Pamphlet "Wider das sanftlebende Fleisch zu Wittenberg", in dem Münzer vor dem Jahrhundert und der Menschheit den Kampf aufnahm:
"Noch bist du verblendet und willst doch der Welt Blindenleiter sein? Du hast die Christenheit aus deinem Augustinus mit einem falschen Glauben verwirrt und kannst sie, da die Not angeht, nicht berichtigen. Darum heuchelst du den Fürsten. Du meinst aber, es sei gut geworden, da du einen grossen Namen überkommen hast. Du hast gestärkt die Gewalt der gottlosen Bösewichter, auf dass sie ja auf ihrem alten Wege blieben. Darum wird dirs gehen wie einem gefangenen Fuchs. Das Volk wird frei werden und Gott allein wird Herr darüber sein" 63).
Die Wiedertäufer und Schwärmer wurden seine Kons- piratoren und Emissäre. Schon als fünfzehnjähriger Knabe hatte Münzer sich beteiligt an einer Verschwörung gegen den Erzbischof Ernst von Magdeburg. Jetzt gründete er den Allstedter Bund, den Mansfelder Bergarbeiterbund: Zins- verweigerung und Aufstand. Am 15. Juli 1525 berichtet er von "mehr als dreissig Anschlägen und Bündnissen der Auserwählten". "In allen Ländern will ich das Spiel machen; kurzum, wir müssen ausbaden, wir sind eingesessen. Lasst euch das Herz nicht entsinken, wie es den Tyrannen allen entfallen ist. Es ist das rechte Urteil Gottes, dass sie so ganz jämmerlich verstockt sind; denn Gott will sie mit der Wurzel ausraufen". ,Thomas Münzer mit dem Hammer' nennt er sich. Im Barfüsserkloster lässt er Geschütze schweren Kalibers giessen. Eine weisse Fahne führt er ins Feld, darin ein Regenbogen steht. Nach Luther aber warf man mit Steinen, als er in Orlamünde sich sehen liess.
In wilden Blutbädern wurden die skorbutmäuligen ausgehungerten Bauern-Proletarier niedergemetzelt. Die Berg- predigt, das Evangelium der Armen, erfuhr eine blutige Abfuhr. ""Omnia sunt communia" ist ihr Artikel ge- wesen", berichtet Melanchthon 64). Auf der Folter gestand
Pamphlet „Wider das sanftlebende Fleisch zu Wittenberg“, in dem Münzer vor dem Jahrhundert und der Menschheit den Kampf aufnahm:
„Noch bist du verblendet und willst doch der Welt Blindenleiter sein? Du hast die Christenheit aus deinem Augustinus mit einem falschen Glauben verwirrt und kannst sie, da die Not angeht, nicht berichtigen. Darum heuchelst du den Fürsten. Du meinst aber, es sei gut geworden, da du einen grossen Namen überkommen hast. Du hast gestärkt die Gewalt der gottlosen Bösewichter, auf dass sie ja auf ihrem alten Wege blieben. Darum wird dirs gehen wie einem gefangenen Fuchs. Das Volk wird frei werden und Gott allein wird Herr darüber sein“ 63).
Die Wiedertäufer und Schwärmer wurden seine Kons- piratoren und Emissäre. Schon als fünfzehnjähriger Knabe hatte Münzer sich beteiligt an einer Verschwörung gegen den Erzbischof Ernst von Magdeburg. Jetzt gründete er den Allstedter Bund, den Mansfelder Bergarbeiterbund: Zins- verweigerung und Aufstand. Am 15. Juli 1525 berichtet er von „mehr als dreissig Anschlägen und Bündnissen der Auserwählten“. „In allen Ländern will ich das Spiel machen; kurzum, wir müssen ausbaden, wir sind eingesessen. Lasst euch das Herz nicht entsinken, wie es den Tyrannen allen entfallen ist. Es ist das rechte Urteil Gottes, dass sie so ganz jämmerlich verstockt sind; denn Gott will sie mit der Wurzel ausraufen“. ‚Thomas Münzer mit dem Hammer‘ nennt er sich. Im Barfüsserkloster lässt er Geschütze schweren Kalibers giessen. Eine weisse Fahne führt er ins Feld, darin ein Regenbogen steht. Nach Luther aber warf man mit Steinen, als er in Orlamünde sich sehen liess.
In wilden Blutbädern wurden die skorbutmäuligen ausgehungerten Bauern-Proletarier niedergemetzelt. Die Berg- predigt, das Evangelium der Armen, erfuhr eine blutige Abfuhr. „«Omnia sunt communia» ist ihr Artikel ge- wesen“, berichtet Melanchthon 64). Auf der Folter gestand
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Pamphlet „Wider das sanftlebende Fleisch zu Wittenberg“,
in dem Münzer vor dem Jahrhundert und der Menschheit
den Kampf aufnahm:
„Noch bist du verblendet und willst doch der Welt
Blindenleiter sein? Du hast die Christenheit aus deinem
Augustinus mit einem falschen Glauben verwirrt und kannst
sie, da die Not angeht, nicht berichtigen. Darum heuchelst
du den Fürsten. Du meinst aber, es sei gut geworden, da
du einen grossen Namen überkommen hast. Du hast gestärkt
die Gewalt der gottlosen Bösewichter, auf dass sie ja auf ihrem
alten Wege blieben. Darum wird dirs gehen wie einem
gefangenen Fuchs. Das Volk wird frei werden und Gott
allein wird Herr darüber sein“
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Die Wiedertäufer und Schwärmer wurden seine Kons-
piratoren und Emissäre. Schon als fünfzehnjähriger Knabe
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den Erzbischof Ernst von Magdeburg. Jetzt gründete er den
Allstedter Bund, den Mansfelder Bergarbeiterbund: Zins-
verweigerung und Aufstand. Am 15. Juli 1525 berichtet
er von „mehr als dreissig Anschlägen und Bündnissen der
Auserwählten“. „In allen Ländern will ich das Spiel machen;
kurzum, wir müssen ausbaden, wir sind eingesessen. Lasst
euch das Herz nicht entsinken, wie es den Tyrannen allen
entfallen ist. Es ist das rechte Urteil Gottes, dass sie so
ganz jämmerlich verstockt sind; denn Gott will sie mit
der Wurzel ausraufen“. ‚Thomas Münzer mit dem Hammer‘
nennt er sich. Im Barfüsserkloster lässt er Geschütze schweren
Kalibers giessen. Eine weisse Fahne führt er ins Feld, darin
ein Regenbogen steht. Nach Luther aber warf man mit
Steinen, als er in Orlamünde sich sehen liess.
In wilden Blutbädern wurden die skorbutmäuligen
ausgehungerten Bauern-Proletarier niedergemetzelt. Die Berg-
predigt, das Evangelium der Armen, erfuhr eine blutige
Abfuhr. „«Omnia sunt communia» ist ihr Artikel ge-
wesen“, berichtet Melanchthon
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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/55>, abgerufen am 21.11.2024.
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