iſt oben geredet.

Wir rechnen fuͤr Kleidung, Unterhalt aller
Art und fuͤr Unterricht eines ſolchen armen Knaben
jaͤhrlich 80 Rthlr. in Hoffnung, daß, wenn wir
dem Philanthropinum zum Schaden gerechnet haben
ſollten, die Menſchenfreundſchaft vieler zerſtreuten
Edlen dieſe heilſame Stiftung mit noͤthigem Bey-
ſtande nicht verlaſſen werde.

Dieſe Wohlthaͤter, deren ſich hoffentlich viele
finden werden, koͤnnen alſo nach obgeſagter Be-
dingung allerdings auch die Kinder beſtimmen
und herſchaffen. Aber, da dieſes aus groſſer Ent-
fernung her, wenn keine Anzahl zuſammen da iſt,
oder wenn der Wohlthaͤter die Koſten der Reiſe
nicht aus beſondrer Urſache uͤbernehmen will, einige
Schwierigkeit hat: ſo verſprechen wir fuͤr jede dazu
beſtimmte 80 Rthlr. jaͤhrlich einen ſolchen armen

Knaben
E 4
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[71/0107] verwaiſeter und armer Kinder. der nicht, wie gewoͤhnlich, erſchweren, ſondern (als Bediente) befoͤrdern. Die erſten lernen eben ſo viel (und wegen der mit der Zeit ihnen aufge- tragnen Unteraufſicht und Unterweiſung Andrer noch mehr) als die Penſioniſten; die mittelſten werden ſo vernuͤnftige Halbgelehrte, daß ſie die kuͤnftigen Bauren und Tagloͤhner werden nur ver- nuͤnftig aber nicht halbgelehrt machen wollen. Und die letzten werden doch auch gut leſen, leſerlich ſchreiben, haͤuslich rechnen, mechaniſche Vortheile kennen, auch zufaͤlliger Weiſe Franzoͤſiſch und La- teiniſch verſtehn, und zur Noth ſprechen lernen; inſonderheit aber in den Pflichten eines Menſchen und Hausbedienten geuͤbet werden. Denn von der Religion iſt oben geredet. Wir rechnen fuͤr Kleidung, Unterhalt aller Art und fuͤr Unterricht eines ſolchen armen Knaben jaͤhrlich 80 Rthlr. in Hoffnung, daß, wenn wir dem Philanthropinum zum Schaden gerechnet haben ſollten, die Menſchenfreundſchaft vieler zerſtreuten Edlen dieſe heilſame Stiftung mit noͤthigem Bey- ſtande nicht verlaſſen werde. Dieſe Wohlthaͤter, deren ſich hoffentlich viele finden werden, koͤnnen alſo nach obgeſagter Be- dingung allerdings auch die Kinder beſtimmen und herſchaffen. Aber, da dieſes aus groſſer Ent- fernung her, wenn keine Anzahl zuſammen da iſt, oder wenn der Wohlthaͤter die Koſten der Reiſe nicht aus beſondrer Urſache uͤbernehmen will, einige Schwierigkeit hat: ſo verſprechen wir fuͤr jede dazu beſtimmte 80 Rthlr. jaͤhrlich einen ſolchen armen Knaben E 4

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Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_philanthropinum_1774/107>, abgerufen am 24.04.2024.