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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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kunft der Menschheit verzweifeln. Die Symbolik der Schuld-
frage und die Prüfung auf letzte Eigenschaften werden
jedoch hoffentlich Kriegsursachen ein für allemal aus der
Welt schaffen, und keine der geringsten Kriegsursachen war
ein staatlich und pseudoreligiös betriebener Nationalismus,
der im Zeichen der ursprünglichen christlichen Idee und
eines freien Europa zu verwerfen ist. Individuen und Na-
tionen mögen das äusserste Recht auf Selbstbestimmung
geniessen, doch nur in der Gemeinschaft, weil sie nur so
das Höchste leisten können, das mit ihnen geboren ist. Keines-
wegs haben sie das Recht, andere Individuen und Nationen
zu vergewaltigen oder zu betrügen und damit die Entfaltung
der Gesamtheit zu missachten, die allein das Höchste mög-
lich macht und dessen Massstab ist.

Ich wünschte, deutsche Rektoren, Schulräte und Kon-
sistorien zu Lesern zu haben, wenn ich behaupte: der Glaube
an die Ueberlegenheit unserer Klassiker ist ein protestantisches
Vorurteil. Wenn ich protestantisch sage, meine ich irreligiös
und habe im vorhergehenden Kapitel auseinandergesetzt,
weshalb ich das meine 30).

Die Herkunft der idealistischen Philosophie aus dem
Protestantismus wird man nicht bestreiten. "Die wirksamste
Literatur der neueren Geschichte", gesteht Treitschke, "ist prote-
stantisch von Grund aus" 31), und Heinrich Heine bestätigt
in seiner gegen Metternich und Frau von Stael gerichteten
"Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland"
ausdrücklich, dass "aus dem Protestantismus die deutsche
Philosophie hervorging" 32). Klopstock und Lessing, Wieland
und Herder, Goethe und Schiller, Kant und Fichte, alle, die
den deutschen Namen exaltierten, nahmen ihren Ursprung
aus den Bildungsanstalten, die das Luthertum geschaffen
und mit seiner Gesinnung erfüllt hatte. Ja Gustav Freytag
behauptet, in Deutschland sei seit der Reformation selten
ein bedeutender Mann aufgetreten, der unter seine Vor-
fahren nicht einen Geistlichen zählte. Lessing und Schelling,

kunft der Menschheit verzweifeln. Die Symbolik der Schuld-
frage und die Prüfung auf letzte Eigenschaften werden
jedoch hoffentlich Kriegsursachen ein für allemal aus der
Welt schaffen, und keine der geringsten Kriegsursachen war
ein staatlich und pseudoreligiös betriebener Nationalismus,
der im Zeichen der ursprünglichen christlichen Idee und
eines freien Europa zu verwerfen ist. Individuen und Na-
tionen mögen das äusserste Recht auf Selbstbestimmung
geniessen, doch nur in der Gemeinschaft, weil sie nur so
das Höchste leisten können, das mit ihnen geboren ist. Keines-
wegs haben sie das Recht, andere Individuen und Nationen
zu vergewaltigen oder zu betrügen und damit die Entfaltung
der Gesamtheit zu missachten, die allein das Höchste mög-
lich macht und dessen Massstab ist.

Ich wünschte, deutsche Rektoren, Schulräte und Kon-
sistorien zu Lesern zu haben, wenn ich behaupte: der Glaube
an die Ueberlegenheit unserer Klassiker ist ein protestantisches
Vorurteil. Wenn ich protestantisch sage, meine ich irreligiös
und habe im vorhergehenden Kapitel auseinandergesetzt,
weshalb ich das meine 30).

Die Herkunft der idealistischen Philosophie aus dem
Protestantismus wird man nicht bestreiten. „Die wirksamste
Literatur der neueren Geschichte“, gesteht Treitschke, „ist prote-
stantisch von Grund aus“ 31), und Heinrich Heine bestätigt
in seiner gegen Metternich und Frau von Staël gerichteten
„Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“
ausdrücklich, dass „aus dem Protestantismus die deutsche
Philosophie hervorging“ 32). Klopstock und Lessing, Wieland
und Herder, Goethe und Schiller, Kant und Fichte, alle, die
den deutschen Namen exaltierten, nahmen ihren Ursprung
aus den Bildungsanstalten, die das Luthertum geschaffen
und mit seiner Gesinnung erfüllt hatte. Ja Gustav Freytag
behauptet, in Deutschland sei seit der Reformation selten
ein bedeutender Mann aufgetreten, der unter seine Vor-
fahren nicht einen Geistlichen zählte. Lessing und Schelling,

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[64/0072] kunft der Menschheit verzweifeln. Die Symbolik der Schuld- frage und die Prüfung auf letzte Eigenschaften werden jedoch hoffentlich Kriegsursachen ein für allemal aus der Welt schaffen, und keine der geringsten Kriegsursachen war ein staatlich und pseudoreligiös betriebener Nationalismus, der im Zeichen der ursprünglichen christlichen Idee und eines freien Europa zu verwerfen ist. Individuen und Na- tionen mögen das äusserste Recht auf Selbstbestimmung geniessen, doch nur in der Gemeinschaft, weil sie nur so das Höchste leisten können, das mit ihnen geboren ist. Keines- wegs haben sie das Recht, andere Individuen und Nationen zu vergewaltigen oder zu betrügen und damit die Entfaltung der Gesamtheit zu missachten, die allein das Höchste mög- lich macht und dessen Massstab ist. Ich wünschte, deutsche Rektoren, Schulräte und Kon- sistorien zu Lesern zu haben, wenn ich behaupte: der Glaube an die Ueberlegenheit unserer Klassiker ist ein protestantisches Vorurteil. Wenn ich protestantisch sage, meine ich irreligiös und habe im vorhergehenden Kapitel auseinandergesetzt, weshalb ich das meine ³⁰⁾ . Die Herkunft der idealistischen Philosophie aus dem Protestantismus wird man nicht bestreiten. „Die wirksamste Literatur der neueren Geschichte“, gesteht Treitschke, „ist prote- stantisch von Grund aus“ ³¹⁾ , und Heinrich Heine bestätigt in seiner gegen Metternich und Frau von Staël gerichteten „Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ ausdrücklich, dass „aus dem Protestantismus die deutsche Philosophie hervorging“ ³²⁾ . Klopstock und Lessing, Wieland und Herder, Goethe und Schiller, Kant und Fichte, alle, die den deutschen Namen exaltierten, nahmen ihren Ursprung aus den Bildungsanstalten, die das Luthertum geschaffen und mit seiner Gesinnung erfüllt hatte. Ja Gustav Freytag behauptet, in Deutschland sei seit der Reformation selten ein bedeutender Mann aufgetreten, der unter seine Vor- fahren nicht einen Geistlichen zählte. Lessing und Schelling,

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/72>, abgerufen am 21.11.2024.