dem freimütig heiteren Heldentum der Väter" zeigte26). Er spricht von den "heldenhaften Klängen lutherischer Lieder", von einer "verarmten, mit fremden Flittern aufgeputzten Sprache" und von der "rettungslosen Fäulnis des heiligen Reichs". Wie ist es möglich, in einem solchen Lande inner- halb hundertfünfzig Jahren die vielseitigste, kühnste und menschlich freieste Literatur zu schaffen? Man kennt die Terminologie, mit der Treitschke das Wunder erklärt: Die Glaubensfreiheit und der preussische Staat haben es voll- bracht. Die eine, indem sie dem nach Treitschkes Worten "verwilderten Geschlecht" den Glauben an sich selbst zurück- gab (!). Der andere, indem er die Deutschen "zwang, wieder an das Wunder des Heldentums zu glauben".
Zugunsten meiner Nation muss ich annehmen, dass Treitschke deren Verwilderung übertrieben hat, um das Werk seiner preussischen Majestäten, Friedrichs II. besonders, in desto helleres Licht zu setzen. Es könnte jemand auf den Gedanken kommen, gründlicher noch, als es bereits ge- schehen ist, die Auswirkungen des dreissigjährigen Krieges in unserer klassischen Literatur nachzuweisen, und der von Treitschke behauptete Vorrang möchte einen allzu empfind- lichen Stoss erleiden 27). Die krüde Monstrosität der "Räuber", das Faustrecht und die Betonung der Kraftworte im "Götz", die wilde Jagd nach Lebensgenuss im "Faust" und der übertriebene Erziehungskult bei Fichte sind nur allzu deut- liche Nachklänge einer sowohl moralischen wie geistigen Katastrophe, und wenn jene Epoche auch Grosses geleistet hat, um die Schäden zu reparieren, so leistete sie Unsterb- liches doch nur in der Virtuosität, über den eigentlichen Jammer und Sachverhalt hinwegzutäuschen durch klassizistische Dekoration, vorzeitige und unvolkstümliche Harmonisierung, durch Optimismus und Flucht an die Höfe. Hier genüge die Feststellung: eine der Hauptursachen der masslosen Ueberschätzung, die die Deutschen ihren Herder, Schiller, Fichte, Hegel angedeihen liessen, war der nationale Stolz,
dem freimütig heiteren Heldentum der Väter“ zeigte26). Er spricht von den „heldenhaften Klängen lutherischer Lieder“, von einer „verarmten, mit fremden Flittern aufgeputzten Sprache“ und von der „rettungslosen Fäulnis des heiligen Reichs“. Wie ist es möglich, in einem solchen Lande inner- halb hundertfünfzig Jahren die vielseitigste, kühnste und menschlich freieste Literatur zu schaffen? Man kennt die Terminologie, mit der Treitschke das Wunder erklärt: Die Glaubensfreiheit und der preussische Staat haben es voll- bracht. Die eine, indem sie dem nach Treitschkes Worten „verwilderten Geschlecht“ den Glauben an sich selbst zurück- gab (!). Der andere, indem er die Deutschen „zwang, wieder an das Wunder des Heldentums zu glauben“.
Zugunsten meiner Nation muss ich annehmen, dass Treitschke deren Verwilderung übertrieben hat, um das Werk seiner preussischen Majestäten, Friedrichs II. besonders, in desto helleres Licht zu setzen. Es könnte jemand auf den Gedanken kommen, gründlicher noch, als es bereits ge- schehen ist, die Auswirkungen des dreissigjährigen Krieges in unserer klassischen Literatur nachzuweisen, und der von Treitschke behauptete Vorrang möchte einen allzu empfind- lichen Stoss erleiden 27). Die krüde Monstrosität der „Räuber“, das Faustrecht und die Betonung der Kraftworte im „Götz“, die wilde Jagd nach Lebensgenuss im „Faust“ und der übertriebene Erziehungskult bei Fichte sind nur allzu deut- liche Nachklänge einer sowohl moralischen wie geistigen Katastrophe, und wenn jene Epoche auch Grosses geleistet hat, um die Schäden zu reparieren, so leistete sie Unsterb- liches doch nur in der Virtuosität, über den eigentlichen Jammer und Sachverhalt hinwegzutäuschen durch klassizistische Dekoration, vorzeitige und unvolkstümliche Harmonisierung, durch Optimismus und Flucht an die Höfe. Hier genüge die Feststellung: eine der Hauptursachen der masslosen Ueberschätzung, die die Deutschen ihren Herder, Schiller, Fichte, Hegel angedeihen liessen, war der nationale Stolz,
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dem freimütig heiteren Heldentum der Väter“ zeigte
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spricht von den „heldenhaften Klängen lutherischer Lieder“,
von einer „verarmten, mit fremden Flittern aufgeputzten
Sprache“ und von der „rettungslosen Fäulnis des heiligen
Reichs“. Wie ist es möglich, in einem solchen Lande inner-
halb hundertfünfzig Jahren die vielseitigste, kühnste und
menschlich freieste Literatur zu schaffen? Man kennt die
Terminologie, mit der Treitschke das Wunder erklärt: Die
Glaubensfreiheit und der preussische Staat haben es voll-
bracht. Die eine, indem sie dem nach Treitschkes Worten
„verwilderten Geschlecht“ den Glauben an sich selbst zurück-
gab (!). Der andere, indem er die Deutschen „zwang, wieder
an das Wunder des Heldentums zu glauben“.
Zugunsten meiner Nation muss ich annehmen, dass
Treitschke deren Verwilderung übertrieben hat, um das Werk
seiner preussischen Majestäten, Friedrichs II. besonders, in
desto helleres Licht zu setzen. Es könnte jemand auf den
Gedanken kommen, gründlicher noch, als es bereits ge-
schehen ist, die Auswirkungen des dreissigjährigen Krieges
in unserer klassischen Literatur nachzuweisen, und der von
Treitschke behauptete Vorrang möchte einen allzu empfind-
lichen Stoss erleiden
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. Die krüde Monstrosität der „Räuber“,
das Faustrecht und die Betonung der Kraftworte im „Götz“,
die wilde Jagd nach Lebensgenuss im „Faust“ und der
übertriebene Erziehungskult bei Fichte sind nur allzu deut-
liche Nachklänge einer sowohl moralischen wie geistigen
Katastrophe, und wenn jene Epoche auch Grosses geleistet
hat, um die Schäden zu reparieren, so leistete sie Unsterb-
liches doch nur in der Virtuosität, über den eigentlichen
Jammer und Sachverhalt hinwegzutäuschen durch klassizistische
Dekoration, vorzeitige und unvolkstümliche Harmonisierung,
durch Optimismus und Flucht an die Höfe. Hier genüge
die Feststellung: eine der Hauptursachen der masslosen
Ueberschätzung, die die Deutschen ihren Herder, Schiller,
Fichte, Hegel angedeihen liessen, war der nationale Stolz,
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/70>, abgerufen am 21.11.2024.
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